Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 24-21

Landgericht Bonn 5 S 89/20 vom 25.05.2021
(Vorinstanz: Amtsgericht Bonn 114 C 103/20 vom 18.08.2020)

1. Die Geschädigten haben nicht gegen ihre Schadenminderungsobliegenheit verstoßen, als sie ein Vermittlungsangebot der Beklagten ablehnten und sodann bei der Klägerin anmieteten.
2. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben war es den Geschädigten nicht zumutbar, die "Alternativangebote" anzunehmen, denn diese bestanden aus einer Tabelle verschiedener unspezifischer Fahrzeuge und deren Tagespreisen.
3. Telefonisch unterbreitete "Angebote", die für den Geschädigten nicht dokumentier- und beweisbar sind, sind unerheblich.
4. Das Berufungsgericht schätzt die erforderlichen Mietwagenkosten anhand der Werte des sogenannten "Fracke-Mischmodells".
5. Auf den Normaltarif ist aufgrund der Vorfinanzierung durch die Klägerin und der flexiblen Mietdauer ein pauschaler Aufschlag wegen unfallbedingter Mehrleistungen zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Landgericht Bonn spricht der klagenden Autovermietung weitere abgetretene Schadenersatzkosten wegen Mietwagen zu. Der Versicherer hatte den Geschädigten jeweils ein schriftliches und auch telefonische Vermittlungsangebote unterbreitet, die den gerichtlichen Anforderungen nicht entsprachen. Die sodann im Rahmen der Erforderlichkeit zu schätzenden Kosten wurden mittels Fracke geschätzt und ein unfallbedingter Aufschlag sowie Kosten von Nebenleistungen hinzugesetzt.

Bedeutung für die Praxis: Haftpflichtversicherer geben immer häufiger schriftliche und telefonische Hinweise an Geschädigte heraus, die das Ziel haben, deren Schadenersatzansprüche bzgl. Raparaturkosten, Sachverständigenkosten und vor allem Mieteagenkosten zu minimieren. Das Landgericht Bonn sieht in telefonischen Hinweisen keine konkreten Angebote, die einen Geschädigten an die Mietwagenpreis-Vorgabe binden könnten. Auch die schriftlichen Angebote waren zu unkonkret, zum Beispiel weil die Geschädigten ihr eigenes Fahrzeug nicht mit dem Angebot für einen Ersatzwagen vergleichen konnten. Der unfallbedingte Aufschlag auf den Normaltarif wird an den Zusatzleistungen der Vorfinanzierung des Mietpreises und an der Besonderheit des offenen Mietendes festgemacht.

Zitiervorschlag: "Kein Verstoß gegen Schadenminderungspflicht bei unkonkretem bzw. nicht beweisbarem Angebot"

"Steht fest, dass dem Geschädigten in der konkreten Situation ein günstigerer Tarif "ohne weiteres" zugänglich gewesen wäre, ist der vom Geschädigten gewählte Tarif wegen Verstoßes gegen die Schadenminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht erstattungsfähig. (...)
Die hier gewählte Art des Hinweises auf günstigere Anmietmöglichkeiten genügt diesen Voraussetzungen nicht, (...) Vielmehr geht es um eine von den Grundsätzen von Treu und Glauben geprägte Abwägung, ob es dem Geschädigten zumutbar war, sich auf das Alternativangebot einzulassen. (...) Die Hinweisschreiben der Beklagten hingegen verweisen auf ein Preistableau, aus dem sich der Geschädigte erst Preise heraussuchen muss. Er weiß auch nach Zugang des Schreibens nicht konkret, welchen Preis er bei Vermittlung durch die Beklagte zu zahlen hat. Stattdessen ist er gehalten, anhand von Vergleichsfahrzeugen und der Motorisierung einen Preis herauszufinden. Hierbei nutzt die Beklagte zudem eine unübliche und unplausible Einteilung der Fahrzeuge, die an die KW Leistung der Fahrzeuge anknüpft, aber zugleich Fahrzeugmodelle aufführt. Fahrzeugmodelle wie den VW Golf gibt es aber z.B. mit Motorleistungen, die fast die gesamt Tabelle abdecken. Schon die erforderlichen Recherchearbeiten und die mangelnde Vergleichbarkeit mit anderen Tabellen führen dazu, dass es sich nicht um ein ohne weiteres zugängliches Vermittlungsangebot handelt (...)
Dies gilt auch für di1e telefonisch unterbreiteten „Angebote" in den Fällen 2, 4, 5 und 9. Denn auf (nur) telefonisch unterbreitete, und damit für den Geschädigten nicht dokumentierte und beweisbare, Vermittlungsangebote muss sich der Geschädigte nicht  einlassen.  Derartige  „Angebote" sind  nicht  beweisbar, (...)"
(Landgericht Bonn 5 S 89/20 vom 25.05.2021)