Mietwagenrecht§wi§§en aktuell KW 03 15

Landgericht München II 8 S 2650/14 vom 18.12.2014

1. Der Geschädigte hat einen grundsätzlichen Anspruch auf ein gruppengleiches Fahrzeug.
2. Der Geschädigte war dringend auf ein Ersatzfahrzeug angewiesen. Eine Pflicht zur Erkundigung nach einem günstigeren Tarif bestand aber schon deshalb nicht, weil er keine Bedenken gegen die Angemessenheit des vereinbarten Tarifes haben musste.
3. Unabhängig davon wurde bewiesen, dass kein günstigeres Angebot zugänglich gewesen ist.
4. Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Normaltarif anhand der Schwackeliste geschätzt werden.
5. Geäußerten Bedenken ist nur dann nachzugehen, wenn konkret aufgezeigt wird, dass sich behauptete Mängel erheblich auf den konkreten Fall auswirken.
6. Die von der Beklagten vorgelegten Alternativangebote sind nicht vergleichbar und stammen aus einer anderen Zeit.
7. Die Beklagte trägt das Prognoserisiko in Bezug eine mögliche Verlängerung der Repatatur- und Mietdauer.

Zusammenfassung: Das Landgericht München bestätigt ein erstinstanzliches Urteil, in welchem anstatt der sonst üblichen Fraunhoferliste die Schwackeliste als Schätzgrundlage angewandt wurde.

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Landgericht München II 8 S 2650/14 vom 18.12.2014
(Vorinstanz Amtsgericht Fürstenfeldbruck 7 C 1520/13)

Im Namen des Volkes


Urteil


In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

wegen Forderung

erlässt das Landgericht München II - 8. Zivilkammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX, die Richterin am Landgericht XXX und den Richter am Landgericht XXX am 18.12.2014 auf Grund des Sachstands vom 01.12.2014 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO folgendes


Endurteil


1.    Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 16.05.2014, Az. 7 C 
       1520/13, wird zurückgewiesen.

2.    Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3.    Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4.    Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Beschluss


Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 800,35 € festgesetzt.

Gründe


l.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird zunächst Bezug genommen. Wesentliche Änderungen oder Ergänzungen haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsgericht folgt den Gründen des angefochtenen Urteils, die sich auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens als zutreffend erweisen.

Ergänzend wird auf folgendes hingewiesen:

1.
Die Zedentin hatte Anspruch auf die Anmietung eines gruppengleichen Fahrzeugs. Das Amtsgericht hat sich hierzu ausführlich in Ziffer 1.4 des angefochtenen Urteils unter Angabe der einschlägigen BGH-Rechtsprechung geäußert. Auf die zutreffenden Ausführungen wird Bezug genommen. Die Gleichwertigkeit der Mietsache wird durch die Eingruppierung der einschlägigen Tabellenwerke dargestellt. Das Amtsgericht hat bei seiner Beurteilung im Wesentlichen auf die gewerbliche Nutzung des Fahrzeugs, das damit verbundene Repräsentationsbedürfnis der Zedentin sowie die besondere Ausstattung abgestellt. Diese Umstände rechtfertigen vorliegend die Anmietung eines gruppengleichen Fahrzeugs (Palandt, 74. Auflage, Rdn. 31 zu § 249 BGB; BGH NJW 2012, 2026).

Aus den genannten Gründen konnte die Zedentin nicht auf das mit der Klageerwiderung vorgelegte Alternativangebot verwiesen werden.

2.
Im Hinblick auf die Zugänglichkeit eines günstigeren Mietwagentarifs hat das Amtsgericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung bindend für das Berufungsgericht festgestellt, dass die Zedentin zur Wahrnehmung von Geschäftsterminen dringend auf die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs angewiesen war. Im Übrigen hat die Klägerin zur Überzeugung des Erstgerichts nachgewiesen, dass kein günstigerer Tarif zugänglich war. Eine Pflicht, sich vor der Anmietung nach dem Mietpreis und günstigeren Angeboten zu erkundigen kann nur dann angenommen werden, wenn ein Fahrzeug zu einem überhöhten, über dem Normaltarif liegenden Preis angemietet wird oder der Geschädigte Bedenken gegen die Angemessenheit des angebotenen Tarifs haben muss (Palandt, 74. Auflage, Rdn. 34 zu § 249 BGB; BGH NJW 2006, 2693). Dies war hier nicht der Fall. Selbst wenn man der Zedentin eine Obliegenheitsverletzung vorwerfen würde, hätte sich diese vorliegend nicht ausgewirkt, da sie nach den Feststellungen des Amtsgerichts nicht zu einem überhöhten Tarif geführt hätte.

3.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann bei der Bestimmung des Normaltarifs gemäß § 287 ZPO der Schwacke-Automobilpreisspiegel als Schätzgrundlage herangezogen werden (Palandt, 74. Auflage, Rdn. 33 zu § 249 BGB m.w.H.). Bedenken gegen die Schwacke-Liste sind demnach nur zu berücksichtigen, wenn konkret aufgezeigt wird, dass sich ihre Mängel auf den zu entscheidenden Fall auswirken (vgl. BGH NJW 2013, 1539). Die Beklagte hat in erster Instanz nur allgemein gehaltene, bausteinmäßig aufgeführte Einwendungen vorgebracht. In Übereinstimmung mit dem Erstgericht geht die Kammer daher davon aus, dass diesen Einwendungen keine Relevanz zukommt.

Das vorgelegte Alternativangebot ist nicht vergleichbar. Insoweit wird auf die ausführliche und zutreffende Begründung des Amtsgerichts Bezug genommen. Entgegen der Auffassung der Berufung kommt es auf das Preisgefüge zum gegenständlichen Mietzeitraum an. Die Anwendung der Listen durch den Tatrichter begegnet nur dann Bedenken, wenn die Parteien deutlich günstigere bzw. ungünstigere Angebote anderer Anbieter für den konkreten Zeitraum am Ort der Anmietung aufzeigen (BGH NJW 2013, 1539).

4.
Auch die Zustell- und Abholkosten in Höhe von 53,78 € hat das Amtsgericht zu Recht zugesprochen.

Die Beweiswürdigung ist im Berufungsverfahren nur in eingeschränktem Umfang angreifbar. Die Bindung des Berufungsgerichts an die Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil gilt nur ausnahmsweise dann nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte für fehler- oder lückenhafte Feststellungen bestehen. Solche Anhaltspunkte können sich beispielsweise dann ergeben, wenn die beweiswürdigenden Darlegungen einer nachvollziehbaren Grundlage entbehren oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen würden. Weiterhin müssen durch die konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen begründet werden (Thomas / Putzo, 35. Auflage, Rdn. 2 und 3 zu § 529 ZPO).

Entsprechende Rechtsfehler kann die Berufung nicht aufzeigen. Nach den vorgelegten Rechnungsunterlagen (Anlagen K1 und K 2) liegt die Vermiet- und Rückgabestation der Klägerin in der Nymphenburger Straße 61 in München. Die Reparatur des beschädigten Fahrzeugs wurde im Porsche Zentrum München in der Schleibingerstraße 8 durchgeführt (Anlage K 8). Der Zeuge XXX hat bestätigt, dass er das Mietfahrzeug bei ,,Porsche" (gemeint seine Werkstatt) übernommen und wieder abgegeben hat. Der Zeuge XXX hatte zwar keine konkrete Erinnerung an den Ort der Auslieferung. Er schloss jedoch aus den äußeren Umständen (Ort der Reparatur, laufende Zusammenarbeit mit dem Porsche Zentrum, Höhe der angefallenen Kosten), dass das Auto zur Werkstatt in der Schleibingerstraße verbracht und abgeholt wurde. Aufgrund dieser Gesamtumstände war die Annahme des Erstgerichts, dass die entsprechenden Leistungen erbracht wurden, von der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO gedeckt.

5.
Entgegen der Ansicht der Berufung hat sich das Amtsgericht zur Frage der Mietdauer wegen der verlängerten Reparaturzeit geäußert (Ziffer 1.3 der Urteilsgründe). Ergänzend hierzu ist auszuführen, dass die Beklagte das Werkstattrisiko trifft. Dieses beruht auf dem Gedanken, dass bei der Prüfung der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu berücksichtigen ist, dass den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und die Angelegenheit in die Hände von Fachleuten gegeben hat, so dass ihm ein unsachgemäßes oder unwirtschaftliches Arbeiten des Betriebs nicht zur Last gelegt werden kann (BGH VersR 2013, 1590). Weiter kann nicht mit der entsprechenden Sicherheit angenommen werden, dass sich die Reparaturdauer bei einem Werkstattwechsel wesentlich verkürzt hätte. Zuletzt kann nur anhand der vorgelegten Lichtbilder nicht abschließend beurteilt werden, dass das Fahrzeug verkehrssicher und fahrfähig war. Das Gutachten des Sachverständigenbüros XXX (Anlage K 17) und die Feststellungen der Werkstatt (Anlage K 8) kommen vielmehr zu dem Ergebnis, dass das Fahrzeug nach dem Unfall nur bedingt fahrfähig bis zur Werkstatt bzw. nur bedingt verkehrssicher war.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO lagen nicht vor. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 GKG, § 3 ZPO.

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Bedeutung für die Praxis: In der Urteilsbegründung finden sich viele denkwürdige Aspekte. Die Schwackeliste wird - weil nicht erschüttert - als Schätzgrundlage bestätigt. Das entspricht methodisch haargenau der BGH-Vorgabe, ebenso wie die Feststellung, dass der Geschädigte sich nicht nach anderen Angeboten erkundigen musste, da ihm kein überteuerter Preis geboten wurde. Doch eigentlich bedurfte es all dieser Überlegung gar nicht, denn es wurde zuvor bereits festgestellt, dass der Kläger bewiesen habe, dass kein günstigeres Angebot zu bekommen war.