Mietwagenrecht§wi§§en aktuell KW 39-1 14

Landgericht Köln 11 S 337/13 vom 20.05.2014

1. Der Maßstab der Erstattung für Ersatzwagenkosten durch den Haftpflichtversicherer ist der am Markt übliche Normaltarif.
2. Die Eignung von Listen oder Tabellen bedarf nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass sich etwaige behauptete Mängel konkret und in erheblichem Umfang auf den Fall ausgewirkt haben.
3. Schwacke als neutrales erfahrenes Unternehmen im Regelkreis der Unfallschadenregulierung erhebt den Mietpreisspiegel ohne Beauftragung oder Zusammenarbeit mit einem der beteiligten Verkehrskreise. Nicht reproduzierbare und nicht allen Personen zugängliche Internettarife bleiben unbeachtet. Grundlage bilden beständige abgedruckte bzw. auf Datenträgern vorhandene hauseigene Prospekte und Darstellungen, deren Manipulierbarkeit nur sehr eingeschränkt gegeben sein dürfte.
4. Grundlage der Schwackeliste sind Preiangaben von 7.400 Stationen, deren Angaben durch Plausibilitätskontrollen und anonyme Stichprobenanalysen überprüft wurden.
5. Die Beklagte hat vorliegend nicht aufgezeigt, dass sich angebliche Mängel der Schwackeliste auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken. Die Eignung der Schätzgrundlage ist nicht in Zweifel zu ziehen.
6. Die Heranziehung der Schwackeliste durch das Erstgericht begegnet keinen Bedenken, dass das tatrichterliche Ermessen nach 287 ZPO fehlerhaft ausgeübt worden sei. Das Gericht hält auch in Anbetracht der geänderten Rechtsprechung des OLG Köln an seiner Rechtsprechung fest. Die OLG-Rechtsprechung bemüht allgemeine Einwände und hindert das Landgericht nicht an seiner Verfahrensweise, solange der Sachvortrag der Beklagten unkonkret und nicht auf den Fall bezogen erfolgt.

Zusammenfassung: Die Berufungskammer des Landgerichts in Köln bestätigt seine Rechtsprechung der Anwendung der Schwackeliste zur Ermittlung des Mietwagen-Normaltarifes und verneint zum wiederholten Male die Bildung eines Mittelwertes aus den Listen.

==========================

Landgericht Köln 11 S 337/13 vom 20.05.2014
(Vorinstanz Amtsgericht Köln 271 C 12/13)

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit XXX gegen XXX hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Köln aufgrund mündlicher Verhandlung vom 29.04.2014 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht XXX, die Richterin am Landgericht XXX und die Richterin am Landgericht XXX für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 04.07.2013 - 271 C 12/13 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 04.07.2013 - 271 C 12/13 - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 157,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 61,10 seit dem 7.9.2010, aus 14,17 € seit dem 15.12.2011 und aus 80,00 € seit dem 22.12.2012 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 210,60 € zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.01.2.013 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagte zu 86 % und die Klägerin zu 14 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

- Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO -

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Anschlussberufung ist demgegenüber erfolgreich.

I.

Die von der dem Grunde nach unstreitig eintrittspflichtigen Beklagten hinsichtlich der Berechnung des Mietpreises nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel erhobenen Einwände greifen nicht durch. Die angefochtene Entscheidung verletzt insoweit weder materielles Recht zum Nachteil der Beklagten, noch ist sie verfahrensfehlerhaft ergangen.
Gemäß § 249 Abs. 2 BGB kann der aufgrund eines Verkehrsunfallgeschehens ersatzberechtigte Geschädigte als erforderlichen Herstellungsaufwand Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (vergl. BGH, Urteil vom 09.03.2010 - VI ZR 6/09 -; vom 02.02.2010 - VI ZR 7/09 -; vom 19.01.2010 – VI ZR 112/09 - jeweils m. w. Nachweisen u. zit. nach juris). Nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot hat der Geschädigte im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs innerhalb eines - gewissen Rahmens grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann. Den Maßstab für die Betrachtung bildet dabei der am Markt übliche Normaltarif (vergl. BGH, Urteil vom 09.03.2010 - VI ZR 6/09 -; vom 02.02.2010 - VI ZR 7/09 -; vom 19.01.2010 – VI ZR 112/09 - jeweils m. w. Nachweisen u. zit. nach juris), was von der Beklagten auch nicht in Frage gestellt wird. Außer Streit steht auch, dass der Normaltarif grundsätzlich gem. § 287 ZPO im Wege der Schadensschätzung bestimmt werden kann und der Tatrichter sich hierbei Listen und Tabellen bedienen darf.

Entgegen dem Vorbringen der Beklagten begegnet es keinen Bedenken, dass das Amtsgericht in Ausübung seines tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO zur Bestimmung der ersatzfähigen Mietwagenkosten den Schwacke-Mietpreisspiegel herangezogen hat.

Bei der Schadenschätzung nach § 287 ZPO ist die Art der Schätzungsgrundlage für die Ermittlung des Normaltarifs im Einzelnen nicht vorgegeben und der Tatrichter bei der Verwendung geeigneter Listen grundsätzlich frei. Die Schadenhöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden; ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Betracht bleiben. Vielfach hat der Bundesgerichtshof insoweit entschieden, dass in Ausübung tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO der Normaltarif grundsätzlich sowohl auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels im maßgebenden Postleizahlengebiet ermittelt werden kann als auch auf der Grundlage der Fraunhofer-Liste wie auch im Wege einer Kombination beider Listen (vergl. BGH Urteil vom 17.05.2011 - VI ZR 142/10; -vom 12.04.2011 - VI ZR 300/09 -; vom 22.02.2011 - VI ZR 353/09 - und vom 18.05.2010 -VI ZR 293/08 – jeweils zit. n. juris). Hierbei würdigt der BGH, dass in der Rechtsprechung nach Abwägung der Vor- und Nachteile der beiden Listen teils der Schwacke-Liste und teils dem Fraunhofer-Mietpreisspiegel der Vorzug eingeräumt wird und somit von den Instanzgerichten beide Listen grundsätzlich als geeignet angesehen werden, dem Tatrichter als Grundlage für seine Schätzung zu dienen, was revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sei und betont, dass die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann der Klärung bedarf, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (Urteil vom 12.4.2011 - VI ZR 300/09 - zit. nach juris).

In seinen Entscheidungen vom 27.03.2012 - VI ZR 40/10 - und vom 18.12.2012 - VI ZR 316/11 - jeweils zit. nach juris - hat der BGH diese Rechtsprechung erneut bestätigt und hat in der Entscheidung vom 18.12.2012 auch nochmals betont, dass der Tatrichter grundsätzlich weder gehindert ist, seiner Schadensschätzung die Schwacke-Liste noch den Fraunhofer-Mietpreisspiegel zugrunde zu legen und der Umstand, dass die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen können, nicht genügt, um Zweifel an der Eignung der einen oder anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen. Hiervon ist der BGH auch in seiner Entscheidung zu den ersatzfähigen Mietwagenkosten bei einer unfallbedingten Ersatzfahrzeuganmietung vom 05.03.2013 - VI ZR 45/11 - zit. nach juris - nicht abgerückt.

Wie das Amtsgericht schätzt die Kammer in ständiger Rechtsprechung die nach § 249 Abs. 2 BGB ersatzfähigen Mietwagenkosten nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel und sieht ihrerseits zu einer abweichenden Beurteilung vorliegend keinen Anlass.
Die Kammer hält auch angesichts der Entscheidung des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 30.07.2013 - 15 U 212/12 - zit. nach juris, in der dieser nunmehr seine bisherige Rechtsprechung, nach der der Normaltarif gleichfalls anhand des gewichteten Mittels der Schwacke-Liste bemessen wurde, ausdrücklich aufgegeben hat, und den Normaltarif nach dem arithmetischen Mittel der Schwacke-Liste und des Fraunhofer-Mietpreisspiegels bestimmt, weil sich nach Ansicht des Senats die Anzeichen mehren, dass die Autovermieter bei ihren Preisangaben in den Fragebögen zur Erstellung der Schwacke-Liste von der Möglichkeit der Angabe überhöhter Normaltarife für Selbstzahler tatsächlich Gebrauch gemacht haben, an ihrer Rechtsprechung fest.
Bei dem Kernpunkt der Kritik am Schwacke-Mietpreisspiegel, dass die Datenerhebung nicht anonym erfolgte, vielmehr der Erhebungszweck den Befragten bei der Übermittlung der von ihnen auszufüllenden Fragebögen mitgeteilt wurde, handelt es sich um einen allgemeinen Einwand, der nach der Rechtsprechung des BGH im Rahmen der Schadenschätzung als unerheblich angesehen werden kann und die Gerichte grundsätzlich nicht hindert bei der Abwägung der Vor- und Nachteile der Liste den erforderlichen Mietpreis anhand des Schwacke-Mietpreisspiegels zu bestimmen, solange nicht mit konkreten Tatsachen insbesondere mit günstigeren Angeboten - aufgezeigt wird, dass der geltend gemachte Mangel der Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirkt (zuletzt BGH Urteil vom 18.12.2012 - VI ZR 316/11 zit. nach juris).

Nach Abwägung des Umstandes der offenen Befragung der Autovermieter unter Angabe des Verwendungszweckes der erhobenen Preisdaten unter Berücksichtigung der Umstände bzw. Vorgehensweise von Eurotax-Schwacke bei der Preisermittlung im Übrigen und der Auswertung der Erhebungen geht die Kammer davon aus, dass es grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, im Rahmen tatrichterlichen Ermessens den ortsüblichen Normaltarif nach dem in der Schwacke-Liste ausgewiesenen Modus-Wert bzw. dem arithmetischen Mittel zu bestimmen und im Übrigen bei der Schadenschätzung auch die Nebenkostentabelle der Schwacke-Liste zugrunde zu legen. Eurotax Schwacke ist ein erfahrenes neutrales Unternehmen im Regelkreis der Kfz-Unfallschadenregulierung, das nach den Angaben im Editorial (auch) der Mietpreisspiegel 2010-2012 im Jahre 1995 den ersten  Mietpreisspiegel herausgegeben hat, die Daten ohne Beauftragung oder Zusammenarbeit mit einem der beteiligten Verkehrskreise zur Verfügung stellt und jährlich bei gleichbleibendem Erhebungsmodell überprüft. Dabei werden Internettarife, die nicht sicher reproduzierbar und nicht allen Personen zugänglich sind, da nicht jeder über einen Internetzugang verfügt oder  über Dritte auf einen solchen zugreifen kann, unbeachtet gelassen. Grundlage für die Datenerfassung bilden die beständigen abgedruckten bzw. auch auf Datenträgern vorhandenen hauseigenen Prospekte und Darstellungen, die einem Kunden offeriert werden, womit Manipulationsmöglichkeiten durch Angabe überhöhter Preise durch das Mietwagenunternehmen nur sehr eingeschränkt gegeben sein dürften, berücksichtigt werden nur physisch vorhandene Stationen mit Namen, Anschrift und Telefonnummer. Bei der Erstellung des Mietpreisspiegels 2010-2012 wurden Informationen von knapp 7.700 bzw. 7.400 Vermietstationen ausgewertet, wobei eine Überprüfung der zugesagten Preisinformationen mittels Plausibilitätskontrollen und durch anonyme Stichproben erfolgt ist. Die Auswertung nach den Postleitzahlgebieten erfolgt dreistellig und erscheint somit auch aufgrund der engmaschigen Einteilung und der damit einhergehenden Differenzierung zwischen großstädtischen und ländlicheren Gebieten gut geeignet, den Normaltarif für den örtlich relevanten Markt abzubilden, wobei in der Liste auch minimale und maximale Preise genannt werden. Dagegen beruht die Erhebung des Fraunhofer-Instituts überwiegend auf der Abfrage von Internettarifen der sechs großen Autovermieter, womit zum einen der Vorwurf verbunden ist, dass diese Angebotsinformationen nicht jedermann zugänglich und nicht sicher reproduzierbar sind und weiter der Vorwurf der Abfrage eines zu kleinen Marktsegments und der fehlenden Repräsentativität, da die mittelständischen Autovermieter nur unzureichend berücksichtigt werden, was in der Unfallsituation besonders schwer wiegt, weil die Geschädigten dann meistens die Werkstätten ihres Vertrauens aufsuchen und dort nach der Möglichkeit einer Anmietung oder der Vermittlung fragen. Hinzu kommt die Differenzierung nach nur zwei Ziffern der Postleitzahl. Außerdem werden bei der Fraunhoferliste anders als bei Schwacke ausschließlich Preise bei einwöchiger Vorbuchungsfrist berücksichtigt, was auch der Unfallsituation nicht gerecht wird, obgleich der Fraunhofer-Mietpreisspiegel ebenso wie der Schwacke-Mietpreisspiegel in erster Linie zur Unfallschadenregulierung herangezogen wird. Schließlich werden bei der Fraunhoferliste die Preise für Nebenkosten nicht ausgewiesen, die aber ebenfalls zu berücksichtigen sind; lediglich die Vollkaskoversicherung ist einkalkuliert.
Die Beklagte hat nach Auffassung der Kammer vorliegend nicht aufgezeigt, dass sich Erhebungsmängel des Schwacke-Mietpreisspiegels auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken und die Eignung als Schätzungsgrundlage somit konkret in Zweifel ziehen.
Denn die von der Beklagten vorgelegten Screenshots zu von ihnen getätigten Preisabfragen bei den Firmen Europcar, Avis und Sixt sind nicht geeignet, den jeweils anzuwendenden Schwacke-Mietpreisspiegel 2010, 2011, 2012 in seiner Tauglichkeit als Schätzgrundlage für die Schadensbestimmung im konkreten Fall zu  erschüttern.
Aus ihnen ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, dass der zur Schadensschätzung maßgebliche Normaltarif zum Zeitpunkt der Ersatzfahrzeuganmietung durch den Geschädigten deutlich günstiger war als der im Schwacke-Mietpreisspiegel ausgewiesene Preis, mit der Folge, dass der Schwacke-Mietpreisspiegel als Schätzgrundlage nicht herangezogen werden könnte bzw. einer sachverständigen Überprüfung bedürfte. Zwar mag dem Umstand, dass die Angebote späteren Zeiträumen entstammen, keine maßgebliche Bedeutung beizumessen sein, da seit dem Vermietungszeitraum eher von einer Preissteigerung auch im Mietwagengeschäft auszugehen sein dürfte. Andererseits ist diese Folge nicht zwingend, da die Preise auch aus anderen Gründen variieren können.

Allerdings ist unabhängig davon nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht mit der erforderlichen Substanz dargetan, dass die der Klageerwiderung enthaltenen Screenshots ausgewiesenen Preisabfragen mit der hier tatsächlich gegebenen Anmietsituation vergleichbar sind.

Keiner der Internetabfragen lässt sich entnehmen, ob zu den angegebenen Preisen eine Vorbuchungsfrist einzuhalten ist. Zur Verfügbarkeit verhält sich allein der Screenshot der Firma Avis, der eine Verfügbarkeit nur für eine Reservierung bestätigt, aber keine Aussage darüber trifft, ob das Fahrzeug sofort zu erhalten ist.

Vorliegend musste das Ersatzfahrzeug für die Fahrer der Fahrzeuge, Herrn XXX und Frau XXX sofort verfügbar sein, denn diese mieteten noch am Unfalltag das Ersatzfahrzeug an. Sie konnten somit keine Wartezeit bzw. Vorbuchungsfrist bis zum Erhalt der Mietwagen einhalten.

Ferner weisen die von Beklagtenseite vorgelegten Ersatzangebote auch keinen verbindlichen Preis aus. Den Angeboten ist zu entnehmen, dass zu dem jeweils ausgewiesenen Gesamtpreis weitere Aufschläge anfallen können. Welche das sind, wird nicht deutlich. Die Höhe etwaiger Nebenkosten lässt sich nicht erkennen, Extras bzw. Zusatzauswahl können ausweislich der Screenshots abgefragt werden, sind aber nicht geöffnet bzw. im Schriftsatz der Beklagten nicht abgebildet.

Bei allen von der Beklagtenseite vorgelegten Angeboten sind die Anmiettage von vornherein festgelegt und weisen für die jeweilige feste Anmietdauer einen Preis aus. Wie sich die Preise gestalten, wenn von vornherein nicht genau absehbar ist, wie lange ein Fahrzeug angemietet werden muss, wie es gerade in der Unfallsituation und bei Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges der Fall ist, ist den Angeboten nicht zu entnehmen. Insofern sind die Angebote nicht mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar.
Hinzu kommt, dass bei den Angeboten der Firma Sixt die Selbstbeteiligung 850,00 € bzw. 1.050,00 € beträgt. Den Angeboten der Firmen Avis und Europcar ist die Höhe der Selbstbeteiligung nicht zu entnehmen. Den eigenen Angaben der Beklagten zufolge hätten die Geschädigten ein Fahrzeug zu den in den Internetangeboten ausgewiesenen Tarifen auch nur bei Vorlage einer Kreditkarte oder Leistung einer entsprechenden Barkaution erhalten können, was ihnen in der konkreten' Anmietsituation nicht ohne weiteres zumutbar war. Zudem sind die Angebote nach dem Beklagtenvortrag auch nur über das Internet zu buchen, so dass sie nicht sämtlichen Geschädigten zur Verfügung stehen.
Insgesamt sind danach die Screenshots und der insoweit substanzlose Vortrag, dass die darin ausgewiesenen Preise auch bei einer Anmietung unmittelbar an den Stationen zu erhalten gewesen seien, nicht geeignet, den Schwacke-Mietpreisspiegel in seiner Tauglichkeit als Schätzgrundlage zu erschüttern. Es kann den Screenshots nach den vorstehenden Ausführungen nicht entnommen werden, dass die Geschädigten in der Situation der durch sie berechtigterweise erfolgte Anmietung eines Ersatzfahrzeuges problemlos ein dem verunfallten Fahrzeug gleichwertiges zu den aufgeführten Preisen billiger als tatsächlich geschehen, hätten anmieten können.

Richtigerweise sind auf den Normaltarif als Nebenkosten auch die Kosten für die Vollkaskoversicherung hinzuzurechnen. Auf die zutreffende Begründung des Amtsgerichts wird Bezug genommen. Den Geschädigten kann nicht vorgehalten werden, es verstoße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, wenn zur weiteren Absenkung des Selbstbehaltes nicht unwesentliche Summen aufgewendet werden, die teilweise über dem vereinbarten Selbstbehalt liegen. Die Beklagte übersieht insoweit, dass naturgemäß die Kosten für die Reduzierung der Selbstbeteiligung mit der Dauer der Anmietung steigen, die Gefahr, einen Unfall zu erleiden, aber gleichfalls ansteigt. Ferner kann mit dem Argument, die Kosten für die Reduzierung des Selbstbehaltes überstiegen diesen, die Ersatzfähigkeit nicht abgelehnt werden, da hierbei nicht in Betracht gezogen wird, dass die Möglichkeit besteht, mit dem Mietwagen nicht nur einen, sondern mehrere Unfälle zu erleiden.

II.

Die Anschlussberufung hat in voller Höhe Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sind mit der Anschlussberufung auch die geltend gemachten Kosten für Winterreifen in den Schadensfällen 3 und 5 anzuerkennen, in denen die Anmietung der Fahrzeuge in den Wintermonaten erfolgte.

Ob es sich bei den Kosten für Winterreifen um erstattungsfähige Nebenleistungen handelt, ist in der Rechtsprechung umstritten. Während teilweise eine vergütungspflichtige Nebenleistung verneint wird (OLG Köln, Urteil vom 14.06.2011•- 15 U 9/11 - ; LG Dortmund, Urteil vom 19.07.2010 - 21 O 489/08 - ; LG Karlsruhe, Urteil vom 14.05.2010 - 9 S 442/09 – sämtl. zit. n. Juris), ist eine solche von anderen Gerichten bejaht worden (OLG Karlsruhe, Urteil vom 11.08.2011 - 1 U 27/11 - zit. n. Juris; OLG Stuttgart NZV 2011, 556; OLG Köln NZV 2011, 450; OLG Celle MDR 2012, 760). Mit Urteil vom 5. März 2013 hat der BGH die letztgenannte Auffassung, die auch die Kammer teilt, nunmehr bestätigt (Az. VI ZR 245/11).

Dass Winterreifen zu den konkreten Anmietzeiten zur erforderlichen Ausstattung der Fahrzeuge gehören, um deren Verkehrssicherheit sicherzustellen und dass deshalb die Autovermieter verpflichtet sind, ihren Mietern das Ersatzfahrzeug ausgestattet mit Winterreifen zu überlassen, steht der Erstattungsfähigkeit dieser Nebenkosten nicht entgegen. Da Winterreifen nicht zur Erstausstattung eines Fahrzeuges gehören, handelt es sich um Zusatzkasten des Vermieters, die in zulässiger Weise an den Kunden weitergegeben werden dürfen. Entsprechend legen Mietwagenfirmen die Kosten für die Ausstattung des Fahrzeuges mit Winterreifen grundsätzlich auf die Mieter um, so dass regelmäßig ein Aufschlag hierfür berechnet wird und folglich von den Mietern auch gezahlt werden muss. Im Übrigen kommt es gemäß § 249 BGB auch nur darauf an, was der Geschädigte in seiner Situation für erforderlich halten durfte. Wenn das Mietwagenunternehmen die Ausstattung des Mietfahrzeuges mit Winterreifen nur gegen Aufschlag anbietet, die Nutzung des Fahrzeuges bei Eis, Schnee und Matsch aber nur mit Winterreifen zulässig ist, darf der Geschädigte, der zur Wahrung seiner Verpflichtung nach der StVO Winterreifen benötigt, diese Kosten für erforderlich halten (LG Köln, Urteil vom 6.09.2011 - 11 S 293/10 - ).
Die Klägerin hat folglich Anspruch auf Zahlung von 14,17 € in Schadenfall 3 und weiterer 80,00 € in Schadenfall 5.

Erfolg hat die Anschlussberufung auch, soweit mit ihr Kosten in Höhe weiterer 61,10 € für ein Navigationsgerät in Schadenfall 2 verlangt werden. Kann ein Geschädigter wegen des schädigenden Ereignisses seinen Pkw nicht nutzen, hat ihm der Schädiger die Kosten für die Anmietung eines gleichwertigen Fahrzeuges zu ersetzen (BGH NZV 2012, 480; Palandt-Grüneberg § 249 Rdn. 31). Bei einer besonderen Ausstattung braucht sich der Geschädigte dabei nicht auf einen Pkw ohne diese Ausstattung verweisen zu lassen (Palandt Grüneberg a.a.O.).

Auszugleichen sind vielmehr auch solche Vorteile, die für den Gebrauch des Fahrzeuges von wesentlicher Bedeutung sind (BGH a.a.0.). Nach Auffassung der Kammer hat ein Navigationsgerät wesentliche Bedeutung für die Nutzung eines Fahrzeuges jedenfalls dann, wenn das Unfallfahrzeug ein solches besaß, wodurch der Geschädigte zu erkennen gab, dass es sich für ihn um einen wesentlichen Ausstattungsgegenstand handelte. Es ist kein Anlass ersichtlich, weshalb der Geschädigte auf einen solchen Vorteil verzichten sollte, selbst wenn er zum Zeitpunkt der Anmietung noch nicht absehen konnte, ob er in der Mietzeit tatsächlich zur Erreichung eines bestimmten Fahrziels auf ein Navigationsgerät angewiesen sein würde. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung - soweit ersichtlich - die Zubilligung von Kosten für ein Navigationsgerät alleine davon abhängig gemacht worden, ob ein solches auch im geschädigten Fahrzeug vorhanden war (vgl. OLG Köln, Urteil vom 20.07.2010 - 25 U 11/10 - ; LG Aachen, Urteil vom 11.03.2010 - 12 0 39/10 - beide zit. n. Juris). Der Betrag resultiert daraus, dass dem Amtsgericht bei der Berechnung des erforderlichen Nettobetrages ein Rechenfehler unterlaufen ist. Der Nettotarif beträgt in Schadenfall 2  761,34 €.

Der Zinsanspruch folgt insoweit aus §§ 286, 288 BGB.

Darüber hinaus hat die Anschlussberufung Erfolg, soweit mit ihr vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten für die Schadensfälle 3, 4 und 5 in der tenorierten Höhe verlangt werden.

Die Beklagte befand sich mit der Begleichung der Mietwagenkosten in Verzug, insoweit hatte die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, die Beklagte in jedem Schadensfall durch ein Aufforderungsschreiben in Verzug gesetzt zu haben. Damit erweisen sich ausgehend von den Streitwerten der geltend gemachten und begründeten Klageforderungen je eine 1,3 Geschäftsgebühr gemäß RVG VV 2300 und der Telekommunikationspauschale gemäß RVG VV 7002 in Fall 3 39,00 €, in Fall 4 101,40 € und in Fall 5 70,20 € als begründet. Der Zinsanspruch folgt insoweit aus § 291 ZPO.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 92, 708 Nr. 10, 711, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO.

Berufungsstreitwert: 1.089,76 € (932,49 € + 157,27 €)

==========================

Bedeutung für die Praxis: Bedeutsam erscheint der immer wiederkehrende Hinweis des Landgerichtes an das OLG Köln, dass dessen Rechtsprechung als fragwürdig gelten muss. Das erschließt sich vor allem demjenigen, der aus eigener Erfahrung weiß, wie das OLG vor seiner inhaltlichen Kehrtwende in Mietwagenstreitigkeiten geurteilt hatte. Der Behauptung der Versicherer, dass die Schwackeliste fehlerhaft über eine offene Befragung der Autovermieter zustande gekommen sei, wird hier mit konkretem Blick in die Erläuterungen aus der Schwackeliste begegnet (ausführlich auf Seite 5 des Urteils). Umfangreiche Erörterungen zu den von der Beklagten eingebrachten Argumenten zeigen auf, wie Gerichte mit angeblich beweiserheblichen Internetabfragen (substanzloser Vortrag) umgehen können. Allergrößte Bedeutung - so zeigt dieses Urteil eindrucksvoll in seinen Details - kommt dabei dem detaillierten und konkreten Sachvortrag des Klägers zu, auf die konkreten Unzulänglichkeiten der Screenshots hinzuweisen.