Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 42-15

 

Amtsgericht Wetzlar 32 C 569/15 vom 24.09.2015

1. Das allgemeine Bestreiten der Beklagten dazu, dass der Geschädigte über kein anderes Fahrzeug verfügt habe und somit die Ersatzmiete nicht erforderlich gewesen sei, wird zurückgewiesen. Die Erforderlichkeit ergibt sich durch den Verbrauch von 1.300 Kilometern.
2. Die Rechtsprechung des BGH und des Landgerichts Limburg lassen zur Schätzung erforderlicher Kosten nach § 287 ZPO die Nutzung der Schwackeliste zu, die das Gericht anwendet.
3. Eine Überlegenheit der von der Versicherung favorisierten Fraunhoferliste erkennt das Gericht schon wegen der PLZ-Vergröberung nicht.
4. Beklagtenseits vorgelegte Internetangebote sind unzureichend, denn die Anmietzeitpunkte und die Anmietorte sind entweder falsch oder nicht angegeben. Es sind dort auch feste Anmietzeiträume gewählt, die Verfügbarkeit sowie der Preis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Ersatzmobilität sind nicht erkennbar.
5. Aufgrund des unkonkreten Sachvortrages ist kein Sachverständigengutachten einzuholen.
6. Das Gericht weist auf das Manko hin, dass die Beklagte zu ihren Behauptungen keinen Zeugenbeweis angeboten habe.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Wetzlar wendet wiederholt die Schwackeliste zur Schätzung der Mietwagenkosten nach einem Unfall an. Der Vortrag der Beklagten pro Fraunhofer wird zurückgewiesen.

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Amtsgericht Wetzlar 32 C 569/15 (32) vom 24.09.2015


Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX


hat das Amtsgericht Wetzlar durch den Richter am Amtsgericht XXX aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.07.2015 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 687,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen.


Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht aus einem Unfallgeschehen vom 12.01.2015 auf der Autobahn in Höhe Herborn auf Zahlung restlicher Mietwagenkosten in Anspruch. Das alleinige Verschulden der Beklagten am Zustandekommen des Unfalls ist unstreitig. Der Geschädigte, der Zeuge XXX, mietete vom 13.01.2015 bis 26.01.2015 einen Mietwagen an. Gleichzeitig mit Abschluss des Mietvertrages trat der Bschädigte seinen Schadensersatzansprüche auf Erstattung der Mietwagenkosten an die Klägerin ab. Diese rechnete unter dem 26.01.2015 einen Betrag in Höhe von 2.205,38 € ab, von dem die hinter der Beklagten stehende Haftpflichtversicherung lediglich einen Betrag in Höhe von 931,- € zahlte. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger einen restlichen Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten in Höhe von 687,32 € geltend, wegen dessen Zusammensetzung auf Bl. 3 der Akte verwiesen wird. Hierbei rechnet er seinen Schadensersatzanspruch auf Grundlage der Schwacke-Liste ab. Der Geschädigte, der Zeuge XXX, legte mit dem Mietwagenfahrzeug während der Mietzeit eine Strecke von ca. 1.300 Kilometern zurück. Am 11.02.2015 ließ der Geschädigte XXX ein neues Fahrzeug auf sich zu.

Der Kläger ist der Auffassung, der SchwackeListe sei bei der Berechnung der Mietwa genkosten gegenüber der Frauenhofer Liste Vorzug zu geben. Der Zeuge XXX habe das Mietfahrzeug ebenfalls für den Zeitraum vom 13.01.2015 bis 26.01.2015 benötigt. Unstrittig wurden aufgrund eines eingeholten Gutachtens vom 15.01.2015 16 - 17 Arbeitstage für Reparaturarbeiten veranschlagt. Auch die Kosten der Winterbereifung seien zu erstatten. Es sei ausschließlich in diesem Zusammenhang darauf abzustellen, dass die Mietwagenfirmen diese Sonderausstattung auch gesondert in Rechnung stellten, wie das OLG Köln bereits bestätigt habe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 687,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Mietwagenkosten seien schon überobligatorisch reguliert worden. Zunächst werde bestritten, dass der Zeuge XXX über kein anderweitiges Fahrzeug verfügt habe. Dies ergebe sich daraus, dass die Zulassung des ersatzweise angeschafften Fahrzeuges erst 16 Tage nach der Rückgabe des Mietwagens erfolgt sei. Die in Rechnung gestellte Mietwagenkosten seien übersetzt. Es sei die Frauenhover-Liste zugrunde zu legen, woraus sich ergebe, dass die Mietwagenkosten bereits abgegolten seien. Des Weiteren hätte die Klägerseite selbst das Mietfahrzeug günstiger anmieten können. Beispielsweise bei Europcar hätte man für 14 Tage ein vergleichbares Fahrzeug für 792,- € erhalten. Bei Six bekomme man ein vergleichbares Fahrzeug für 719,89 € für 14 Tage. Zum Beweis hierfür bietet der Beklagte Einholung eines Sachverständigengutachtens an.

Darüber hinaus bestreitet er die Kosten für die Winterbereifung. Diese könnten nicht verlangt werden, da dem Autovermieter zuzumuten sei, das Fahrzeug entsprechend der Saison auszustatten, ohne dass hierfür zusätzliche Kosten entstünden.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Zahlung restlicher Mietwagenkosten in zugesprochener Höhe gegen die Beklagte zu (§§ 535, 398 BGB).

Die Haftung dem Grunde nach steht zwischen den Parteien nicht in Streit.

Soweit die Beklagtenseite die Erforderlichtkeit der Anmietung des Mietwagens bestreitet, kann das Gericht der Beklagtenseite insoweit nicht folgen. Allein der Umstand, dass der Zedent nach Rückgabe des Mietfahrzeuges am 26.01.2015 16 Tage wartete, bis er sich einen Ersatzwagen anschaffte, ist kein Beweis dafür, dass die Inanspruchnahme des Mietwagens nicht erforderlich war. Die Klägerseite trägt insoweit unwidersprochen vor, dass der Zedent mit dem Ersatzfahrzeug während der Mietzeit ca. 1.300 Kilometer zurückgelegt hat. Insofern ist die Erforderlichkeit ausreichend dargetan.

Der Klägerin steht auch ein Anspruch in zugesprochener Höhe zu. Denn nach ständiger Rechtsprechung kann der Geschädigte als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und erforderlich halten darf. Das Gericht nimmt eine entsprechende Schätzung im Rahmen von § 287 ZPO nach Maßgabe der sogenannten Schwacke Liste vor. Es ist anerkannt, dass solche Schätzungen anhand entsprechender Listen erfolgen können. Soweit die Beklagte Einwendungen gegen die Schwacke Liste anführt und die Frauenhofer Studie bevorzugt, vermag das Gericht eine Überlegenhelt dieser Studie in ständiger Rechtsprechung nicht zu erkennen. Hervorzuheben ist insbesondere die Vorzugswürdige Einteilung in 3-steilige Postleitzahlenbereiche in der Schwacke-Liste. Die obergerichtliche Rechtsprechung hält eine Heranziehung beider Listen im Rahmen von Schätzungen für zulässig. Auch steht dieser Entscheidung nicht das Urteil des Landgerichts Limburg vom 29.07.2011 entgegen. Zwar favorisiert das Landgericht Limburg die Frauenhofer Studie, hält eine Heranziehung aber gleichermaßen ausdrücklich für zulässig.


Der Heranziehung der Schwacke-Liste stehen nicht die von Beklagtenseite vorgelegten Mietwagenangebote entgegen. Diese sind zum einen offensichtlich lediglich Internetangebote und betreffen zumindest bzgl. des Angebots der Firma Sixt sowohl einen anderen als den streitgegenständlichen Anmietzeitraum als auch eine völlig andere Region (Gummersbach). Bei dem weiteren Angebot der Firma Europcar ist überhaupt kein Anmietzeitraum aufgeführt, ein Gebiet ist ebenfalls nicht angegeben. Insoweit sind diese Internetangebote überhaupt nicht aussagekräftig. Hinzu kommt, dass die vorgelegten lnternetangebote die Anmietung auf einen bestimmten Zeitraum beschränken. So werden konkrete Daten genannt, wann die Fahrzeuge abgeholt und wieder zurückgegeben werden müssen. Dies bedeutet, dass die angeführten Mietwagenunternehmen gerade in den genannten Zeiträumen über die angebotenen Kraftfahrzeuge verfügten und für diese Verfügbarkeit der konkrete niedrigere Mietpreis verlangt werden konnte. Ob dies auch in dem streitgegenständlichen Anmietzeitraum der Fall war, wird hierdurch nicht belegt. Die vorgelegten lnternetangebote sind daher nicht aussagekräftig, sodass der insoweit angebotene Sachverständigenbeweis nicht zu erheben war.

Im Übrigen ist nicht verständlich, weshalb die Beklagte zu ihren Behauptungen nicht die jeweiligen Geschäftsführer der von ihr benannten Mietwagenunternehmen als Zeugen benennt.

Nach alledem ist die Beklagtenseite verpflichtet, den nach dem Schwacke­Mietpreisspiegel ermittelten restlichen Mietwagenpreis in Höhe von 687,32 € zu zahlen. Entgegen der Auffassung der Beklagteseite besteht auch eine Zahlungspflicht hinsichtlich der berechneten Winterreifen. Dies ist ausschließlich in diesem Zusammenhang darauf abzustellen, dass die Mietwagenfirmen diese Sonderausstattung auch gesondert in Rechnung stellen.

Die Beklagte befindet sich aufgrund des Ablehnungsanschreibens vom 31.03.2015 ab dem 01.04.2015 in Verzug, sodass sie ab diesem Zeitpunkt den geltend gemachten gesetzlichen Zinssatz als Verzugsschaden zu zahlen hat.


Der Ausspruch über die Kosten und über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Bedeutung für die Praxis: Das Amtsgericht verweist darauf, dass die Anwendung der Schwackeliste auch dann möglich ist, wenn das Berufungsgericht in einer Entscheidung der Vergangenheit die Fraunhoferliste angewandt hatte. Dazu prüfte das Gericht den Vortrag der Beklagten daraufhin ab, ob auf den Fall bezogene erhebliche Auswirkungen der von ihr behaupteten Mängel einer Schätzgrundlage vorgetragen wurden. Da die Beklagte ihren Vortrag nicht auf den Fall bezog, sondern ihn mit unpassenden und nicht vergleichbaren Screenshots zu Internetangeboten und im Übrigen allgemein vorbrachte, blieb das Gericht bei seiner ständigen Rechtsprechung und wandte die Schwackeliste an.

 

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