Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 33-19

Landgericht Dresden 3 S 552/17 vom 09.11.2018
(Vorinstanz: Amtsgericht Dresden 103 C 2516/17 vom 02.11.2017)

1.  Der Geschädigte verstößt nicht gegen seine Obliegenheit zur Schadengeringhaltung, wenn ihm der gegnerische Haftpflichtversicherer kein annahmefähiges Angebot unterbreitet und er sich Ersatzmobilität zum Marktpreis verschafft.
2. Eine nach Ausfragen des Unfallgeschädigten abgegebene Mietpreis-Obergrenze inkl. Benennung angeblicher Vermieter ist kein bindendes Angebot.
3. Die Schätzung des erforderlichen Normaltarifes für Selbstzahler erfolgt anhand der SchwackeListe Automietpreisspiegel.
4. Mittels einzelner günstigerer Internetangebote ist eine Erschütterung der Anwendbarkeit der SchwackeListe nicht denkbar.
5. Ein Abzug für ersparte Eigenkosten des Geschädigten erfolgt bei klassengleicher Anmietung in Höhe von 10 Prozent auf den Grundpreis.
6. Kosten von Nebenleistungen für eine erweiterte Haftungsreduzierung, Zustellung und Zusatzfahrer sind schadenersatzrechtlich erstattungsfähig und werden ebenso nach Schwacke geschätzt.

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht weist den Vorwurf des gegnerischen Versicherers an den Geschädigten zur Verletzung der Schadenminderungspflicht zurück. Der Geschädigte hatte kein konkretes Mietwagenangebot vorliegen. Daher werde Schwacke zur Schätzung angewendet und Nebenkosten zugesprochen. Die Mietdauer hat jeweils den Tag der Anmietung sowie den der Rückgabe gesondert zu berücksichtigen.

Bedeutung für die Praxis: Zunächst weist das Gericht die Auffassung der Beklagten zurück, der Geschädigte hätte ein günstigeres Angebot annehmen müssen. Auch wenn sich zeitlich nach diesem Urteil der BGH noch einmal mit der Frage der Preisvorgaben der Versicherer beschäftigt hat, ist dieses Berufungsurteil von erheblicher Bedeutung. Denn das Gericht befasst sich mit der entscheidenden Frage, was der Geschädigte in dem Augenblick an die Hand bekommt, in dem ihn der Versicherer zu einem Kooperationspartner steuern möchte. Und das ist kein Mietwagenangebot, sondern nur eine Aufforderung, im Versicherersinne aktiv zu werden, ohne hierfür die notwendigen prüfbaren Informationen zu Fahrzeug, Leistungsinhalt, Verfügbarkeit zu erhalten. Der Geschädigte kann es ja nicht ändern, dass der Versicherer keine konkreten Informationen zum Mietwagenangebot zur Verfügung hat und es wettbewerbsrechtlich auch nicht erlaubt ist, dass Versicherer eigene Mietwagen vermitteln.
Die Beklagte versuchte, die klägerische Forderung immer wieder als unberechtigten Unfallersatztarif hinzustellen. Dahinter steht die Idee, die Beweislast für eine dann lediglich ausnahmsweise teurere - über den Marktpreisen liegende - Abrechnung  dem Geschädigten überzuhelfen. Viele Gerichte durchschauen das aber inzwischen, übergehen es zumeist und wenden stattdessen auf der Basis von § 287 ZPO eine Liste zur Schätzung des Marktpreises an.
Zur Frage der Anwendbarkeit der Schätzgrundlage Schwacke kommt das Berufungsgericht der Beklagten in einem ernstzunehmenden Punkt jedoch weit entgegen. Sofern die Behauptungen der Beklagten zu den niedrigen Angeboten auch zum Zeitpunkt der Anmietung zuträfen, sei Schwacke "unmittelbar erschüttert". Diese Auffassung überrascht und ist kritisch zu betrachten. Denn die SchwackeListe besteht aus einer Vielzahl niedriger und hoher Angebote. Nur weil sich die Beklagte erfolgreich ein günstigeres Angebot (vergleichbar, zum Anmietzeitpunkt, am Anmietort) unterhalb des Mittelwertes des Marktes beschafft, kann sie denklogisch die Schätzgrundlage damit nicht in Zweifel ziehen. Lediglich wenn dem Geschädigten dieses Angebot konkret vorgelegen und er ein (viel) teureres realisiert hätte, wäre das eine Frage der Schadenminderungspflicht nach § 254 BGB, wofür die Beklagte allerdings die Beweislast zu tragen hätte.
In Bezug auf die Mietwagendauer werden der Anmiettag und der Rückgabetag als Teil der Gesamtmietdauer angesehen.
Leider haben es hier auch die Kläger nicht vermocht, die Begriffe Unfallersatztarif und Normaltarif den Listen und den Streitpunkten korrekt zuzuordnen. Denn anders als klägerseits in den Anträgen formuliert, enthält die SchwackeListe seit vielen Jahren (2008) keinen Unfallersatztarif mehr, sondern nur noch einen Normaltarif (1 Tag, 3 Tage, Woche und Wochenende), auch wenn dieser viel höher ist, als der von Fraunhofer im Versicherersinne mit speziellen Bedingungen optimierte.