Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 14-18

Amtsgericht Jena 26 C 638/16 vom 14.02.2018

1. Nach den Feststellungen im gerichtlich bestellten Gutachten sind die Forderungen wegen entstandener Mietwagenkosten als angemessen anzusehen.
2. Der abgerechnete Gesamtpreis aus dem Grundtarif für ein Fahrzeug der Gruppe 7 für 12 Tage und den zusätzlichen Kosten der Haftungsreduzierung wird sowohl vom Gutachten-Ergebnis als auch der Recherche des Sachverständigen im silverDAT Mietwagenspiegel bestätigt.
3. Die Vorlage von günstigeren Internet-Screenshots durch die Beklagte steht dem nicht entgegen, da deren Konditionen und Anmietzeiträume nicht ersichtlich oder nicht vergleichbar sind.
4. Ein Internetangebot per Vorkasse ist nicht vergleichbar.
5. Restliche Schadenersatzansprüche wegen Wertminderung, Reparaturkosten nach Schadengutachten und Rechnungsprüfung sind ebenso zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Jena spricht neben anderen Positionen auch die restlichen geforderten Mietwagenkosten vollständig zu. Zu der Frage ortüblicher Normaltarife wurde ein Gerichtsgutachten eingeholt. Das Gutachten bestätigt die klägerische Forderung in voller Höhe.

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Amtsgericht Jena 26 C 638/16 vom 14.02.2018



IM NAMEN DES VOLKES


Urteil




In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall

hat das Amtsgericht Jena durch XXX Richter am Amtsgericht

im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO nach dem Sach- und Streitstand vom 09.01.2018

für Recht erkannt:


1.    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.361,08 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2015, 150,00 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.07.2015, 127,09 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2015 sowie 124,95 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12.2015 zu bezahlen.

2.    Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.

3.    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 130 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

Am 16.07.2015 wurde der PKW des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen XXX in Jena durch den LKW, amtliches Kennzeichen XXX, mit dem Anhänger, amtliches Kennzeichen XXX, beschädigt. Die Beklagte war zum Unfallzeitpunkt Kfz-Haftpflichtversicherer des LKW. Der klägerische PKW war zum Unfallzeitpunkt ordnungsgemäß abgeparkt.

Die Parteien streiten um die Höhe des, durch den Unfall entstandenen, Schadens.

Während der Dauer der Reparatur des Fahrzeugs mietete der Kläger einen Ersatzwagen. Die Mietkosten hierfür betrugen 1.867,08 €. Die Beklagte regulierte hiervon 506,00 €. Von den in Rechnung gestellten 9.430,29 € Reparaturkosten zahlte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 9.282,30 €. Der Kläger ließ darauf eine Rechnungsprüfung durchführen und forderte die Beklagte zu deren Zahlung auf. Aufgrund der Wertminderung des Klägerfahrzeuges regulierte die Beklagte weitere 400,00 €.

Der Kläger trägt vor,

die Mietwagenkosten in Höhe von 1.867,08 € seien angemessen und entsprechen dem regionalen Normaltarif. Sie seien in voller Höhe von der Beklagten zu erstatten. Die Wertminderung in Höhe von 550,00 € sei angemessen und gerechtfertigt. Die Rechnungsprüfung sei notwendig gewesen aufgrund der unberechtigten Kürzung des Reparaturbetrages durch die Beklagte. Es handele sich bei deren Kosten um einen unfallursächlichen Schaden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.361,08 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2015, 150,00 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.07.2015, 127,09 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2015 sowie 124,95 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor,

bei dem streitgegenständlichen Mietwagentarif handele es sich um einen Unfallersatztarif und nicht den Normaltarif.

Die Wertminderung betrage lediglich 400,00 €. Diese seien gezahlt.

Darüber hinaus sei die Anmietung zu einem Betrag von 1.867,08 € nicht erforderlich gewesen, weshalb sie auch nicht zu erstatten sei. Auch die Reparaturkosten seien lediglich in Höhe von 9.282,30 € erforderlich. Die Kosten der Rechnungsprüfung seien nicht zu erstatten, da der Kläger davon ausgehen musste, dass eine solche nicht den gewünschten Erfolg herbeiführen würde.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens.

Zum Ergebnis der Beweisaufnahme sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf das Gutachten des Sachverständigen XXX vom 27.07.2017 sowie auf die Schriftsätze der Parteien sowie der Parteivertreter nebst Anlagen Bezug genommen.

Auf Antrag der Parteien war im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO zu verfahren.


Entscheidungsgründe



Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung der restlichen Mietwagenkosten in Höhe von 1.361,08 €, des restlichen Minderwertes seines Fahrzeuges in Höhe von 150,00 €, der restlichen Reparaturkosten in Höhe von 127,09 € sowie von 124,95 € für die Rechnungsprüfung gemäß § 7 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zu.

Dem Kläger sind die Mietwagenkosten in voller Höhe zu erstatten. Abzüglich der von der Beklagtenseite bereits gezahlten 506,00 € sind somit noch 1.361,08 € zu zahlen.

Der Kläger war für die Dauer der Reparatur seines Fahrzeuges berechtigt, einen Ersatzwagen anzumieten. Dessen Kosten in Höhe von insgesamt 1.867,08 € sind von der Beklagten zu tragen.

Im Rahmen der Fahrzeugvermietung ist zwischen Normaltarif und dem deutlich höheren Unfallersatztarif zu unterscheiden. Nach ständiger Rechtsprechung können grundsätzlich nur die Sätze des Normaltarifs erstattet verlangt werden.

Der Kläger hat das streitgegenständliche Ersatzfahrzeug zum Normaltarif der Region angemietet. Entgegen der Behauptung der Beklagten handelt es sich bei dem Fahrzeug entsprechend der Zulassungsbescheinigung Teil 1 um ein Selbstfahrer Mietfahrzeug. Auch aus der Struktur des Tarifes ergibt sich nicht, dass es sich dabei um einen Unfallersatztarif gehandelt hat.

Der Sachverständige XXX hat in seinem Gutachten festgestellt, dass die vom Kläger geltend gemachten Mietwagenkosten zwar über dem Durchschnittspreis des silverDAT Mietpreisspiegels liegen, jedoch innerhalb der örtlichen Mietpreisspanne liegen. An den glaubhaften und nachvollziehbaren Feststellungen des Gutachters zu zweifeln, sieht das Gericht keinerlei Anlass.

Insbesondere im Rahmen einer Suchanfrage beim silverDAT Mietpreisspiegel ergab die Auswertung der Ergebnisse eine Mietpreisspanne von 1.355,93 € - 1.945,89 € durchschnittlich somit 1.673,60 €. Die streitgegenständlichen Mietwagenkosten liegen somit innerhalb der Preisspanne, übersteigen jedoch den durchschnittlichen Betrag.

Dem steht nicht entgegen, dass die von der Beklagten vorgelegten Mietangebote der Firmen Avis, Europcar und Sixt andere Preise aufweisen. Denn aus diesen ist nicht ersichtlich, dass sie die gleichen Konditionen wie der Miettarif des Klägers, insbesondere Haftungsbeschränkungen, in gleicher Höhe aufweisen, um eine taugliche Vergleichsgrundlage darstellen zu können. So führte der Sachverständige XXX in seinem Gutachten glaubhaft und nachvollziehbar aus, dass bei den Angeboten der Firmen Europcar und Sixt keine Anmietzeiträume angegeben wurden. Der Anmietzeitraum beim Angebot der Firma Avis bezog sich nicht auf den tatsächlichen Zeitpunkt 20.07.2015, sondern den 12.09. - 24.09.2016. Es ist daher nicht ersichtlich, welche Kosten zum tatsächlichen Zeitpunkt im Juli 2015 angefallen wären. Auch setzen die Angebote stets eine Bezahlung des Mietwagens per Vorkasse voraus. Von der Beklagten wurde somit nicht dargelegt, dass diese Angebote auch bei vergleichbaren Konditionen einen deutlich geringeren Mietpreis aufweisen. An den glaubhaften und nachvollziehbaren Feststellungen des Gutachters zu zweifeln, sieht das Gericht keinerlei Anlass.

Da die Anmietung durch den Kläger somit zum regionalen Normaltarif erfolgte, ist dieser in voller Höhe erstattungsfähig. Auf das Vorliegen von unfallbedingten Besonderheiten, welche einen zusätzlichen Aufschlag rechtfertigen, kommt es daher nicht an.

Dem Kläger ist nach § 251 BGB des Weiteren der merkantile Minderwert seines Fahrzeuges in Höhe von 550,00 € zu ersetzen. Abzüglich der bereits gezahlten 400,00 € ist somit der Differenzbetrag in Höhe von 150,00 € zu zahlen.

Die Reparatur allein genügt nicht, um den Kläger vermögensrechtlich so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stehen würde. Aus dem vom Kläger vorgelegten Sachverständigengutachten des Sachverständigen XXX vom 20.07.2015 ergibt sich, dass am Fahrzeug umfangreiche Richt- und Schweißarbeiten erforderlich waren. Diese wären im Rahmen eines Verkaufs offenbarungspflichtig und würden somit eine Minderung des zu erzielenden Verkaufspreises herbeiführen.

Angesichts des substantiierten Vortrages des Klägers reicht das pauschale Bestreiten der Beklagtenseite nicht aus. Insbesondere wurde nicht substantiiert dargelegt, weshalb lediglich eine Wertminderung in Höhe von 400,00 € bestehe.

Entsprechend § 249 BGB sind die Reparaturkosten für das Fahrzeug des Klägers in voller Höhe von 9.430,29 €, vorliegend somit in Höhe von noch 127,09 €, zu zahlen.

Die Reparatur erfolgte nach den Vorgaben des vom Kläger vorab eingeholten Sachverständigengutachtens. Die konkreten Reparaturkosten von 9.430,29 € weichen dabei mit einem Differenzbetrag von 35,34 € nur unwesentlich von den gutachterlich ermittelten Kosten in Höhe von 9.394,95 € ab. Das pauschale Bestreiten der Höhe der Reparaturkosten durch die Beklagte steht dem nicht entgegen. Bezüglich der vorgetragenen Schadenspositionen, welche ihrerseits in Abzug gebracht wurden, wurde nicht substantiiert dargelegt, dass deren Reparatur nicht im durchgeführten Umfang erforderlich gewesen war. Der pauschale Verweis auf Vorgaben der DAT für das betreffende Fahrzeug ohne konkreten Bezug auf die tatsächliche Beschaffenheit der Fahrzeugteile vor dem Unfall genügt nicht.

Dem Kläger sind gemäß § 249 BGB auch die Kosten der Rechnungsprüfung in Höhe von 124,95 € zu erstatten.

Grundsätzlich hätte es einer solchen Rechnungsprüfung nicht bedurft, da die Beklagte zur Erstattung der vollständigen tatsächlich angefallenen Reparaturkosten verpflichtet war. Dessen Kosten sind jedoch erstattungsfähig, da es sich hierbei um eine eigenständige Leistung des Klägers handelt, die allein durch das Verhalten der Beklagten veranlasst wurde. Die Rechnungsprüfung wurde als Reaktion auf die Weigerung der Beklagten zur vollständigen Erstattung der Reparaturkosten veranlasst. Dabei konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass die Beklagte auch nach weiterer Bestätigung der Höhe der Kosten die Zahlung weiterhin verweigern würde, obwohl diese eintrittspflichtig war.

Die Nebenforderungen sind gemäß § 286 ff BGB begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.


Beschluss


Der Streitwert wird auf 1.763,12 € festgesetzt.

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Bedeutung für die Praxis: Das Amtsgericht Jena beauftragt ein Gutachten. Inzwischen ist das ein seltener Weg zur Ermittlung der angemessenen Mietwagenforderungen, da in der Regel das Problem besteht, dass auch gerichtlich beauftragte Sachverständige nicht in die Vergangenheit gerichtet recherchieren können. Mit dem Online-System silverDAT Mietwagenspiegel liegt neben den Listen von Schwacke und Fraunhofer eine dritte umfassende bundesweite Markterhebung vor. Der Sachverständige verwendet dieses neues Instrument, das anders als Schwacke und Fraunhofer für viele Anwender kostenlos ist und auch Preisinformationen älteren Datums enthält.

Derzeit in nichts über die Rechtskraft des Urteils bekannt.

 

Bundesverband der Autovermieter Deutschlands e.V.

Wir stellen uns vor.

Der Bundesverband der Autovermieter Deutschlands e.V. (BAV) wurde am 05. April 1954 gegründet. Er ist eine Interessenvertretung von Unternehmen, die Pkw, Anhänger, Transporter und Lkw vermieten. Der BAV repräsentiert ca. zwei Drittel des Gesamtmarktes der Autovermietung. Er steht den Mitgliedern für alle branchenrelevanten Aufgaben zur Verfügung.

Alles Wissenswerte haben wir für Sie in einer Verbandsbroschüre aufbereitet. Bitte schauen Sie hinein. Sie erfahren wer wir sind und welche Aufgaben der BAV für die Branche der Autovermietung übernommen hat. Sie sehen, wie erfolgreich wir dabei bisher gewesen sind und warum es sich lohnt, unserer Interessengemeinschaft beizutreten und in Zukunft mit uns zusammenzuarbeiten.

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Urteilsdatenbank des BAV

Der BAV bietet den Zugriff auf eine Datenbank für Gerichtsurteile und Fachartikel bzgl. Mietwagen an.

Meinung der Nutzer (10.08.2022):
„Die Datenbank des BAV ist für die Mitglieder von großem Nutzen. Hier kann sich der Autovermieter oder sein Anwalt jederzeit über den aktuellen Stand der lokalen Rechtsprechung informieren. Von unschätzbarem Wert ist die Datenbank für die überregionale bundesweite Rechtsprechung. Wenn ein Autovermieter nicht lokal Klagen kann, sondern am entfernten Unfallort oder am Sitz der Versicherung klagen muss, bietet die Datenbank wichtige Informationen über die dortige Rechtsprechung und insbesondere die möglichen Erfolgsaussichten einer Klage fern der Heimat.“

In der Datenbank sind - zumeist im Format PDF - enthalten:
- alle wichtigen BGH-Urteile der letzten Jahre
- alle wichtigen und uns bekannten Urteile der Oberlandesgerichte und der Landgerichte seit 2008
- jeweils mindestens ein Urteil einer Abteilung eines Amtsgerichtes seit 2008, soweit bekannt und von Bedeutung
- alle aktuellen uns bekannten Urteile seit Mitte 2010

Mitte 2022 befinden sich ca. 6.600 Dokumente in der Datenbank. Für ...

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