Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 28-17

Amtsgericht  Meißen 103 C 1078/15 vom 21.06.2017

1. Die beklagte Haftpflichtversicherung wird zur Zahlung der restlichen Mietwagenforderungen verurteilt.
2. Die Erforderlichkeit einer Ersatzanmietung wird grundsätzlich bereits durch die Entbehrung des beschädigten Fahrzeuges indiziert.
3. Die Regulierungsschreiben der Beklagten, die die Grundlage einer bereits geleisteten Teilzahlung bilden, sind als Anerkenntnis der Eintrittspflicht dem Grunde nach und in Bezug auf die abgerechnete Mietdauer von 10 Tagen anzusehen.
4. Die Schwackeliste ist eine geeignete Schätzgrundlage. Die von der Beklagten eingereichten Screenshots und Gutachten zeigen nicht auf, dass dem Kläger ein günstigerer Tarif ohne Weiteres zugänglich gewesen ist.
5. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist nicht geboten, da dem Sachverständigen keine überlegene Methode zur Verfügung steht und rückwirkend nicht erhoben werden kann.

Zusammenfassung:  Das Amtsgericht Meißen schätzt die zu erstattenden Forderungen aufgrund Mietwagenkosten anhand des Modus der Schwackeliste. Der umfangreiche Vortrag der Beklagten gegen die Geeignetheit der Schwackeliste wird zurückgewiesen. Auch die Einholung eines Gutachtens wird abgelehnt. Eine Eigenersparnis ist nicht abzuziehen, wenn das Fahrzeug und die Abrechnung der kleinsten Mietwagengruppe entsprechen. Vorgerichtliche Anwaltskosten sind erstattungsfähig.

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Amtsgericht Meißen 103 C 1078/15 vom 21.06.2017


Im Namen des Volkes

URTEIL

In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Meißen durch Richterin am Amtsgericht XXX ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 21.06.2017

für Recht erkannt:

1.    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 328,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.08.2015 sowie außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 70,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 14.11.2015 zu zahlen.

2.    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits.

3.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Beschluss:

Der Streitwert wird auf 328,00 € festgesetzt.


Tatbestand

Die Darstellung des Tatbestands entfällt gemäß § 313a ZPO.


Entscheidungsgründe

Die Klägerin begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 01.04.2015 auf der BAB 4, Autobahndreieck Nossen, Überleitung von der BAB 14 auf die BAB 4 ereignete. Die Klage auf Zahlung restlicher Mietwagenkosten ist zulässig und begründet. Das Amtsgericht Meißen ist gem. § 32 ZPO zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der angefallenen Mietwagenkosten von netto 870,00 € nach §§ 17 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 Abs. 1 VVG zu. Unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlung der Beklagten von netto 542,00 € kann die Klägerin jetzt noch 328,00 € verlangen.

1.
Eine Anmietung eines Ersatzfahrzeuges war für die Zeit von 10 Tagen notwendig. Die Erforderlichkeit der Anmietung wird regelmäßig indiziert durch die tatsächliche Entbehrung des Kraftfahrzeuges seitens des Benutzers (OLG Dresden, Urteil v. 15.04.2015, Az. 7 U 1067/14). Zwar besteht im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass die Klägerin das Unfallfahrzeug im Rahmen eines Leasingvertrages einem Kunden zur Verfügung gestellt hatte. Unstreitig ist jedoch, dass diesem das Fahrzeug infolge des Unfalls nicht mehr nutzungsbereit zur Verfügung stand. Zudem hat die Beklagte bereits dem Grund nach anerkannt, dass die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges erforderlich war, da ihr Schreiben vom 19.05.2015, Anlage K4, BI. 14 d. A., auf das Bezug genommen wird, als anerkennendes Abrechnungsschreiben anzusehen ist (OLG Karlsruhe, Urteil v. 01.02.2013, Az. 1 U 130/12).

Nur für die Dauer von 10 Tagen macht die Klägerin Mietwagenkosten geltend, wie sie bereits in der Klageschrift, Seite 4, klargestellt hat. Diese Anmietdauer wurde zum einen durch das Schadengutachten vom 07.04.2015, Anlage 1, BI. 6ff. d. A., auf das Bezug genommen wird, festgestellt. Zum anderen hat die Beklagte diese Anmietdauer vorgerichtlich bereits ihrer Schadenregulierung zugrunde gelegt, mithin anerkannt. Insofern sowie hinsichtlich der weiteren Einwendungen zum Abschluss eines Mietvertrages über ein Ersatzfahrzeug dringt die Beklagte nicht durch, da ihr o. g. Schreiben vom 19.05.2015 auch insoweit als anerkennendes Abrechnungsschreiben anzusehen ist.

2.
Aus demselben Grund kann die Beklagte auch nicht mit dem Einwand durchdringen, es sei kein Mietzins vereinbart worden und ein solcher sei auch durch die Klägerin nicht an den Vermieter zu zahlen gewesen. Zudem ergibt sich unter Berücksichtigung der Lebenserfahrung aus der Mietwagenrechnung die Vermutung, dass schon anfänglich die Überlassung des Fahrzeuges für die Geschädigte nicht unentgeltlich erfolgen sollte (OLG Dresden, Urteil v. 15.04.2015, Az. 7 U 1067/14).

3.
Die Mietwagenkosten von 87,00 € täglich, mithin 870,00 € für 10 Tage, waren der Höhe nach erforderlich. Der Geschädigte kann nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Das erkennende Gericht zieht in ständiger Rechtsprechung die Schwackeliste als Schätzgrundlage für die Ermittlung des Normaltarifes heran, solange nicht durch konkrete Einwände der beklagten Versicherungen Mängel der Schätzgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken. Dabei bleibt das Amtsgericht schon im Interesse der Rechtssicherheit und wegen seiner Verpflichtung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz auch für den hier zu entscheidenden Fall.

a)
Ohne Erfolg wendet die Beklagte insofern ein, dass die Schwackeliste keine geeignete Schätzgrundlage für die erforderlichen Mietwagenkosten darstelle, weil sich aus den als Anlagen B1 bis B3 eingereichten „Screenshots“ (BI. 40 ff. d. A.) sowie aus den als Anlagen B4, BI. 51ff. d. A., und B5, BI. 67ff. d. A., eingereichten Gutachten ergebe, dass dem Kläger ein günstigerer Tarif ohne weiteres zugänglich gewesen wäre. Auf die genannten Anlagen wird Bezug genommen.

Der Tatrichter ist in seinem Ermessen gem. § 287 ZPO bei der Heranziehung von Listen und Tabellen zur Schadensermittlung weitgehend frei. Die Art der Schätzgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Eine solche Liste bietet eine ausreichende Schätzgrundlage, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der Schätzgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH, Urteil vom 14.10.2008, IV ZR 308/07, zitiert nach juris, dort Rn. 19; (OLG Dresden, Urteil vom 15.04.2015, 7 U 1067/14; OLG Dresden, Urt. v. 26.03.2014, 7 U 1110/13, zitiert nach juris, dort Rn. 6; OLG Dresden, Urteil vom 18.12.2013, 7 U 606/13, zit. nach juris, dort Rn. 9). Der Tatrichter hat sich mit den von einer Partei geltend gemachten Mängeln der Schwackeliste als Schätzgrundlage auseinanderzusetzen, wenn die Partei konkrete günstigere Angebote anderer Autovermietungen aufzeigt (BGH, Urteil vom 02.02.2010, 6 ZR 7/09, zitiert nach juris, dort Rn. 21).

Dazu müsste die Beklagte konkrete Mängel der Schätzgrundlage aufzeigen und umfassend dazu vortragen, dass der Geschädigte tatsächlich ein vergleichbares Fahrzeug für den Anmietungszeitraum zu konkret benannten, wesentlich günstigeren Preisen bestimmter anderer Mietwagenunternehmen hätte anmieten können (OLG Dresden, Urteil vom 18.1.2013, 7 U 606/13 zit. nach juris, dort Rn. 7). Unzureichend sind Angebote, in denen die Anmietsituation mit der tatsächlichen Anmietsituation des Geschädigten nicht vergleichbar ist, etwa weil der Mieter nach den Vergleichsangeboten das Fahrzeug abholen müsste; dies ist dem Geschädigten wegen des Zeit- und Kostenaufwandes nicht ohne weiteres zuzumuten. An der Vergleichbarkeit fehlt es auch, wenn die Mietangebote, die die Versicherung vorlegt, nicht sämtliche Kilometer beinhalten. Notwendig ist außerdem, dass die Mietdauer zunächst offenbleiben kann; denn bei Anmietung eines Ersatzwagens steht die Reparatur- bzw. Wiederbeschaffungsdauer in aller Regel noch nicht fest. Dagegen ist es bei einer Anmietung im Internet zwingend erforderlich, bei Mietbeginn eine konkrete Anmietdauer zu benennen (OLG Dresden, Urteil vom 18.1.2013, 7 U 606/13 zit. nach juris, dort Rn. 7). Schließlich müssen die Vergleichsangebote auch erkennen lassen, ob die anmietbaren Fahrzeuge mit dem Unfallfahrzeug des Geschädigten vergleichbar sind. Daran fehlt es, wenn nicht ersichtlich ist, in welche Gruppen der Schwacke-Liste die Vergleichsfahrzeuge einzuordnen sind (OLG Dresden, Urteil vom 26.03.2014, 7 U 1110/13, zitiert nach juris, dort Rn. 7).

Gemessen an diesen Maßstäben hat die Beklagte die Eignung der Schwackeliste nicht erschüttert, auch nicht durch Vorlage der Anlagen B1 bis B5. Den Angeboten aus dem Internet lag bereits eine zum Anmietzeitpunkt bekannte konkrete Mietdauer von 10 Tagen zugrunde. Nach dem oben genannten spricht bereits dies gegen die Eignung dieser Angebote, die Eignung der Schwackeliste als Schätzgrundlage zu erschüttern, da die Anmietdauer in der Regel, so auch im vorliegenden Fall, gerade nicht im Vorfeld der Anmietung bekannt ist. Auch betreffen die Screenshots eine Anmietung ab 22.12.2015, nicht zum tatsächlichen Anmietzeitpunkt. Die eingereichten Sachverständigengutachten widerlegen die Eignung der Schwackeliste als Schätzgrundlage bereits deswegen nicht, weil darin gänzlich andere Zeiträume sowie andere Fahrzeugtypen in den Blick genommen wurden.

Das Gericht hat auch kein Sachverständigengutachten über die Behauptung der Beklagten einzuholen, die in den Vergleichsangeboten genannten Preise seien auch schon zum Unfallzeitpunkt marktüblich und zugänglich gewesen. Ein derartiges Beweisangebot ist untauglich, weil unklar ist, inwiefern einem gerichtlichen Sachverständigen gegenüber den Erhebungsmethoden nach Schwacke oder Fraunhofer überlegene Methoden zur Verfügung stehen könnten. Denn auch die rückwirkende Ermittlung marktüblicher Preise kann nur im Wege offener Datenerhebung erfolgen (OLG Dresden, Urteil vom 26.03.2014, 7 U 1110/13, zitiert nach juris, dort Rn. 7).

b)
Zur Ermittlung des Normaltarifes stützt sich das Gericht auf den Modus am Anmietort in 04158 Leipzig nach der Schwackeliste für das Jahr 2015. Die geltend gemachten Kosten entsprechen den Kosten nach der Schwackeliste für ein Fahrzeug der niedrigsten Mietwagenklasse und sind daher aus den vorgenannten Gründen angemessen. Da bereits lediglich Kosten für ein Fahrzeug der untersten Mietwagenklasse geltend gemacht wurden, kommt ein Abzug für eine Eigenersparnis nicht in Betracht.

4.
Die Erstattung der restlichen vorgerichtlichen Anwaltskosten steht dem Kläger nach §§ 286, 280 BGB als Verzugsschaden zu. Diese Kosten sind der Höhe nach unstreitig. Da sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Beauftragung bereits im Verzug der Leistung befand, erstreckt sich deren Ersatzpflicht auch auf die Kosten des nach Verzugseintritt mandatierten Rechtsanwalts, da seine Beauftragung dem adäquaten Kausalverlauf entspricht (Grüneberg in Palandt, BGB, § 286 Rn. 45).

5.
Der Zinsanspruch stützt sich als Verzugsschaden ebenfalls auf §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 280 Abs. 1, Abs. 2, 288 Abs. 1 sowie § 291 BGB.

6.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Ziff. 11, 711, 713 ZPO. Bei der Vollstreckbarkeitsentscheidung brauchten Schutzanordnungen nicht getroffen zu werden, da das Urteil von beiden Parteien unzweifelhaft nicht mit einer statthaften Berufung angefochten werden kann.

7.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2, 39 ff. GKG, § 3 ZPO.

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Bedeutung für die Praxis:  Das Gericht setzt sich zunächst mit mehreren Angriffen auf die Berechtigung der Anmietung und Abrechnung als Schadenersatzforderung gegenüber der beklagten Haftpflichtversicherung auseinander. Die Beklagte greift die grundsätzliche Notwendigkeit der Ersatzanmietung ebenso an wie die Dauer der Anmietung und die Gültigkeit des Mietvertrages. Die Argumente der Beklagten gegen die Anwendung der SchwackeListe-Automietpreisspiegel werden zurückgewiesen. Ungeeignet sind die hierzu vorgelegten Internetbeispiele vor allem wegen der Gültigkeit anderer Mietbedingungen und Leistungen, wegen anderer Inklusiv-Kilometer, eines anderen Anmietzeitraumes, wegen fester Mietdauer oder unklaren Informationen zum angebotenen Fahrzeug. Der Vortrag der Beklagten zeige nicht auf, dass ein vergleichbares konkretes dem Anspruch entsprechendes Fahrzeug zum Anmietzeitpunkt günstiger gewesen wäre. Diese Sichtweise kann jedoch nicht überzeugen, denn auch wenn das so wäre, würde das die Anwendbarkeit einer Schätzgrundlage nicht erschüttern, da dort ein Mittelwert gebildet und angewendet wird, um niedrige und hohe Preise des Marktes zur Bestimmung des Schadenersatzanspruches auszugleichen. Kein Geschädigter ist zur Marktforschung verpflichtet, um das günstigste Angebot zu finden. Die Einholung eines Gutachtens wird abgelehnt. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind zu erstatten, da sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Anwaltsbeauftragung bereits in Verzug befand.