Mietwagenrecht§wi§§en aktuell KW 38-1 14

Landgericht Berlin 42 S 73/14 vom 23.07.2014

1. Die Abtretung ist gütig, insbesondere liegt kein Verstoß gegen das RDG vor.
2. In ständiger Rechtsprechung ist die Schätzung des Normaltarifes anhand der Schwackeliste anerkannt.
3. Eine Eignung bedarf der Prüfung nur bei konkretem Sachvortrag, der Umfang der Auswirkungen der aufgestellten Behauptungen ist mit dem Verweis auf Fraunhofer oder solche Internetscreenhots nicht dargelegt.
4. Der Geschädigte musste sich nicht nach anderen Angeboten erkundigen. Da der Preis nicht vielfach überhöht war, musste er keine Bedenken haben.
5. Kosten der Zusatzleistungen sind den Tabellen der Schwackeliste zu entnehmen.
6. Wegen der Abrechung eine Fahrzeugklasse tiefer ist kein Eigenersparnisabzug vorzunehmen.

Zusammenfassung: Mit klarer Handschrift hält sich das Berufungsgericht an die BGH-Linie: Eine Schwackeschätzung wird bestätigt und die Argumente dagegen als zu allgemein und nicht auf den Fall bezogen zurückgewiesen.


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Landgericht Berlin 42 S 73/14 vom 23.07.2014
(Vorinstanz Amtsgericht Berlin 7 C 3089/13)

Urteil


In dem Rechtstreit XXX Beklagte und Berufungsklägerin gegen XXX Klägerin und Berufungsbeklagte

hat die Zivilkammer 42 des Landgerichts Berlin in Berlin-Mitte, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 18.06.2014 durch die Richterin am Landgericht XXX als Einzelrichterin für Recht erkannt:

Das am 26.03.2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte - 7 C 3089/13 - wird auf die Berufung der Beklagten, die im Übrigen zurückgewiesen wird, abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:

1.    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1161,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. April 2013 zu zahlen.

2.    Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

3.    Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 9 % und die Beklagte 91 % zu tragen.

4.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5.    Die angegriffene Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar



Gründe


I.

Von der Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.


II.

Die statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

Soweit die Beklagte mit der Berufung eine fehlerhafte Schadensbemessung der aus übergegangenem Recht geltend gemachten Mietwagenkosten rügt, ist die Entscheidung des Amtsgerichts teilweise zu beanstanden.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte als weiterer Schadensersatz gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1, 249 Abs. 2, 398 BGB in Verbindung mit § 115 VVG für entstandene Mietwagenkosten des Geschädigten XXX ein Betrag von 1161,22 € zuzüglich zuerkannter Zinsen aufgrund des Verkehrsunfalls vom 30.11.2011 zu. Dabei bestehen gegen die Aktivlegitimation der Klägerin keine Bedenken, insbesondere verstößt die Abtretung nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (vergleiche BGH, NJW 2013, 1870).

Grundsätzlich kann ein Geschädigter als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (vgl. std. Rechtsprechung u.a. BGHZ 160, 377, 383 f.; BGH, NZV 2010, 239 ff.; NJW 2013,1870 sowie KG vom 8. Mai 2014 - 22 U 119/13 -).

Der für die Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten grundsätzlich maßgebende Normaltarif kann im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO ermittelt werden, wobei die in dem Schwacke­ Automietpreisspiegel (im Folgenden: Schwackeliste) und dem Mietpreisspiegel des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (im Folgenden: Fraunhoferliste) ausgewiesenen Durchschnittsmieten herangezogen werden können. Dabei ist auch eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebungen vom tatrichterlichen Ermessensspielraum gedeckt (vergleiche BGH, NJW- RR 2010, 1251).

Der Tatrichter darf bei der Beurteilung der Erforderlichkeit von Mietwagenkosten in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarif" grundsätzlich auf der Grundlage von Listen oder Tabellen, die bei der Schätzung Verwendung finden können, ermitteln, denn die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. In ständiger Rechtsprechung ist insoweit anerkannt, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarif" grundsätzlich auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels (=arithmetische Mittel, so KG vom 8. Mai 2014 - 22 U 119/13-) des Schwacke-Mietpreisspiegels im maßgebenden Postleitzahlengebiet (gegebenenfalls mit sachverständiger Beratung) ermitteln darf (vergleiche nur BGH, Versicherungsrecht 2008, 669 ff; Versicherungsrecht 2010, 683). Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schätzung Verwendung finden können, bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (vergleiche BGH, MDR 2010, 860).

Das ist, wie der amtsgerichtlichen Entscheidung zutreffend zu entnehmen ist, hier nicht der Fall. Vorgebrachte pauschale Einwendungen gegen die Schwackeliste reichen dazu nicht. Ebenso wenig ist nach der aufgezeigten höchstrichterlichen Rechtsprechung ausreichend, dass diese Liste gegenüber der so genannten Fraunhofer-Liste unterschiedliche Werte ausweist. Gleichfalls führen die Ergebnisse der beklagtenseits angeführten Eigenrecherchen zu keinem anderen Ergebnis. Diese sind schon deshalb nicht entscheidungserheblich, da sie für einen anderen Zeitraum durchgeführt wurden und schon damit nicht vergleichbar sind. Des Weiteren ist auch nicht ersichtlich, inwieweit identische Mietbedingungen bestanden, hier schließt sich das Berufungsgericht ausdrücklich den näheren Ausführungen des Amtsgerichts an.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Geschädigte auch nicht gehalten, Vergleichsangebote einzuholen. Unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebotes ist ein Geschädigter nur dann zu einer Nachfrage nach günstigeren Tarifen gehalten, wenn sich aus dem angebotenen Tarif Bedenken gegen dessen Angemessenheit ergeben. Nur wenn die Höhe des Mietpreises weit über den Vergleichspreisen liegt und das Angebot des in Anspruch genommenen Vermieters um ein Vielfaches überhöht ist, wird sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten um eine preiswertere Möglichkeit der Anmietung bemühen. Die Frage, welche Bemühungen um einen günstigeren Tarif dem Geschädigten zuzumuten sind, ist somit maßgebend beeinflusst von der Höhe des Mietpreisangebots (vergleiche BGH vom 9. März 201O - VI ZR 6/09, zitiert nach juris). Wie das Amtsgericht bereits näher ausgeführt hat, liegt der Tarif der Klägerin sogar unter dem ermittelten relevanten Vergleichspreis, so dass sich dem Geschädigten die Unangemessenheit desselben gerade nicht aufdrängen musste und dementsprechend auch keine besondere Erkundigungspflicht im Sinne des § 254 BGB bestand.

Entgegen der Auffassung der Berufungsklägerin ist auch die ihr zunächst übersandte Rechnung der Klägerin nicht Ausdruck einer besonderen Selbstbedienungsmentalität. Wie dieser Rechnung unverkennbar zu entnehmen ist, betrifft sie ein Fahrzeug der Klasse 8, mithin dem beschädigten Fahrzeug vergleichbar, während sich die Klageforderung nur auf Kosten für ein gruppentieferes Fahrzeug bezieht (Gruppe 7), weshalb auch kein weiterer Abzug für ersparte Eigenkosten nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung angezeigt war (vergleiche hierzu Palandt-Grüneberg BGB 71, Auflage 2012, § 249 Rn. 36 mit weiteren Nachweisen). Ein weiterer Abzug widerspräche der Billigkeit und würde zu einer nicht zu rechtfertigenden Entlastung des Schädigers führen (so auch KG, 22 U 119/13 vom 08.05.2014).

Im Einklang mit der angeführten überzeugenden Rechtsprechung des KG ergibt sich unter Zugrundelegung des in der Schwackeliste ausgewiesenen arithmetischen Mittels anstelle des vom Amtsgericht bevorzugten, als zu hoch eingestuften Modus nachfolgende Gesamtberechnung:

2 x Wochenpauschalpreis (Gruppe 7 a 679,32 €):    1358, 64 €
14 Tage Winterreifen a 12,19 €:    170, 66 €
14 Tage Zusatzfahrer a 13,77 €:    192, 78 €
14 Tage Vollkasko a 26,12 €:    365, 68 €

SUMME    2087,76 €

Nachdem die Beklagte vorprozessual bereits einen Betrag von 926,54 € beglichen hat, war sie noch zur Zahlung des Differenzbetrages von 1161,22 € zu verurteilen.

Das Amtsgericht hat bei seiner Berechnung zutreffend die streitgegenständlichen Zusatzleistungen gesondert berücksichtigt, da diese generell (u.a. Winterreifen, Abholung/Zustellung, Zusatzfahrer, Anhängerkupplung, Navigationsgerät) in den Grundmieten der Schwackeliste nicht eingerechnet sind (vergleiche OLG Köln, Urteil vom 28. Januar 2014 - 15 U 85/13 -; OLG Celle, NJW - RR 2012, 802). Diese Zusatzleistungen sind dabei der jeweiligen Nebenkostentabelle der Schwackeliste zu entnehmen (vergleiche OLG Celle, NJW - RR 2012, 802; KG vom 8. Mai 2014 -22 U 119/13-), wobei jedoch auch hier das arithmetische Mittel zu wählen ist. Dabei ist insbesondere der ausgewiesene Zuschlag für Winterreifen zu berücksichtigen. Zwar schuldet der Mieter die Überlassung eines verkehrstauglichen, mithin gegebenenfalls gemäß § 2 Absatz 1 Ziffer 3a StVO mit Winterreifen ausgerüsteten Fahrzeugs. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er für eine solche Ausstattung nicht auch eine besondere Vergütung verlangen kann (vergleiche BGH, NJW 2013, 1870). Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit der Winterreifen ist zwar stets, dass diese ihrerseits erforderlich gewesen sind, um den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des eigenen PKW auszugleichen. Dies ist aber nicht nur dann der Fall, wenn das verunfallte Kraftfahrzeug mit Winterreifen ausgestattet war, sondern in allen Fällen, in denen während der Mietdauer ernstlich mit der Möglichkeit von Wetterlagen gerechnet werden muss, die mit Rücksicht auf § 2 Absatz 3a StVO eine Winterausrüstung des Mietwagens erforderlich machen. Da der Mieter Verantwortung für fremdes Eigentum übernehmen muss, ist ihm in der kalten Jahreszeit die Haftung für den Mietwagen ohne Winterreifen selbst dann nicht zuzumuten, wenn er sein eigenes Fahrzeug nicht mit Winterreifen ausgerüstet hat (vergleiche OLG Stuttgart, NZV 2011, 556; OLG Köln, Schaden - Praxis 2013, 361; KG 22 U 119/13 vom 8. Mal 2014).

Ein Abzug für ersparte Eigenkosten auf der Grundlage des errechneten Gesamtmietpreises ist vorliegend zutreffend nicht zu machen. Die zur Berechnung des Eigenersparnisanteils allein heranzuziehenden variablen Mehrkostenbestandteile, nämlich der fahrleistungsabhängige Wertverlust, die Kosten für die Reparatur, Wartung und Reifen, die Kosten für Reinigung und Pflege sowie die Ölnachfüllkosten (vergleiche hierzu OLG Nürnberg, MDR 2000, 1245) werden zwar grundsätzlich nicht voll erfasst, wenn nur der Mietpreis zugrunde gelegt wird. Andererseits hat der Geschädigte grundsätzlich einen Anspruch darauf, einen gleichwertigen Ersatzwagen anzumieten. Mietet er gleichwohl wie hier ein einfacheres klassentieferes Fahrzeug an, widerspricht ein Ersparnisabzug der Billigkeit, weil der Schädiger so in doppelter Weise entlastet würde (vergleiche BGH, VI ZR 245/11 vom 5. März 2013, zitiert nach juris; OLG Köln, Schaden - Praxis 2013, 361; KG 22 U 119/13 vorn 8.Mai 2014).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 32 Abs. 1, 97 Absatz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO mit Blick auf § 26 Nr. 8 EGZPO.

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Bedeutung für die Paxis: Neben der Tatsache einer überzeugenden Begründung für die Anwendung der Schwackeliste sind zwei Aspekte erwähnenswert. Zum einen kommen Versicherer noch immer mit Einwendungen gegen die Aktivlegitimation, obwohl Fragen in diesem Themenkomplex seit langem höchstrichterlich geklärt sind. Erfreulicherweise sind die Gerichte hier nahezu immer auf einer Linie und der Linie des BGH. Und entgegen Tendenzen der Berliner Rechtsprechung, immer einen Eigenersparnisabzug vorzunehmen und den häufig bei 15 % anzusetzen, wird dieser Abzug hier verneint und das entsprechend der überwiegenden Rechtsprechung damit begründet, dass der Geschädigte kleiner und damit preiswerter angemietet hat.

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