Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 4-16

Amtsgericht Landshut 2 C 1389/15 vom 08.01.2016

1. Das Gericht und das zuständige Berufungsgericht schätzen die Mietwagenkosten anhand der Schwackeliste.
2. Der BGH hat nicht entschieden, dass nur die Fraunhoferliste angewendet werden könne.
3. Die Fraunhoferwerte rekrutieren von Internetanbeitern in der Stadt Landshut. Außerhalb der Stadt sind diese Vermieter jedoch nicht präsent. Hier vermietet der Mittelstand, dessen Angebote bei Fraunhofer unterrepräsentiert bzw. weggelassen worden sind.
4. Durch die bei Fraunhofer in 2-stelligen PLZ-Gebieten zusammengefassten Werte werden in weiträumigen Gebieten lediglich Internetpreise ausgewiesen, das schließt die Anwendung der Fraunhoferwerte aus.
5. Selbst die von den Beklagten in Prozesse eingebrachte Internetwerte zeigen auf, dass die Fraunhofer-Werte zu niedrig liegen.
6. Die von der Beklagten vorgelegten Angebote eines Vergleichsportales sind keine konkreten vergleichbaren Mietwagenangebote, sie stammen von einem Broker und nicht von einem Autovermieter.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Landshut spricht sich gegen die Anwendbarkeit der Werte der Fraunhoferliste aus. Für den ländlichen Raum gelte das bereits aufgrund des Fehlens solcher Angebote außerhalb der städtischen Zentren.

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Amtsgericht Landshut 2 C 1389/15 vom 08.01.2016


Im Namen des Volkes



Urteil



In dem Rechtsstreit


XXX

gegen

XXX

wegen Schadensersatz

erlässt das Amtsgericht Landshut durch die Richterin am Amtsgericht XXX am 08.01.2016 auf Grund des Sachstands vom 30.12.2015 folgendes


 
Endurteil



(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)


1.     Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 409,63 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.08.2015 zu zahlen.

2.     Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Beschluss

Der Streitwert wird auf 409,63 € festgesetzt.


 
Entscheidungsgründe



Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet; der Kläger hat Anspruch auf Bezahlung der weiteren ihm in Rechnung gestellten Mietwagenkosten. Diese sind nämlich noch niedriger als der ortsübliche Mietpreis.

Die für die Entscheidung zuständige Richterin beim Amtsgericht Landshut und die Berufungskammer des Landgerichts Landshut schätzen die ortsüblichen Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs in der Regel nach der Liste „Schwacke", vor allem dann, wenn der Geschädigte wegen fehlender Verkehrssicherheit des beschädigten Fahrzeugs dringend auf ein Ersatzfahrzeug angewiesen ist. Der Bundesgerichtshof hat nämlich nicht entschieden, dass nur die Liste „Fraunhofer" für eine Schätzung zugrunde gelegt werden kann. Auch der Mietpreisspiegel „Schwacke" kann eine geeignete Grundlage sein. Dass der Liste „Schwacke" im Bezirk des Amtsgerichts Landshut eher der Vorzug gegeben wird, beruht auf folgenden Überlegungen:

a)     Im Bezirk des Amtsgerichts Landshut sind die im Internet buchbaren großen Autovermietungen praktisch nur in der Stadt Landshut vertreten. Im gesamten Landkreis Landshut erfolgt die Vermietung von Ersatzfahrzeugen fast ausschließlich durch die mittelständischen Autohäuser als Nebenangebot von Handel und Reparatur von Fahrzeugen. Dies führt dazu, dass das Angebot im Landkreis Landshut mit dem - unterstellten - Angebot der „Fraunhofer''-Liste nicht zusammen passt.

b)    Die Liste „Fraunhofer" berücksichtigt nur die ersten beiden Ziffern des Postleitzahlgebietes. Dies führt aber dazu, dass völlig unterschiedlich strukturierte Gebiete als vergleichbar behandelt werden, obwohl sie nicht vergleichbar sind. Zum Postleitzahlgebiet 84... gehört die Stadt Landshut mit einem angemessenen Angebot des Öffentlichen Personennahverkehrs: Es gibt ein ganz ordentlich funktionierendes städtisches Busnetz, in das auch die angrenzenden Gemeinden Ergolding, Altdorf und Kumhausen mit ihren Siedlungskernen einbezogen sind. Außerdem gibt es von Landshut aus tagsüber zweimal je Stunde einen Regionalexpress oder eine vergleichbare Zugverbindung nach München und stündlich einen Bus zum Flughafen München. Zum Postleitzahlgebiet 84... gehören ferner einige Gemeinden, die noch zum unmittelbaren Einzugsgebiet des Flughafens München zählen. Es gibt schließlich sogar einige vom Tourismus geprägte Orte im „Niederbayerischen Bäderdreieck". Es gibt aber auch viele mehr oder weniger abseitig gelegene Ortschaften, die über nahezu keinen Öffentlichen Personennahverkehr außerhalb der Schulbuslinien verfügen.

Die Liste „Fraunhofer" begründet die Beschränkung auf die ersten beiden Ziffern des Postleitzahlgebietes damit, dass sonst zu wenige Daten für eine Durchschnittsbildung erhoben werden könnten. Genau dies ist aber ein Zeichen für die jedenfalls im Bezirk des Amtsgerichts Landshut ortsübliche Preisbildung: Es gibt außerhalb der Stadt Landshut einfach zu wenig konkurrierende Vermietangebote, so dass der ortsübliche Tarif de facto von wenigen Unternehmen bestimmt wird.

Auch wenn mehr Wettbewerb wirtschaftspolitisch wünschenswert wäre, so lässt sich dies nicht durch gerichtliche Entscheidungen herbeiführen, weil - außerhalb der Stadt Landshut - gar nicht die Nachfrage ausreichend hoch wäre, dass mehr Unternehmen wirtschaften könnten: Aufgrund der eingeschränkten Angebote des Öffentlichen Personennahverkehrs verfügen fast alle hier wohnenden Erwachsenen über ein Fahrzeug, und Gäste reisen ebenfalls mit einem Fahrzeug an. Zur Anmietung eines Fahrzeugs kommt es deshalb - außerhalb der Stadt Landshut - in der Regel nur, wenn das eigene Fahrzeug in eine Werkstätte gebracht werden muss oder für besondere Bedürfnisse ein besonderes Fahrzeug angemietet wird (z.B. ein Wohnmobil für einen Urlaub oder ein Transporter für einen Umzug).

c)    Immer wieder - so auch im vorliegenden Verfahren - zeigt sich, dass von den Versicherungen vorgelegte Alternativangebote aus dem Internet mehr oder weniger deutlich über den Angaben in der Liste „Fraunhofer" liegen. Wie sich dann die „Durchschnittswerte" nach Fraunhofer errechnen sollen, bleibt vollkommen unklar.

Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten ergibt sich keine andere Wertung:

Die von den Beklagten vorgelegten Angebote sind nämlich nicht zu berücksichtigen. Sie stammen aus einem „Vergleichsportal" und sind deshalb einem Sondermarkt zuzuordnen. Und sie stammen auch nicht von einem Vermietunternehmen selbst, sondern von einem „Broker", also einem Makler, der mit den Vermietunternehmen Sonderkonditionen aushandelt. Dies zeigt sich daran, dass er - trotz der Provision für seinen Einsatz - niedrigere Preise anbieten kann, als sie bei einer Anmietung im Internet bei demselben Vermietunternehmen in Rechnung gestellt würden.

Auch das von den Beklagten angebotene Beweismittel ist nicht zu berücksichtigen. Dann die Frage, ob ein bestimmtes Fahrzeug bei einem oder mehreren in Landshut ansässigen Autovermietunternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügbar gewesen ist oder nicht, bedarf keinerlei sachverständiger Würdigung. Die Befragung der Mitarbeiter oder Lizenznehmer der Autovermieter ist eine Tätigkeit, welche das Gericht selbst vornehmen kann und dann auch im Wege des Zeugenbeweises vorzunehmen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11 ZPO und § 713 ZPO.

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Bedeutung für die Praxis: Das Gericht befasst sich nicht mit der Frage, ob ein Geschädigter auf Internetbuchungen zu verpflichten ist. Bereits weil es außerhalb einer größeren Stadt solche Internetangebote nicht mehr gibt, können Fraunhoferwerte nicht zur Schätzung von Mietwagenkosten verwendet werden. Eine solche Argumentation ist in vielen anderen Fällen geeignet, einen Mietwagenanspruch oberhalb der Fraunhofer-Werte zu begründen.