Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 14-21

Amtsgericht Betzdorf 36 C 167/20 vom 28.01.2021

1. Der Geschädigte hat nicht gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen, als er nach Erhalt eines Direktvermittlungsschreibens von der Beklagten trotzdem am freien Mietwagenmarkt ein Ersatzfahrzeug angemietet hat.
2. Die Ersatzanmietung war auch erforderlich, obwohl der Geschädigte lediglich wenige Kilometer mit dem Mietfahrzeug gefahren ist.
3. Die Schwacke-Liste ist die anwendbare Schätzgrundlage.
4. Die Beklagte hat in diesem Fall gegen die Anwendbarkeit der Schwacke-Liste keinen konkreten Sachvortrag gehalten.
5. Ein unfallbedingter Aufschlag ist nicht zuzusprechen, da keine Eil- oder Notsituation vorgelegen hat.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Betzdorf spricht dem Kläger, der aus abgetretenem Recht geklagte hatte, weiteren Schadenersatz des Geschädigten bzgl. Kosten eines Ersatzfahrzeuges zu. Es weist die Vorwürfe der HUK zurück, der Geschädigte habe mangels Fahrbedarf gar keinen Ersatzwagen anmieten dürfen und er habe sich nach Erhalt ihres Hinweisschreibens nicht bei ihr gemeldet und daher zu teuer angemietet. Der Schadenersatzbetrag bemisst sich daher nach der Erforderlichkeit (§ 249 BGB) und die Mietwagenkosten werden mittels Schwacke geschätzt.

Bedeutung für die Praxis: Das Gericht diskutiert zunächst den Mobilitätsbedarf des Geschädigten. Es komme dabei nicht nur auf die gefahrenen Kilometer an, sondern auf die Gesamtumstände. Hier ergebe sich der Mietbedarf dadurch, dass der Geschädigte als älterer Herr im ländlichen Gebiet wohnend auf eine Fahrtmöglichkeit angewiesen war, die er nachvollziehbar für das Gericht nur in einem vor der Tür stehenden Ersatzfahrzeug gesehen hatte. Das Interesse an der kurzfristigen Verfügbarkeit eines Mietwagens sei unter den Umständen des konkreten Falles ein schutzwürdiges Interesse, so das Gericht. Der Versuch der Direktvermittlung eines Ersatzfahrzeuges durch die Beklagte scheiterte, der Geschädigte mietete am Normalmarkt zu Marktpreisen an. Darin liege kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht, da die Beklagte lediglich ein allgemeines Schreiben versendet hatte, in dem kein inhaltlich konkretes Mietwagenangebot zu finden war. Den geforderten unfallbedingten Aufschlag auf den Normaltarif gab das Gericht nicht. Dabei übersah es, dass dieser nicht nur davon abhängig gemacht werden kann, ob eine Eil oder Notsituation besteht. Denn auch andere vorzutragende Umstände rechtfertigen laut BGH einen solchen Aufschlag, wie die Notwendigkeit, für den Geschädigten die Mietwagenkosten zu verauslagen, bis der Schädiger oder sein Versicherer diese bezahlen.

Zitiervorschlag "Mietwagen trotz geringem Fahrbedarf"

"Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat im Rahmen der mündliche n Verhandlung ausgeführt, dass es sich bei dem Geschädigten um einen älteren Herren handelt und dieser aufgrund des ländlichen Gebietes auf einen Mietwagen angewiesen ist. Es ist gerichtsbekannt, dass es sich bei der Adresse des Geschädigten um eine ländliche Gegend handelt. lnsoweit hat der im ländlichen Bereich wohnhafte Geschädigte ein schutzwürdiges Interesse an einem Mietwagen. Selbst wenn der Wagen lediglich zum Einkaufen oder für etwaige
Arztbesuche genutzt worden wäre, ist dieser Umstand geeignet einen schutzwürdigen Fahrbedarf zu begründen (vgl. LG Stendal NJW 2005, 378 7). Der Nutzungswille schlägt sich nicht alleine in der Kilometerleistung nieder."  (Amtsgericht Betzdorf 36 C 167/20 vom 28.01.2021)

Zitiervorschlag "Kein Verstoß gegen Schadenminderungsobliegenheit nach Schreiben des Versicherers"

"Das Schreiben der Beklagten vom 24.07.2019  beinhaltet lediglich die pauschale  Aufforderung, sich mit der Beklagten unter einer Hotline in Verbindung zu setzen. Es handelt sich um eine pauschalisierte Standardaufforderung, ohne ein konkretes Angebot zu enthalten. (...) muss es sich jedoch um ein konkretes, wesentlich günstigeres Angebot und um ein inhaltlich  vergleichbares Mietwagenangebot handeln, welches dem Geschädigten ohne weiteres zugänglich ist. Diesen Anforderungen wird das allgemeine Aufforderungsschreiben der Beklagten nicht gerecht." (Amtsgericht Betzdorf 36 C 167/20 vom 28.01.2021)