Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 11-15

 

Landgericht Dresden 3 S 480/14 vom 20.02.2015

1. Zu erstatten sind die Kosten, die ein wirtschaftlich denkender Geschädigter in seiner Lage für notwendig halten darf.
2. Der Geschädigte muss keine umfassende Marktanalyse durchführen.
3. Im konkreten Fall kann keine umfangreiche Internetrecherche vor Fahrzeuganmietung gefordert werden.
4. Hätte  der  Geschädigte  statt  dessen  die  vom  BGH  bestätigte  Schwackeliste  eingesehen,  wären  demnach  die  sich  aus  dem Mietverhätlnis entstandenen Forderungen berechtigt.

Zusammenfassung:  Die Berechtigung der Mietwagenforderung wird hier anhand der Schwackeliste geprüft und bestätigt.

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Landgericht Dresden 3 S 480/14 vom 20.02.2015
(Vorinstanz Amtsgericht Dresden 116 C 574/14)

Im Namen des Volkes



Urteil



In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

wegen Schadenersatz

hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Dresden durch Richter am Landgericht XXX als Einzelrichter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2015 am 20.02.2015 für RECHT erkannt:


I.   Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 17.07.2014 -116 C 574/14- wie folgt abgeändert:

1.    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.108,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz hieraus seit dem 07.02.2014 0 zu zahlen.

2.    Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten In Höhe von 169,50 € freizustellen.

3.    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.   Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen

III.   Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 9 % und die Beklagte 91 % zu tragen.

IV.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V.    Die Revision wird nicht zugelassen.



Gründe:



I.



Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.1. § 3131a ZPO abgesehen.



II.



Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg. Streitig ist, ob die restlichen Mietwagenkosten, die die Klägerin aus abgetretenem Recht zur Zahlung beansprucht, der Höhe nach berechtigt sind.

1.     Ausgangspunkt der Überlegung bei der Bemessung der Mietwagenkostet ist § 249 Abs. 2 BGB. Danach kann im Falle der Beschädigung einer Sache statt der Herstellung der erforderliche Geldbetrag beansprucht werden.

Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH (BGH VersR 2013/730; BGH, Urteil vom 12. Oktober 2004 - VI ZR 151/03, BGHZ 160, 377, 383; vom 19. April 2005 - VI ZR 37/04, BGHZ 163, 19, 22 f.; vom 19. Januar 2010 - VI ZR 112/09, VersR 2010, 494 Rn. 5; vom 2. Februar 2010 VI ZR 139/08, VersR 2010, 545 Rn. 10 und - VI ZR 7/09, VersR 2010, 683 Rn. 8; vom  9. März 2010 - VI ZR 6/09, VersR 2010, 1053 Rn. 8) kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehrerer möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann. Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, weil er ein Kfz zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem Normaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u. Ä) allgemein einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich sind. Inwieweit dies hier der Fall ist, hat der bei der Schadensberechnung nach § 287 besonders frei gestellte Tatrichter zu schätzen, wobei unter Umständen auch ein pauschale Zuschlag auf den "Normaltarif' in Betracht kommt (BGH vom 19. Januar 2010 - VI ZR 112/09; vom 2. Februar 2010 - VI ZR 7/09, vom 9. März 2010 - VI ZR 6/09, aaO; vom 12. April 2011 VI ZR 300/09, VersR 2011, 769 Rn. 18; vom 18. Dezember 2012 - VI ZR 316/11).

2.    Bei der Anmietung eines Ersatzwagens ist der Geschädigte nicht dazu verpflichtet, in eine umfängliche Marktanalyse einzusteigen. Es genügt, wenn er sich im Groben ins Bild setzt und kritisch hinterfragt, ob der Mietpreis als angemessen erscheint. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass eine umfangreiche Internetrecherche vor Anmietung des Fahrzeuges durch die Geschädigte nicht gefordert werden kann, so dass es auch als ausreichend anzusehen ist, wenn beispielsweise die jeweils aktuelle Schwacke-Liste, die nach der Rechtsprechung des BGH ein geeignetes Mittel zur Schätzung der Mietwagenkosten darstellt, zur Hand genommen wird und man sich über die gängigen Mietwagenpreise über diesen Weg informiert. Denn wenn die Schwacke-Liste als taugliches Schätzungsmittel für die Gerichte angesehen wird, dann muss dies auch ein taugliches Preisermittlungsinstrument für den Geschädigten bei Anmietung eines Ersatzwagens sein. Hätte der Geschädigte dies getan, so wäre ihm aufgefallen, dass die dann später in Rechnung gestellten Mietwagenkosten den Mittelwert der jeweils gültigen Schwacke-Liste überschritten hätten. Im Schriftsatz vom17.09.2014 (BL 84 d. A.) hat die Klägerin in der Berufungsinstanz eine Berechnung nach der Schwacke-Liste 2013 nochmal dezidiert vorgenommen. Danach wären bei zwei Wochentarifen der Klasse 4 und zwei Ein-Tagestarifen einschließlich Haftungsreduzierung und Zustellkosten insgesamt 1.766 E brutto (Modus) herausgekommen. Abgerechnet wurde für den Zeitraum von 16 Tagen gemäß Mietwagenrechnung (Anlage K 4, BI. 9 d. A) 1.786,79 €. Damit wurde die Schwacke-Liste um 1,2 % überschritten. Dies ist aber unschädlich.

Das OLG Dresden vertritt hierzu nämlich in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung die Auffassung, dass dem Geschädigten erst dann ein beachtliches Missverhältnis, das Anlass für weitere Recherchen gibt, aufdrängen muss, wenn der maßgebliche Tarif der Schwacke-Liste um mindestens 50 % überschritten worden ist (OLG Dresden, Urteil vom 31.07.2013 -7 U 1952/12; Urteil vom 18.12.2013 - 7 U 606/13; Urteil vom 26.03.2014 - 7 U 110/13 -Stichwort: Autoholding). Die 3. Zivilkammer hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (LG Dresden Entscheidungen beispielhaft: 3 S 627/13, 3 S 200/14, 3 O 3153/12, 3 S 206/14, 3 S 145/14, 3 S 252/14).

Eine Überschreitung um über 50 % liegt hier nicht vor. Wegen der noch im Toleranzbereich befindlichen Überschreitung des Mittelwerts hätten hier keine Erkundigungspflichten mehr bestanden.

Damit ist der Rechnungsbetrag ersatzfähig.

3.     Der übliche 10 %-ige Abschlag an Eigenersparnis für die Anmietung eines klassengleichen Fahrzeuges ist hier in Abzug zu bringen, weil das  beschädigte Fahrzeug der Klasse 4, das angemietete Fahrzeug ebenfalls der Klasse 4 zuzuordnen ist (dazu BGH Urteil vom 17. März 1970 - VI ZR 108/68, VersR 1970, 547; vom 2. März 1982 - VI ZR 35/80, VersR 1982, 548, 549).

Daraus ergibt sich folgende Rechnung:

Rechnungsbetrag:    1.786,79 €
abzüglich 10 %         1.608,11 €
gezahlt                       500, 00 €
ergibt:                       1.108, 11€.


Nebenentscheidungen:

Die Entscheidung zu den Zinsen ergibt sich aus den Verzugsvorschriften. Der Klägerin steht als Ersatz der notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung wegen der Beauftragung eines Rechtsanwalts ein Betrag in Höhe von 1691 50 € (netto) zu (aus Streitwert 1.108,11 €, Gebührenquote 1,3). Diesen Betrag kann sie auch zur Freistellung wie erkannt beanspruchen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92, 97 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die mittlerweile ständige Rechtsprechung des OLG Dresden wird bezogen auf die Mietwagenkosten lediglich auf diesen Fall hin angewandt.

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Bedeutung für die Praxis: Das Landgericht wendet die obergerichtliche Rechtsprechung des OLG Dresden an, wonach ein Verstoß gegen die Schadenminderungsverpflichtung vorliegen kann, wenn der vereinbarte und berechnete Preis mit 50 % über den Mittelwerten der Schwackeliste auffällig hoch ist und sich der Geschädigte dann nicht nach Alternativen erkundigt hat. Da die Forderung ziemlich im Bereich des Mittelwertes lag, ist die Forderung berechtigt.