Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 12-18

Amtsgericht  Leverkusen 20 C 162/17 vom 13.03.2018

1. Die Geschädigte hätte sich nicht auf das mit der Beklagten geführte Telefonat hin auf ein von ihr vermitteltes Mietwagenangebot verweisen lassen müssen.
2. Die Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, dass der mit ihr kooperierende Autovermieter tatsächlich ein verbindliches Ersatzfahrzeug zu den behaupteten Konditionen angeboten hat.
3. Dazu aus dem Internet vorgelegte Werbeangebote sind nicht verbindlich und als Ersatz für ein konkretes Angebot ungeeignet.
4. Die bloße Behauptung, dass der Vermieter zu einem Preis von 57 Euro pro Tag inkl. Vollkasko, Kilometer und Zustellung anbiete, ist nicht ausreichend.
5. Der erforderliche Schadenersatzbetrag wird anhand des Mittelwertes der Listen zuzüglich Nebenkosten für Zusatzfahrer und Zustellung geschätzt.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Leverkusen weist den Vorwurf des Versicherers gegen den Geschädigten zurück, dieser hätte sich schadenmindernd verhalten und ein telefonisch unterbreitetes Angebot annehmen müssen. Denn dem Versicherer lag zum Zeitpunkt des Anrufes beim Geschädigten kein konkretes Angebot vor. Zur Schätzung des Normaltarifes wird der Mittelwert aus den Listen von Schwacke und Fraunhofer gebildet.

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Amtsgericht Leverkusen 20 C 162/17 vom 13.03.2018


Im Namen des Volkes



URTEIL



In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX


hat das Amtsgericht Leverkusen im schriftlichen Verfahren mit einer Schriftsatzeinreichungsfrist bis zum 28.02.2018 durch die Richterin am Amtsgericht XXX

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 747,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 15.4.2017 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 124,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.8.2017 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin, die ein Autovermietungsunternehmen betreibt, nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Zahlung restlicher Mietzinsansprüche der Zeugin XXX in Anspruch. Die Zeugin hatte anlässlich eines Verkehrsunfalls, bei dem ihr PKW beschädigt wurde, ein Unfallersatzfahrzeug bei der Klägerin für die Zeit vom 16.3. bis 27.3.2017 angemietet. Die beklagte Haftpflichtversicherung, die unstreitig in voller Höhe für den der Zeugin entstandenen Schaden einzustehen hat, leistete auf die Rechnung der Klägerin vom 1.4.2017 über brutto 1.583,01 € lediglich 684,00 €. Mit der Klage macht die Klägerin die Zahlung weiterer 747,95 € gemäß ihrer Rechnung geltend. Wegen der näheren Einzelheiten der Forderungsberechnung sowie wegen des Inhalts der Rechnung vom 1.4.2017 wird auf die Akten (Anlage zur Klageschrift, BI. 10, Bl.17 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte zur Erstattung der Mietwagenkosten in voller Höhe verpflichtet sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 747,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 15.4.2017 sowie außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 124,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, dass ihr Mitarbeiter, der Zeuge XXX, der Zeugin XXX in einem Telefongespräch am 15.3.2017 die Direktvermittlung eines klassengleichen Ersatzfahrzeugs der Fa. Europcar zum Preis von 57,00 € inklusive aller Kilometer, Zustellung und Abholung und einer Vollkaskoversicherung mit 332,00 € Selbstbehalt angeboten habe. Der Zeuge habe auch erklärt, dass die Beklagte im Falle eines Eintritts eines Kaskoschadens am Mietfahrzeug die Selbstbeteiligung übernehmen werde. Die Zeugin XXX habe das Angebot des Zeugen XXX, ihr ein schriftliches Angebot zu schicken, ausdrücklich abgelehnt.

Die Klage ist der Beklagten am 31.8.2017 zugestellt worden.



Entscheidungsgründe:



Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf abgetretenem Recht auf Ersatz der weiteren, ihr durch die Anmietung eines PKW bei der Klägerin gem. Rechnung vom 1.4.2017 entstandenen Kosten in Höhe von 747,95 € gem. §§ 249 Abs. 2 S. 1, 389 BGB.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin umfasst - was die Beklagte nicht in Abrede stellt - die Kosten der Anmietung eines klassengleichen Unfallersatzfahrzeuges für die Dauer der Reparatur des beschädigten PKW. Auch die Dauer, für die die Unfallgeschädigte auf Kosten der Beklagten gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ein Ersatzfahrzeug anmieten durfte, ist nicht streitig. Ebenso wenig stellt die Beklagte in Abrede, dass die von der Klägerin berechneten Mietwagenkosten den von der Rechtsprechung im Bezirk des Oberlandesgerichts Köln entwickelten Grundsätzen, wonach der Mittelwert der sog. Schwacke- und der sog. Fraunhofer Liste zugrunde zu legen ist, entspricht.

Die Parteien streiten ausschließlich über die Frage, ob die Geschädigte sich auf ein günstigeres Angebot der Autovermietung Europcar hätte verweisen lassen müssen, auf das der Mitarbeiter der Beklagten, der Zeuge XXX, die Geschädigte in einem Telefongespräch am 15.3.2017 aufmerksam gemacht habe.

Es kann dahinstehen, ob die Geschädigte im Hinblick auf ihre Schadensminderungspflicht gehalten gewesen wäre, auf ein entsprechendes Angebot der Beklagten einzugehen und ob das behauptete Telefongespräch tatsächlich stattgefunden hat. Denn die Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, dass die Fa. Europcar tatsächlich verbindlich ein Ersatzfahrzeug zu den von der Beklagten behaupteten Konditionen für den betreffenden Zeitraum angeboten hat. Die Beklagte hat trotz des gerichtlichen Hinweises vom 7.12.2017 nicht im Einzelnen zu den Bedingungen der Anmietung vorgetragen und kein verbindliches schriftliches Angebot der Fa. Europcar vorgelegt. Die Behauptung, dass die Fa. Europcar ein vergleichbares Fahrzeug für 57,00 € täglich anbiete, ist insoweit nicht ausreichend. Soweit die Beklagte sich hierzu auf die mit der Klageerwiderung - wohl aus dem Internet stammenden - Werbeangebote bezieht, sind diese nicht geeignet, die Vorlage eines verbindlichen Angebots eines alternativen Mietwagenunternehmens zu ersetzen. Denn die Werbung beinhaltet kein verbindliches Angebot, sondern lediglich eine sog. „invitatio ad offerendum”. Der Kunde, der eine entsprechende Werbung liest, kann nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass der von ihm gewünschte PKW auch tatsächlich zu dem gewünschten Termin und für die gewünschte Zeitspanne zur Verfügung steht. Auch stimmen die tatsächlichen Mietkonditionen, zu denen im Einzelfall ein Fahrzeug angemietet werden kann, nicht notwendig mit den in der Werbung genannten Tarifen überein. Es kommen vielfach im Einzelfall noch Aufschläge oder Nebenkosten hinzu, die aus dem Werbeangebot nicht ohne weiteres zu ersehen sind und die dem Kunden erst auf eine konkrete Mietanfrage unter Angabe des gewünschten Termins und der geplanten Mietdauer genannt werden. In Anbetracht dessen hätte die Beklagte ein konkretes Angebot der Fa. Europcar vorlegen müssen, aus dem sich die von ihr behaupteten Preise und Konditionen für die Geschädigte ergeben hätten. Die bloße Behauptung, dass die Fa. Europcar ein Ersatzfahrzeug zu 57,00 € pro Tag einschl. Vollkasko, sämtlicher Kilometer und Zustellung anbiete, ist nicht ausreichend. Die Tatsache, dass die Geschädigte, wie die Beklagte behauptet, ein solches schriftliches Angebot nicht gewünscht habe, ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich. Denn vorliegend hätte die Beklagte ein verbindliches Angebot vorlegen müssen, um ihrer Darlegungspflicht gegenüber dem Gericht nachzukommen. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass ihr ein Mitarbeiter der Fa. Europcar in mündlicher Form verbindlich zugesagt habe, dass und zu welchem Gesamtpreis die Zeugin ein Unfallersatzfahrzeug der einschlägigen Klasse anmieten könne.

Die Höhe der geltend gemachten Kosten ist nicht zu beanstanden. Die von der Klägerin berechneten Kosten entsprechen, wie bereits ausgeführt, dem Mittelwert zwischen der sog. Schwacke-Liste und der sog. Fraunhofer-Liste. Die Rechnung ist nicht um die Kosten eines Zusatzfahrers von 134,16 € zu kürzen. Zwar bestreitet die Beklagte, dass das angemietete Fahrzeug von mehr als einer Person benutzt wurde. Hierauf kommt es aber nicht maßgeblich an. Der Geschädigte kann im Rahmen des Schadensersatzes verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne das schädigende Ereignis gestellt wäre. Es genügt daher, dass der Geschädigte die Möglichkeit gehabt hätte, sein eigenes Fahrzeug von einem weiteren Fahrer nutzen zu lassen. Ob er dies tatsächlich getan hat, ist nicht entscheidend, Die Beklagte hat nicht bestritten, dass die Klägerin die Möglichkeit hatte, ihr eigenes Fahrzeug von einem Dritten nutzen zu lassen. Auch bezüglich der Hol- und Bringkosten von 57,00 € ist die Klage begründet. Die Geschädigte hat einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Hol- und Bringkosten durch Vorlage der Rechnung dargelegt. Die Beklagte hätte angesichts dessen darlegen müssen, dass diese Kosten tatsächlich nicht angefallen sind. Das bloße Bestreiten der Kostenposition ist nicht ausreichend.

Der Zinsanspruch ist begründet gem. §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB.

Die Klägerin kann gem. §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 4 BGB außerdem Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 747,95 € festgesetzt.

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Bedeutung für die Praxis: Aus dem Urteil wird ersichtlich, wie weit die theoretische Sichtweise der Gerichte und die Lebenswirklichkeit auseinander liegen. Praktisch gehen Versicherer den Weg, den Geschädigten anzurufen, einen Tagespreis inkl. aller Leistungen aus einer Liste zu nennen. Sie erwarten von den Gerichten, dass der Geschädigte auf diese pauschale Aussage hin an den Preis gebunden wird. Das würde bedeuten, dass die Versicherer irgendeine nicht nachprüfbare Aussage treffen können, allein mit dem Ziel, den Geschädigten daran zu binden. Im Fall eines gerichtlichen Verfahrens ließe sich das schon so ungefähr hinbringen, dass der kooperierende Vermieter die Aussagen bestätigt. Wer weiß zum Zeitpunkt des Anrufes schon genau, welche Fahrzeuggruppe betroffen ist, was der Geschädigte wirklich an Leistungen braucht... Man muss es ihm ja auch nicht auf die Nase binden, dass er einen Anspruch auf eine Selbstbeteiligung von Null Euro hat oder eine sofortige Zustellung verlangt werden kann, wenn nötig. Das Amtsgericht Leverkusen denkt anders. Es fordert den konkreten Nachweis, dass dem Versicherer im Augenblick des Anrufes beim Geschädigten ein konkretes Angebot des Kooperationspartners vorliegt, diesem Geschädigten ein passendes Fahrzeug mit den passenden Bedingungen und Nebenleistungen tatsächlich zur Verfügung stellen zu können. Der Normalfall ist aber anders, da Versicherer lediglich ins Blaue hinein behaupten, ihr Partner würde das Passende haben und alles sei inklusive. Diese Aussage erfolgt lediglich ins Blaue hinein. Wenn es nicht funktioniert, hat der Geschädigte Pech gehabt, kommt ggf. der BackUp-Partner des Versicherers ins Spiel oder der Geschädigte muss warten, mit weniger zufrieden sein. Hauptsache er sucht sich nicht selbst einen Vermieter, der zu Marktpreisen abrechnet.