Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 37-16

 

Amtsgericht Leipzig 103 C 8912/15 vom 20.04.2016

1. Die Beklagte kann nicht damit durchdringen, einen restlichen Schadenersatz zu verweigern, weil die Mietwagennutzung nicht erforderlich gewesen sei.
2. Die weiteren Einwände der Beklagten zur Möglichkeit der Vorfinanzierung durch den Geschädigten, zur Länge der Mietdauer, zur Eingruppierung des Fahrzeuges und zur Erforderlichkeit der Zusatzleistung wintertauglicher Bereifung sind nicht durchgreifend.
3. Der Tatrichter kann zur Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten auf die Schwackeliste-Automietpreisspiegel zurückgreifen.
4. Eine Verpflichtung zur Erkundigung nach günstigeren Angeboten besteht für den Geschädigten, wenn der Tarif mindestens 50 % über dem Modus der Schwackeliste liegt, sofern die Anmietung am Tag des Unfalls stattfindet.
5. Vorgelegte Alternativangebote erschüttern die Anwendbarkeit der Schwackeliste nicht, da sie mit der Anmietung nicht vergleichbar sind.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Leipzig spricht restliche Klageforderung aufgrund Mietwagenkosten weitestgehend zu. Dabei wendet das Gericht zur Schätzung nach § 287 ZPO die Schwackeliste an und weist die dagegen gerichteten Argumente der Beklagten zurück.

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Amtsgericht Leipzig 103 C 8912/15 vom 20.04.2016


Im Namen des Volkes



Endurteil



In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richterin am Amtsgericht XXX
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 04.03.2016 am 20.04.2016

für Recht erkannt:

1.    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.255,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.03.2015 zu zahlen.

2.    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.

4.    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Beklagte kann die Sicherheitsleistung in Form einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft eines europäischen Bankhauses erbringen.

Beschluss



Der Streitwert wird auf 1.395,10 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 29.12.2014 in Anspruch.

Die 100-prozentige Haftung der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig.

Bei dem Unfall am 29.12.2014 gegen 10.25 Uhr in Nürnbrecht-Winterborn wurde das Fahrzeug des Geschädigten XXX, ein Opel Vectra, beschädigt. Der Geschädigte mietete bei der Klägerin ein Ersatzfahrzeug noch am Unfalltag an. Bei dem Ersatzfahrzeug handelte es sich um einen BMW 116 i. Mit Abschluss des Mietvertrags trat der Geschädigte XXX seine Schadenersatzansprüche auf Erstattung der Mietwagenkosten an die Klägerin ab, welche die Abtretung angenommen hat. Insgesamt erstreckte sich die Anmietung über 14 Tage. Nach dem ersten Mietvertrag folgte ein Anschlussmietvertrag. Die Klägerin erstellte über die Vermietung zwei Rechnungen unter dem 12.01.2015, die mit Beträgen von 1.392,78 € jeweils enden.

Die Beklagte zahlte mit Abrechnungsschreiben vom 16.02.2015 einen Teilbetrag von 434,00 € für 7 Tage, einen weiteren Teilbetrag wiederum in Höhe von 434,00 € für weitere 7 Tage am 07.08.2015.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie dürfe die Abrechnung der Mietwagenrechnung auf Grundlage der Schwackeliste für das in Rede stehende Postleitzahlengebiet durchführen. Die Schwackeliste sei als Schätzgrundlag geeignet. Sie macht daher geltend 2 Wochenpauschale á 812,00 €, zusammen 1.624,00 €, 14 Tage Zusatzfahrer á 12,00 € =168,00 €,  4 Tage Navigationsgerät á 10,00 € = 140,00 €, 14 Tage Kaskoversicherung a 23,65 € = 331,10 EUR, mithin 2.263,10 € abzgl. gezahlter 868,00 €, mithin 1.395,10 €.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.395,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.03.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

Klageabweisung.

Sie ist der Auffassung, der Klägerin stehe kein weiterer Schadensersatzanspruch zu. Sie bestreitet, dass die Schwacke-Mietpreisliste eine geeignete Schätzgrundlage darstelle, da die ihr zugrunde liegende Ermittlungsmethode nicht anerkannten statistischen Regeln entspreche. Abzustellen sei als Schätzgrundlage auf die Erhebung des Fraunhofer Institutes. Sie behauptet, der Kläger habe bei der Avis Autovermietung in Gummersbach, bei der Europcar Autovermietung in Gummersbach und bei der Sixt Autovermietung in Gummersbach zu wesentlich niedrigeren Preisen einen Mietwagen der Gruppe 6 erhalten können.

Auf die Anlagen B 5, B 6 und B 7 wird diesbezüglich Bezug genommen.

Es sei ein durchschnittlicher Betrag von 10 % bei klassengleicher Anmietung abzuziehen.

Darüber hinaus bestreitet sie, dass der Mieter/Geschädigte nicht in der Lage gewesen sei, die Mietwagenkosten zum Normaltarif aus eigenen Mitteln vorzufinanzieren. Sie bestreitet, dass die Inanspruchnahme des Mietfahrzeuges für 14 Tage erforderlich gewesen sei.

Sie bestreitet die Eingruppierung des geschädigten Fahrzeugs sowie der angemieteten Fahrzeuge in die jeweiligen Gruppen. Kosten für Winterreifen seien nicht erstattungsfähig, ebenso die Kosten für einen zweiten Fahrer und das Navigationsgerät.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.03.2015.

Entscheidungsgründe



Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet aus §§ 115, 398 VVG.

Die Beklagte ist für den Verkehrsunfall vom 29.12.2014 unstreitig zu 100 % einstandspflichtig. Sie kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Mietwagennutzung nicht erforderlich gewesen sei oder die Dauer der Anmietung nicht erforderlich gewesen sei, da sie auf die Mietwagenkosten bereits für 14 Tage einen Gesamtbetrag von 868,00 € gezahlt hat. Der Geschädigte kann vom Geschädigten und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB im Rahmen des erforderlichen Herstellungsaufwandes diejenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein wirtschaftlich denkender verständiger Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf.

Darauf kann sich die Klägerin nach erfolgter Abtretung ebenfalls berufen.

Die Festsetzung der Höhe des Schadensersatzanspruches ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO zuständigen Tatrichters. Die Art der Schätzgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Nach bisher allgemein herrschende Rechtsprechung kann der Tatrichter in der Ausübung dieses Ermessens auf die Schwacke-Mietpreisliste im maßgeblichen Postleitzahlengebiet zurückgreifen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Dresden, die zwar im Wandel befindlich ist, momentan aber in den einzelnen Senaten nicht einheitlich gehandhabt wird, ist der Geschädigte eines Verkehrsunfalls unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu Nachfrage nach günstigeren Tarifen nur dann verpflichtet, wenn der ihm angebotene Tarif mindestens 50 % über dem Modus der Schwackeliste des Unfalljahres liegt, zumindest, wenn die Anmietung wie hier sofort am selben Tag erfolgt ist.

Aus der Schwackeliste ergibt sich die Einstufung des klägerischen Fahrzeuges und auch die Einstufung der angemieteten Fahrzeuge in den Mietwagengruppen 7 bzw.6. Da die Beklagte ja auch Vergleichsangebote für die Mietwagengruppe 6 vorgelegt hat, ist sie mit ihrem Einwand, das angemietete Fahrzeug sei nicht der Mietpreisgruppe 6 der Schwackeliste zuzuordnen, nicht zu hören. Das ist widersprüchlicher Vortrag. Selbst wenn man zugrunde legt, dass das klägerische Fahrzeug aufgrund der zurückgelegten Laufleistung nur in Fahrzeuggruppe 6 einzuordnen ist, ist festzuhalten, dass die angemieteten Fahrzeuge in der gleichen Mietpreisklasse liegen. Zur Anmietung eines Fahrzeuges einer niedrigeren Klasse ist der Kläger nicht verpflichtet.

Für das Postleitzahlengebiet 515, dem der Geschädigte unterliegt, ergeben sich Mietpreise für die Gruppe 6 zwischen 109,00 € und 189,50 €, bei der Wochenpauschale zwischen 580,00 € und 812,00 €.

Die hier geltend gemachten Wochenpauschalen von 812,00 € liegen somit noch in dem ermittelten Bereich der Schwacke-Mietpreisliste und nicht 50 % darüber.

Das Gericht hält die Erklärung des Geschädigten, dass er nicht in der Lage gewesen sei, die Mietwagenkosten vorzufinanzieren, für ausreichend. Da es sich um eine Anmietung um die Weihnachtszeit handelt, sind auch Kosten für Winterreifen nicht zu beanstanden.

Eine Vernehmung des Geschädigten hätte nicht zu einer anderen Aussage geführt. Beweisanträge dafür, dass der Geschädigte doch im Besitz einer Kreditkarte war und in der Lage gewesen sei, die Mietwagenkosten vorzufinanzieren, sind nicht gestellt.

Der Nachweis der Erforderlichkeit des Navigationsgerätes ist nicht erbracht, so dass dieser Betrag von der Klagsumme abzuziehen ist. Dass das Fahrzeug auch von der Ehefrau des Geschädigten geführt werden durfte, ist nicht zu beanstanden.

Soweit die Beklagte die Klägerin auf günstigere Anmietmöglichkeiten verweist, ist dies unbeachtlich. Die Beklagte hat keinerlei Mietangebote für den in Rede stehenden Mietzeitraum vorgelegt, sondern für einen Zeitraum knapp 2 Jahre später, so dass eine Vergleichbarkeit nicht gegeben ist.

Der Klageabweisungsbetrag fällt hinsichtlich der Gesamtentscheidung nicht ins Gewicht, so dass die Beklagte die gesamten Kosten des Verfahrens zu tragen hat, § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 704, 709 ff. ZPO.

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Bedeutung für die Praxis: Da die Werte der favorisierten und von der Klägerin angewandten Liste nicht erheblich überschritten wurden, ist dem Geschädigten auch keine Verletzung der Erkundigungspflicht vorzuwerfen. Das Amtsgericht sieht zudem die Schwackeliste nicht als erschüttert an, wenn die Beklagte Alternativangebote aufzeigt, die nicht vergleichbar sind. Hier stellt sich allerdings die Frage, inwieweit Alternativangebote, die vergleichbar wären, eine Schätzgrundlage erschüttern könnten. Werden dem entscheidenden Gericht nach langer Zeit Angebote aufgezeigt, die tatsächlich regional und damals verfügbar waren und auch in Bezug auf die Leistung vergleichbar wären, ist eine Schätzgrundlage damit noch immer nicht zu erschüttern. Denn jede Schätzgrundlage enthält selbst diese Information, dass es auch günstigere Angebote als den Modus oder den rechnerischen Mittelwert gibt (Bandbreite zwischen Minimum und Maximum, geschätzt wird mit einem statistischen Wert wie dem Mittelwert). Wie soll ein Beleg für solch ein günstiges Angebot aus der Bandbreite der erhobenen Werte (oder einige solche Belege) den Mittelwert erschüttern können? Das ist unlogisch. Zur Reduzierung seiner Forderung kann lediglich das Folgende führen: a) der Nachweis, dass der Geschädigte ein ihm bekanntes und zumutbares günstigeres Angebot ausgeschlagen hat und darüber hinausgehende Forderungen stellt oder aber b) der Erhalt eines erheblich überteuerten Angebotes, die Missachtung der sich daraus ergebenden Erkundigungspflicht nach günstigen Angeboten und eine deshalb als überhöht zu betrachtende Forderung gegen den Haftpflichtversicherer.