Rechtsprechung zu Mietwagenkosten

Alle Gerichte in Deutschland sind dazu übergegangen, Klägern weiteren Schadenersatz in Bezug auf Mietwagenkosten zu versagen. Mit dem Amtsgericht Köln ist nun das letzte deutsche Gericht auf die Fraunhofer-Liste umgeschwenkt.

So oder ähnlich könnte eine Meldung lauten, die in der Zukunft jemand verfasst. Denn die Vermieter, vermietenden Reparaturbetriebe, Anwälte der Kläger tun leider nicht genug, um das zu verhindern. Zur Erinnerung sei darauf verwiesen, dass vor ca. zehn Jahren noch die Schwacke-Schätzung erstattungsfähiger Mietwagenkosten im Rahmen des Schadenersatzes der Standard war. Die Gerichte haben Fraunhofer anfangs nicht geglaubt. Inzwischen ist es üblich, den Mittelwert aus beiden Listen anzuwenden, Mischmodell oder Fracke genannt. Das ist das Ergebnis der Arbeit der Versichereranwälte mit Internetscreenshots bei Gericht. Schwacke wurde über Jahre mit falschen Verdächtigungen überzogen.

Beispiele

1. Erhebliche Preissteigerungen zur Liste 2006 -> die hat es nie gegeben, es stand aber in hunderten Urteilen als Urteilsbegründung. Da schreibt ein Richter vom anderen ab, ohne etwas davon zu verstehen;

2. Schwacke würde mit dem BAV zusammenarbeiten;

3. Schwacke-Werte könnten manipuliert sein

4. ...

Die Alternative Fraunhofer wurde gleichzeitig durch tausende Internetscreenshots gestützt. Auch wenn die Gerichte bis heute darauf antworten, dass die Internetscreenshots keinen konkreten Sachvortrag darstellen, zeigen sie doch ihre Wirkung in der Anwendung des Mischmodells Fracke und immer wieder auch in der Anwendung der Fraunhofer-Liste pur.

Soweit die aktuelle Situation.

Zitat aus einem aktuellen Urteil:

"Das Gericht übt das tatrichterlichen Ermessen dahingehend aus, dass es eine Kombination aus Schwacke-Liste und Fraunhofer-Mietpreisspiegel anwendet, wobei aus der Summe der ein­schlägigem Mietpreise dieser Listen das arithmetische Mittel zu bilden ist. Hieraus lässt sich ein annähernd realistischer Wert abbilden, da Kritiker der Schwacke-Liste überhöhte Werte, der Fraunhofer-Liste zu geringe Werte vorwerfen (LG Braunschweig, aaO; LG Stuttgart, Urteil vom 7.8.2015, 24 0 421/14).
Auch die von der Beklagten zur Erschütterung des Schwacke Mietpreisspiegels vorgelegten Online-Mietangebote stellen keine konkrete Einwendung in diesem Sinne dar. Die Angebote sind mit der tatsächlichen Anmietsituation nicht vergleichbar. Es ist nicht erkennbar, dass in der Anmietsituation im Februar 2021 tatsächlich entsprechende Fahrzeuge zu den von der Beklag­ten recherchierten Konditionen verfügbar gewesen wären, denn die online recherchierten Ver­gleichsangebote datieren vom Januar 2022 und gehen zudem von einer festen Anmietdauer und einer Vorabreservierung aus."

Problem 1:

Das Gericht denkt in die falsche Richtung. Was wäre, wenn die Screenshots in zeitlicher Hinsicht nicht unpassend gewesen wären, sondern vom Anmiettag? Auch dann könnte die Beklagte damit bei korrekter Begründung ihre "Zahlungszurückhaltung" nicht begründen. Denn der Geschädigte hat keine Pflicht zur vollständigen Markterkundung. So lange es darum geht, seinen Anspruch nach § 287 ZPO zu schätzen, spielt es keine Rolle, ob es in der Realität auch günstigere Mietwagen gegeben hat, außer ein solches konkretes und passendes Angebot ist ihm vorab bekannt. Der Satz in den Urteilsgründen "Es ist nicht erkennbar, dass in der Anmietsituation im Februar 2021 tatsächlich entsprechende Fahrzeuge zu den von der Beklag­ten recherchierten Konditionen verfügbar gewesen wären" ist also falsch, was sich offenbart, wenn man über das Gegenteil nachdenkt.
(Anmerkung: Die anderen beiden Begründungen sind allerdings richtig, der Geschädigte hat kein Wissen über den Rückgabezeitpunkt und eine Vorabreservierung ist auch meist nicht möglich).

Problem 2:

Zitat aus demselben Urteil:

"Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Nach ihrer Auffassung seien die ersatzfähigen Kosten auch reguliert worden; ein weitergehen­der Anspruch bestehe nicht.
Sie meint, dass jedenfalls der Schwacke-Mietpreisspiegel zur Schätzung des Normaltarifes nicht geeignet sei. Aufgrund gravierender Erhebungsmängel bilde die Liste nicht die tatsächli­che Marktlage ab. Vielmehr sei der Fraunhofer Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland geeignete Schätzungsgrundlage und dem Schwacke-Mietpreisspiegel vorzuziehen. Die Mietwa­genkosten seien daher auf der vorgenannten Grundlage abzurechnen.
Zudem habe der Geschädigte ein Fahrzeug preiswerter (für etwa 3.000,- €) anmieten können.
Ein Zuschlag für eine Haftungsbefreiung sei nicht zu erstatten. Dieser sei bei Anmietung eines Ersatzfahrzeuges im Preis inbegriffen.
Die Position Winterreifen sei nicht erstattungsfähig. Der Mieter dürfe ein verkehrssicheres Fahr­ zeug erwarten, wozu auch die Ausrüstung mit Winterreifen - je nach den jahreszeitlich zu er­ wartenden Witterungs-und Straßenverhältnissen - gehöre.
Die Kosten für einen Zweitfahrer könnten nicht ersetzt werden, da dem Geschädigten insoweit kein eigener Schaden entstanden sei.
Auch die Kosten für die Zustellung bzw. Abholung des Fahrzeugs müsse die Beklagte nicht ersetzen."

Das Problem besteht hier darin, dass die Beklagte, die schon tausendmal erfahren musste, dass Gerichte ihre Argumente für falsch halten, trotzdem und immer wieder darauf besteht, die Schwacke-Liste auch dann anzugreifen, wenn das Gericht bekanntermaßen nicht mit Schwacke sondern mit dem Mischmodell arbeitet. Auch dann wird darauf beharrt, dass nur eine Schätzung mit Fraunhofer richtig sein kann. Auch dann werden unpassende Screenshots hinzugefügt und sinnfreie Argumente gegen die Erstattungsfähigkeit der Haftungsreduzierung, der Kosten der Zusatzfahrers usw. vorgetragen.

Das kann die Beklagte machen, niemand kann ihr das verbieten. Doch - und das ist das Entscheidende - die Kläger tun es nicht. Die Kläger greifen die Verwendbarkeit der Fraunhofer-Liste nicht selbst an. Die Klägerseite verlässt sich darauf, dass Gerichte die Internetscreenshots schon nicht als Schätzgrundlage verwenden werden (in Einzelfällen passiert das bereits, Beispiel AG Berlin-Mitte).

Die Kläger verteidigen die Schwacke-Werte nicht. Sie nehmen das Mischmodell hin und gehen davon aus, dass die Gerichte dabei bleiben werden. Die Werte der Fraunhofer-Liste werden nicht angegriffen. Die Argumente sind vielfach auf diesen Seiten vorhanden, können konkret fallbezogen aufgearbeitet / zusammengestellt werden, siehe:
https://www.bav.de/vermietung-nach-unfall/allgemeines/3526-gutachten-zu-fraunhofer-2020.html
https://www.bav.de/vermietung-nach-unfall/allgemeines/3661-angebot-unterstuetzung-bei-konkretem-sachvortrag.html
Beispiel für ein Gutachten (Hamburg): https://www.bav.de/vermietung-nach-unfall/mrw/3627-mietwagenrechtswissen-mrw-3-2021.html

Das wird langfristig zu der im ersten Satz beschriebenen Situation führen. Der zusätzliche Schaden für die Branche wird letztlich bei mehreren Hundertmillionen Euro jährlich liegen, den sich Versicherer im Vergleich zu heute zusätzlich sparen können. Das ist ihr Antrieb. Die Klägerseite denkt nicht an den Markt oder an die Zukunft, sondern an die Akte und den Einzelfall. Das macht es den Versicherern viel zu leicht.