Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 03-18

Amtsgericht Linz 21 C 441/17 vom 09.01.2018

1. Die Abtretung der Forderung aufgrund Abrechnung der Kosten eines Ersatzfahrzeuges ist entgegen der Ansicht der Beklagten wirksam vereinbart worden, da sie sich nicht auf eine Mehrheit von Forderungen bezieht, sondern nur auf die Mietwagenkosten.
2. Erforderliche Mietwagenkosten werden nach dem PLZ-Gebiet des Anmietortes aus der SchwackeListe-Automietpreisspiegel 2016 geschätzt.
3. Der Verweis der Beklagten auf die bessere Anwendbarkeit der Fraunhoferliste ist unkonkret und unbeachtlich.
4. Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass dem Geschädigten in seiner konkreten Situation ein vergleichbares Angebot zu wesentlich günstigeren Konditionen zur Verfügung gestanden hat.
5. Telefonische Hinweise der Beklagten zur Vermittlung eines Ersatzfahrzeuges begründen keinen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht.
6. Aufgrund Besonderheiten der Anmietung ist in der Regel ein Aufschlag wegen erforderlicher unfallbedingter Mehrleistungen zu erstatten.
7. Kosten für Nebenleistungen wie Haftungsreduzierung, Winterbereifung, Zustellen und Zusatzfahrer sind zu erstatten.
8. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind erstattungsfähig, da die Beauftragung eines Rechtsanwaltes gerade wegen der uneinheitlichen Rechtsprechungspraxis der Gerichte für zweckmäßig gehalten werden durfte.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Linz spricht der aus abgetretenem Recht klagenden Autovermietung restliche Forderungen wegen Mietwagenkosten nach einem Unfall vollständig zu. Das Gericht wendet die Schwackeliste an, fügt einen 20 %igen Aufschlag und alle Nebenkosten hinzu. Von der Beklagten mit dem Geschädigten geführte Telefonate zur Empfehlung bestimmter Mietwagenanbieter führen in ihrer rechtlichen Bewertung nicht dazu, dass dem Geschädigten ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht vorgeworfen wird.

 

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Amtsgericht Linz am Rhein 21 C 441/17 vom 09.01.2018


IM NAMEN DES VOLKES


Urteil



In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Linz am Rhein durch die Richterin XXX auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 05.12.2017 für Recht erkannt:


1.    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 958,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.05.2017 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 124,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.07.2017 zu zahlen.

2.    Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar: Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.


Tatbestand

Die Klägerin, eine Autovermietung, verlangt von dem beklagten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht des Geschädigten Ersatz restlicher Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall. Die volle Einstandspflicht der Beklagten steht außer Streit.

Am 09.04.2017 gegen 10:45 Uhr ereignete sich in Erpel ein Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug des Geschädigten (Fahrzeugklasse 5) beschädigt wurde. Am Folgetag mietete der Geschädigte bei der Klägerin in Bonn ein Ersatzfahrzeug (Klasse 4) an, wobei das Mietende offen gelassen wurde. Die Reparatur war am 19.04.2017 abgeschlossen. Die Klägerin stellte dem Geschädigten hierfür mit Rechnungsdatum vom 21.04.2017 (BI. 15 d.GA) für die Mietzeit vom 10.04.2017, 12:00
Uhr bis zum 19.04.2017, 18:00 Uhr 1.561,48 EUR (brutto), zahlbar bis zum 05.05.2017 in Rechnung. Der Betrag setzt sich zusammen aus einer Fahrzeugmiete in Höhe von 870,69 EUR netto sowie Zuschlägen für Zustellung und Abholung zu je 22,69 EUR netto, Haftungsreduzierung in Höhe von 181,00 EUR netto, Zusatzfahrer in Höhe von 115,10 EUR netto und Winterreifen zu 100,00 EUR netto.

Die Klägerin ließ sich bei der Anmietung die Schadensersatzansprüche auf Erstattung der Mietwagenkosten gegen die Schädiger und das Versicherungsunternehmen sicherungshalber abtreten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Abtretungsurkunde, BI. 17 d. GA. verwiesen. Nach schriftlicher Aufforderung durch die Klägerin vom 09.05.2017 unter Setzung einer Zahlungsfrist bis zum 16.05.2017 zahlte die Beklagte vorgerichtlich auf die Mietwagenrechnung einen Teilbetrag in Höhe von 583,10 EUR. Die noch offene Restforderung wurde seitens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin außergerichtlich angemahnt. Eine weitere Zahlung erfolgte jedoch nicht.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie könne die Erstattung von Mietwagenkosten für 10 Tage auf Basis des Normaltarifs der Schwacke-Liste 2016 erhöht um die im Einzelfall angefallenen Nebenkosten zzgl. eines pauschalen Zuschlags von 20 % für ein Unfallersatzwagengeschäft verlangen und sieht unter Berücksichtigung dessen einen Betrag in Höhe von 1.541,60 EUR abzüglich der bereits gezahlten 583,10 EUR, folglich 958,50 EUR als (noch) erstattungsfähig an.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 958,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.05.2017 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 124,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin sei mangels hinreichend bestimmter bzw. bestimmbarer Abtretungserklärung bereits nicht aktivlegitimiert. Sie vertritt zudem die Auffassung, der Schwacke-Mietpreisspiegel bilde keine geeignete Schätzungsgrundlage für die zu erstattenden Mietwagenkosten. Vielmehr sei die Fraunhofer-Marktpreisliste als Schätzungsgrundlage vorzugswürdiger. Überdies habe ein Mitarbeiter der Beklagten den Geschädigten noch am Unfalltag telefonisch darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Anmietung eines Mietwagens u.a. zu einem Tagespreis in Höhe von 49,00 EUR bzw. 50,00 EUR netto inklusive aller Nebenkosten möglich sei. Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Mietwagen dem Geschädigten zugestellt und abgeholt wurde, dass eine Selbstbeteiligung unter 1.500 EUR vereinbart wurde sowie dass das Geschädigten- sowie das Mietfahrzeug mit Winterreifen ausgestattet waren. Des Weiteren vertritt die Beklagte die Auffassung, die Position Zusatzfahrer sei nicht wirksam vereinbart worden. Letztlich müsse der Geschädigte sich ersparte Eigenaufwendungen anrechnen lassen.

Die von der Klägerin geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind nach Ansicht der Beklagten ebenfalls nicht erstattungsfähig, da die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts aufgrund der gängigen Praxis der Beklagten, nach erfolgten Teilzahlungen keine weiteren Zahlungen mehr zu leisten, weder erforderlich noch zweckmäßig gewesen sei.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen XXX. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 05.12.2017 (BI 160 f. d.GA) Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe



Die zulässige Klage hat Erfolg.

Das AG Linz ist sachlich gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 GVG, 1 ZPO und örtlich gemäß § 32 ZPO zuständig.

Die Klage ist begründet.

Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 958,50 EUR ergibt sich aus §§ 7, 18 StVG, § 398 BGB i.V.m. §§ 113, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 ff. PflVG, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die Beklagte ist dem Geschädigten gegenüber unstreitig in vollem Umfang zur Erstattung seiner durch den Verkehrsunfall vom 09.04.2017 entstandenen Schäden verpflichtet.

Die Klägerin ist aufgrund der wirksamen Abtretung i.S.d. § 398 BGB (vgl. Vereinbarung Bl. 17 d.GA) aktiv legitimiert. Eine Abtretung ist, wie in der Rechtsprechung und Rechtslehre anerkannt, nur wirksam, wenn die Forderung, die Gegenstand der Abtretung ist, bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist (BGH Urt. v. 25.10.1952 - I ZR 48/52, BGHZ 7, 365 v. 03.04.1974 - VIII ZR 235/72, NJW 74, 1130 und v.16.03.1995 – IX ZR 72/94, NJW95, 1668 MüKo-BGB/Roth; 5. Aufl., § 398 Rn. 67). Letzteres ist hier der Fall. Aus der Abtretungsurkunde geht eindeutig hervor, dass lediglich die Schadensersatzforderung auf Erstattung der Mietwagenkosten aus dem Verkehrsunfall vom 09.04.2017 gegen die Beklagte unter genauer Bezeichnung der Schadennummer übergehen soll. Die von Beklagtenseite angeführte Entscheidung des BGH VI ZR 260/10 ist bereits deshalb nicht einschlägig, weil bei der diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Entscheidung die Abtretung gerade nicht nur auf eine Schadensposition bezogen war, sondern eine Mehrheit von Forderungen (Mietwagenkosten, Reparaturkosten, Heilbehandlungskosten etc.) abgetreten wurde, ohne dass eine Aufschlüsselung der Höhe oder Reihenfolge erfolgt wäre.

Die Klägerin ist auch unstreitig zur Einziehung von Inkassoleistungen berechtigt (s. a. Bl. 10 d.GA), sodass auch kein Verstoß gegen das RDG ersichtlich ist.

Folglich kann die Klägerin von der Beklagten nach §§ 249 Abs. 2 Satz 1, 398 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen,  die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. BGHZ 160, 377, 383 = NJW 2005, 51; NJW 2006, 2106). Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (BGH, Urt. v. 05.03.2013, Az.: VI ZR 245/11, openjur 2013, 21715).

Die Berechnung erfolgt unter Anwendung der für den Anmietungszeitpunkt aktuellen bzw. zeitnächsten Tabelle, die nunmehr auch jährlich herausgegeben werden, da es für die ortsüblichen Mietkosten auf die zu diesem Zeitpunkt geltenden Mietpreise ankommt (OLG Köln, Urt. v. 30.07.2013, Az.: 15 U 212/12; openJur 2013, 35071). Maßgeblicher Postleitzahlenbezirk ist der Anmietort, also der Postleitzahlenbezirk des Vermieters (vgl. BGH VersR 2010, 683 ff.).

Zur Bestimmung der erforderlichen Mietwagenkosten legt das Gericht hier den sich nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2016 im maßgebenden Postleitzahlengebiet „531“ ergebenden Normaltarif / Modus zugrunde. Denn das Gericht ermittelt die Höhe der angemessenen Mietwagenkosten im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO, wobei der Tatrichter in diesem Fall besonders freigestellt ist. Die Art der Schätzgrundlage für die Ermittlung des Normaltarifs gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden (OLG Köln, Beschluss vom 12.05.2009, Az.: 11 U 219/08). Ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. (vgl. BGH, Urt. v. 12.04.2011, Az.: VI ZR 300/09). In geeigneten Fällen können Listen und Tabellen bei der Schadensschätzung durchaus Verwendung finden (BGH NJW 2008, 1519; NJW 2009, 58). Diese Listen dienen nur als Grundlage für eine Schätzung nach § 287 ZPO, so dass im Rahmen des eröffneten Ermessens von diesen Listen etwa auch durch Abschläge oder Zuschläge auf den sich aus ihnen ergebenden Normaltarif abgewichen werden kann (BGH, VersR 2011, 1026). Der BGH hat wiederholt entschieden, dass in Ausübung des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO der Normaltarif auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermittelt werden kann, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzgrundlage, aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH, Urt. v. 12.04.2011, Az.: VI ZR 300/09; BGH NJW 2011, 1947; BGH NJW-RR 2011, 1109). Dabei reichen allgemeine und generell erhobene Einwendungen gegen die Eignung des Schwacke-Mietpreisspiegels nicht aus (BGH, Urt. v. 22.02.2011, Az.: VI ZR 353/G9).

Die Ausführungen der Beklagten, wonach der Mietpreisspiegel des Fraunhofer-Instituts die erforderlichen Mietpreise zutreffend ansetze und die des Schwacke-Mietpreisspiegels demgegenüber überhöht seien, sind danach unbeachtlich. Alleine die Existenz einer anderen Liste führt nämlich nicht dazu, dass der vom Gericht zugrunde gelegte Schwacke-Mietpreisspiegel im maßgeblichen Postleitzahlenbereich als Schätzgrundlage außer Betracht bleiben muss.

Der Umstand, dass die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen können, genügt nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.03.2015, Az.: 1 U 42/14).

Der BGH erlaubt die Verwendung sowohl der Fraunhofer- als auch der Schwackeliste (BGH VI ZR 142/10, Rn. 7 - juris). Jedoch hatte das Gericht im Rahmen der freien tatrichterlichen Würdigung (§ 287 ZPO) des von Beklagtenseite erfolgten Sachvortrags keine hinreichenden Anhaltspunkte, die Schwacke-Liste als unqualifiziert anzusehen. Es wurde gerade nicht mit konkreten Tatsachen aufgezeigt, dass Mängel an der Schwacke-Liste im konkreten Fall zu einer Fehleinschätzung mit erheblichem Umfang führen (BGH VI ZR 142/10, Rn. 8 - Juris). Dies gilt insbesondere mit der gefestigten Rechtsprechung im Bereich des OLG-Bezirks Koblenz (vgl. etwa LG Koblenz 14 S 55/12, Rn. 7 -Juris).

Auch fehlt es an einem unter Beweis gestellten, umfassenden Sachvortrag dazu, dass der Geschädigte ein vergleichbares Fahrzeug für die Mietdauer von 10 Tagen zu konkret benannten, wesentlich günstigeren Preisen bestimmter anderer Mietwagenunternehmen hätte anmieten können (BGH NJW-RR 2011, 1059). Die Beklagte hat vorgetragen, noch am Unfalltag ein Telefonat mit dem Geschädigten geführt und diesem zwei verschiedene Mietwagenangebote unterbreitet zu haben. Dass dieses Telefonat stattgefunden hat, ist streitig, bedarf jedoch keiner weiteren Aufklärung. Selbst unter Zugrundelegung des Telefonats mit dem behaupteten Inhalt wären die angeführten Angebote nicht geeignet, die Eignung der Schwacke-Liste als Schätzgrundlage zu erschüttern, da eine Vergleichbarkeit der Angebote mit dem von dem Geschädigten abgeschlossenen Mietverträgen nicht gegeben ist. Unabhängig davon, ob es sich bei den Angeboten um auf dem freien Markt zugängliche oder um aus einer Sondervereinbarung resultierende Preise handelt, scheitert die Vergleichbarkeit bereits daran, dass die Beklagte lediglich Nettotages- bzw. Nettowochenpreise genannt hat. Zwar unterliegt die Beklagte selbst nicht der Preisangabenverordnung. Gleichwohl drängt sich dadurch der Verdacht der Irreführung auf, da kein sachlicher Grund für diese Angaben besteht. Dem Geschädigten wird durch die Angabe der Nettopreise eine falsche Vergleichsgrundlage suggeriert. Es ist dem Geschädigten nicht zumutbar, selbst die entsprechenden Bruttopreise auszurechnen, um so eine Vergleichsgrundlage mit anderen Angeboten zu erzielen (so auch AG Bonn, Urt. v. 29.11.2012, 111 C 152/12 - openjur 2013, 133).

Zudem ist das Angebot nicht hinreichend spezifiziert. Die Preise enthalten ausweislich des Gesprächsvermerks alle Nebenkosten, wobei Zustellung und Abholung beispielhaft angeführt werden, ohne dass diese enthaltenen Nebenkostenpositionen näher aufgeführt werden. Alle für den Geschädigten wichtigen Fragen wie Erfordernis der Vorleistung, Notwendigkeit einer Kaution oder Inhaberschaft einer Kreditkarte, Modalitäten einer Voll- und Teilkaskoversicherung samt Höhe des Selbstbehalts sind dem nicht zu entnehmen. Überdies verhält sich das Angebot nicht dazu, ob der Mietwagen tatsächlich unmittelbar verfügbar ist oder mit einer Vorlaufzeit zu rechnen ist. Auch ist nicht ersichtlich, ob ein - wie im hiesigen Fall - offenes Mietende, des ersichtlich nicht unter die Nebenkosten fällt, berücksichtigt wird. Eine Gleichwertigkeit der Angebote scheidet daher aus.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen hat das Gericht daher vorliegend den sich nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel (2016) im maßgebenden Postleitzahlengebiet ergebenden Normaltarif / Modus (Gruppe 4; Wochentarif: 586,00 EUR, 3-Tages-Pauschale: 302,00 EUR) zugrunde gelegt. Daraus ergeben sich für eine erstattungsfähige Mietdauer von 10 Tagen erforderliche Mietwagenkosten in Höhe von 888,00 EUR.

Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf einen pauschalen Aufschlag für unfallbedingte Sonderleistungen in Höhe von 20 % auf den Normaltarif (888,00 EUR + 20 % = 1.065,60 EUR) (vgl. LG Koblenz Urteile vom 14.05.2009 Az. 14 S 6/08, vom 25.11.2010 Az. 14 S 195/09, vom 01.12.2009 Az. 6 S 126/09). Aufgrund der Besonderheiten einer Unfallsituation ist in der Regel ein höherer Mietwagenpreis als der Normaltarif zur Schadensbeseitigung im Sinne von § 249 II 1 BGB erforderlich, um den betriebswirtschaftlichen Besonderheiten der Kosten und Risiken eines Unfallersatzfahrzeuggeschäfts im Vergleich zum sog. Normalgeschäft gerecht zu werden (BGH, Urt. v. 19.10.2010, Az.: VI ZR 112/09; NJW-RR 2010, 679). Die Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, die Anmietung erfolgte in der typischen Situation der Unfallersatzanmietung. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Geschädigte nach den Umständen des Einzelfalls Kenntnis von einer deutlich günstigeren Anmietmöglichkeit auf dem für ihn zeitlich und örtlich relevanten Markt gehabt hätte, liegen nicht vor. Hinsichtlich des Umfangs der dem Geschädigten obliegenden Erkundigungspflicht ist zu berücksichtigen, dass die Anmietung bereits am Folgetag des Unfalls erfolgte und somit immer noch von einer Eil- bzw. Notsituation auszugehen ist. Das OLG Koblenz billigt sogar dem Geschädigten, der binnen Wochenfrist nach dem Unfall einen Mietwagen übernimmt, einen Zuschlag von 20 % auf den Grundmietpreis für unfallspezifische Sonderleistungen zu (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 02.02.2015 - 12 U 1429/13, NJW 2015, 1615). In dieser Zeit muss der Geschädigte gegebenenfalls schnell auf ein Mietfahrzeug zugreifen können und Mietdauer und Haftungsfrage werden häufig noch ungewiss sein. Damit ein Mietwagenunternehmen flexibel auf diese Umstände reagieren kann, fallen erhöhte Vorhaltekosten an und ein pauschaler Aufschlag von 20 % auf den Normaltarif ist gerechtfertigt (vgl. OLG Koblenz s.o., so auch BGH, DAR 2013, 378 ff.). Unstreitig war im hiesigen Fall auch die Haftungsfrage zum Zeitpunkt der Anmietung am Unfallfolgetag noch nicht geklärt. Ebenso war die Dauer der Anmietung offen und abhängig von der Reparaturdauer.

Entgegen der Auffassung der Beklagten waren hier keine ersparten Eigenaufwendungen im Wege des Vorteilsausgleichs, resultierend aus dem während der Mietdauer nicht genutzten beschädigten Fahrzeug des Geschädigten in Abzug zu bringen. Die vorgenommene Abrechnung erfolgte auf Basis eines gruppentieferen Fahrzeuges (BGH: Urt. v. 05.03.2013, VI ZR 245/11; LG Koblenz, 01.12.2009, Az.: 6 S 126/09; OLG Hamm, 29.03.2000, Az.: 13 U 189/99). Ausweislich der Rechnung vom 21.04.2017 sowie dem ergänzenden Vortrag der Klägerseite im Schriftsatz vom 04.09.2017 handelte es sich bei dem Geschädigtenfahrzeug (Skoda Yeti „Joy“) um ein solches der Gruppe 5. Abgerechnet wurde hingegen lediglich ein Mietfahrzeug der Gruppe 4 (Skoda Rapid).

Schließlich sind zugunsten der Klägerin sog. Nebenkosten zu berücksichtigen. Diese Kosten sind nach der Nebenkostentabelle zum Schwacke-Mietpreisspiegel 2016 neben dem Normaltarif grundsätzlich erstattungsfähig (OLG Köln, Urt. v. 02.03.2007, 19 U 181/06). Die Klägerin kann eine gesonderte Vergütung jedoch nur insofern verlangen, als ausweislich der Mietvertrags- und Rechnungsunterlagen entsprechenden Zusatzleistungen erbracht wurden und hierfür eine gesonderte Vergütung verlangt wurde.

Auch die von der Klägerin geltend gemachten Nebenkosten für die Winterbereifung des Mietwagens zu einem Tagesnettopreis in Höhe von 10,00 EUR (10 x 10,00 EUR = 100,00 EUR) sind als erforderlich und damit erstattungsfähig anzusehen. Der BGH hat in seinem Urteil vom 05.03.2013 - VI ZR 245/11 - ausdrücklich diese Nebenkostenposition als vergütungspflichtige Nebenleistung anerkannt. Denn dass Winterreifen zu den konkreten Anmietzeiten zur erforderlichen Ausstattung der Fahrzeuge gehören, um deren Verkehrssicherheit sicherzustellen und dass deshalb die Klägerin verpflichtet war, ihren Mietern das Ersatzfahrzeug ausgestattet mit Winterreifen zu überlassen, bedeutet nicht, dass der Vermieter für eine solche Ausstattung nicht auch eine besondere Vergütung verlangen kann (vgl. BGH s.o.). Da Winterreifen nicht zur Erstausstattung eines Fahrzeuges gehören, handelt es sich um Zusatzkosten des Vermieters, die in zulässiger Weise an den Kunden weitergegeben werden dürfen. Entsprechend legen Mietwagenfirmen die Kosten für die Ausstattung des Fahrzeuges mit Winterreifen grundsätzlich auf die Mieter um, so dass regelmäßig ein Aufschlag hierfür berechnet wird und folglich von den Mietern auch gezahlt werden muss. Im Übrigen kommt es gemäß § 249 BGB auch nur darauf an, was der Geschädigte in seiner Situation für erforderlich halten durfte. Wenn das Mietwagenunternehmen die Ausstattung des Mietfahrzeuges mit Winterreifen nur gegen Aufschlag anbietet, die Nutzung des Fahrzeuges bei Eis, Schnee und Matsch aber nur mit Winterreifen zulässig ist, darf der Geschädigte, der zur Wahrung seiner Verpflichtung nach der StVO Winterreifen benötigt, diese Kosten für erforderlich halten im Sinne von § 249 BGB (vgl. LG Köln, Urteil vom 06.09.2011 - 11 S 293/10 -). Die Anmietung erfolgte im April und damit noch innerhalb des Zeitraumes (November bis Mai), in der mit einer Wetterlage zu rechnen ist, die den Einsatz von Winterreifen erfordert.

Ob das Geschädigtenfahrzeug - wie von der Beklagten bestritten - mit Winterreifen ausgestattet gewesen ist, ist unerheblich. Maßgeblich ist, ob das Mietfahrzeug tatsächlich mit Winterreifen ausgestattet gewesen ist. Dies ist nach Überzeugung des Gerichts der Fall. Die Beklagte hat mit Nichtwissen bestritten, dass das Mietfahrzeug mit Winterreifen ausgestattet gewesen war. Das Gericht hat auf Antrag der Klägerseite Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen XXX. Dieser hat glaubhaft bekundet, dass sämtliche Fahrzeuge der Firma gemäß der Empfehlung des ADAC von Oktober bis Ende der Osterferien mit Winterreifen ausgestattet seien. Zudem lasse sich aus dem Mietvertrag aus dem Zusatz „m. WR“ hinter der Mietfahrzeugbezeichnung entnehmen, dass die Ausstattung mit Winterreifen ausdrücklich vereinbart worden sei.

Auch die Zustell- und Abholkosten des Mietwagen zum / vom Wohnort des Geschädigten sind grundsätzlich im Rahmen der Nebenkosten erstattungsfähig. Die Zustellung und Abholung wurde mietvertraglich ausdrücklich vereinbart und demgemäß in Rechnung gestellt. Dass demgegenüber dennoch keine Zustellung / Abholung erfolgt sein soll, ist seitens der Beklagten nicht substantiiert dargetan, sondern lediglich ins Blaue hinein bestritten worden. Die Höhe der Zustell- und Abholkosten unterliegt der richterlichen Schätzung (§ 287 ZPO) und bietet im hier vorliegenden Fall keinen Grund zur Beanstandung. Unter Zugrundelegung der Nebenkostentabelle der Schwacke-Liste 2016 sind Kosten für Zustellung und Abholung zu je 23,00 EUR (Modus), folglich ein Betrag in Höhe von 46,00 EUR als erstattungsfähig anzusehen. Dass hier eine Zustellung und Abholung des Mietfahrzeugs erfolgte, ist durch die vorgelegte Mietwagenrechnung belegt.

Auch die Kosten für die Haftungsbeschränkung sind gemäß der Nebenkostentabelle der Schwacke-Liste / Modus in Höhe von 210,00 EUR (10 x 21,00 EUR = 210,00 EUR) als erstattungsfähig anzusehen, unabhängig vom Bestehen einer vergleichbaren Versicherung für das beschädigte Fahrzeug, da es dem Geschädigten nicht zumutbar ist bei der - notwendigen - Nutzung eines fremden Fahrzeugs einem Schadensrisiko ausgesetzt zu sein (OLG Koblenz, Urt. v. 02.02.2015 - 12 U 1429/13, NJW 2015, 1615). Die Aufwendungen für den Abschluss einer Vollkaskoversicherung gehören bei Schwacke eindeutig zu den sogenannten Nebenkosten, die neben dem Normaltarif zusätzlich anfallen (vgl. Nebenkostentabelle). Dass der Beklagte das Vorliegen einer entsprechenden Haftungsbeschränkungsvereinbarung mit Nichtwissen bestritten hat, ist nicht ausreichend, um diese Schadensposition entfallen zu lassen. Es fehlt hierbei an jeglichem substantiierten Vortrag, weshalb entgegen der ausdrücklichen Vereinbarung im Mietvertrag vom 10.04.2017, die sich auch in diesbezüglich erstellten Rechnung vom 21.04.2017 niederschlägt, Zweifel daran bestehen sollen. Die Klägerin kann einen Aufschlag für die Vollkaskoversicherung verlangen. Die Vollkaskoversicherung ist ausweislich der Mietwagenrechnung auch als Zusatzleistung vereinbart worden. Hierfür ist auch eine gesonderte Vergütung verlangt worden.

Gesonderte Kosten für einen Zusatzfahrer hat der Schädiger grundsätzlich zu erstatten (OLG Köln, Urt. v. 30.07.2013, Az.: 15 U 212/12; openJur 2013, 35071). Dabei kommt es zum einen nicht darauf an, ob die angegebenen Zusatzfahrer das Fahrzeug tatsächlich nutzten. Maßgeblich ist allein, ob die angemieteten Fahrzeuge für die Nutzung auch durch Zusatzfahrer angemietet wurden. Bereits damit ist das mit der Nutzung des Fahrzeugs durch eine weitere Person verbundene Risiko eines intensiveren Fahrzeuggebrauchs eröffnet, welches mit den Kosten für den Zusatzfahrer abgedeckt werden soll. Keine Rolle spielt auch, ob der Geschädigte auf den Zusatzfahrer angewiesen war. Nach der Schwacke-Liste Nebenkostentabelle werden Kosten für die Vereinbarung „Zusatzfahrer“ im Modus in Höhe von 12,00 EUR pro Tag angegeben, sodass ein Gesamtbetrag in Höhe von 120,00 EUR erstattungsfähig ist.

Grundtarif/ Modus
für 10 Tage                888,00 EUR
20-% Aufschlag            177,60 EUR
Winterreifen                100,00 EUR
Zustellung/ Abholung           46,00 EUR
Haftungsreduzierung        210,00 EUR
Zusatzfahrer                120,00 EUR
                            1.541,60 EUR


Daraus folgt ein Gesamtbetrag der zu erstattenden Mietwagenkosten von 1.541,60 EUR. Auf diesen Betrag hat die Beklagte bereits einen Betrag in Höhe von 583,10 EUR gezahlt, weshalb die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung weiterer 985,50 EUR hat.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1 BGB. Der Verzug ist mit Ablauf der im Mahnschreiben vom 09.05.2017 gesetzten Zahlungsfrist bis zum 16.05.2017 eingetreten. Der Zugang der Rechnung wurde nicht bestritten.

Ferner hat die Klägerin gegen die Beklagten einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 124,00 EUR aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 BGB. Nach Eintritt des Verzugs hat die Klägerin die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben zur Zahlung der nun klageweise geltend gemachten Restforderung aufgefordert. Die Klägerin durfte die Beauftragung eines Rechtsanwalts auch für erforderlich und zweckmäßig erachten (grds. BGH, Urteil v. 12.12.2006, VI ZR 224/05, WuM 2007 S. 62; BGHZ 127 S. 348, 351). Soweit die Beklagte behauptet, die aktuelle Rechtsprechung zur Höhe der Mietwagenkosten und deren Berechnung sei der Klägerin vollumfänglich bekannt und daher indiziert, die Klägerin als Mietwagenunternehmen dürfte die Beauftragung eines Rechtsanwalts daher nicht für erforderlich erachten, verfängt nicht. Denn gerade die uneinheitliche Rechtsprechungspraxis alleine schon bei der Frage der anzuwendenden Schätzgrundlage, die bundesweit unterschiedlich gehandhabt wird, zeigt, dass es sich gerade nicht um einen einfach gelagerten Fall handelt.

Die geltend gemachte Gebühr ist unbestritten und begegnet auch im Übrigen keinen Bedenken.

Der Zinsanspruch bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Klage wurde der Beklagten am 28.07.2017 zugestellt, sodass Zinsen ab dem 29.07.2017 zu erstatten sind.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Anspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss



Der Streitwert wird auf 958,50 € festgesetzt.

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Bedeutung für die Praxis: Neben der Anwendung der Schwackewerte und der grundsätzlichen Zubilligung eines Aufschlages wurde hier über die Frage der Schadenminderungspflicht-Verletzung gestritten. Die mit dem Geschädigten geführten Telefonate begründen keinen Verstoß gegen § 254 BGB. Es fehle an einem unter Beweis gestellten, umfassenden Sachvortrag dazu, dass der Geschädigte eine vergleichbare Leistung für die Mietdauer von 10 Tagen zu konkret benannten, wesentlich günstigeren Preisen bestimmter anderer Mietwagenunternehmen hätte anmieten können. Eine Vergleichbarkeit scheiterte bereits daran, dass die Beklagte lediglich Nettotages- bzw. Nettowochenpreise genannt hatte. Dem Geschädigten wurde durch die Angabe der Nettopreise eine falsche Vergleichsgrundlage suggeriert. Zudem war das Angebot nicht hinreichend spezifiziert. Die für den Geschädigten wichtigen Fragen samt Höhe des Selbstbehalts wurden nicht genannt. Überdies fehlte eine Information dazu, ob der Mietwagen tatsächlich unmittelbar verfügbar war.