Mietwagenrecht§wi§§en aktuell KW 40-1 14

Landgericht Düsseldorf 21 S 125/13 vom 15.05.2014

1. Das erstinstanzlich eingeholte Gutachten ist ungeeignet.
2. In Ausübung des eigenen Schätzungsermessens wird die Schwackliste angewendet.
3. Für ein Fahrzeugalter von 5 Jahren wird die Schätzung um eine Fahrzeugklassen-Stufe niedriger vorgenommen.
4. Für Nebenleistungen Haftungsreduzierung, Zweitfahrer, Navigationssystem, Freisprecheinrichtung und Automatikgetriebe sind weitere Forderungen zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Erstgericht geht von falschen Tatsachenfeststellungen anhand eines Sachverständigengutachtens aus. Es kann in der Berufung offen bleiben, ob die Einholung eines Gutachtens für zurückliegende Tatbestände des Marktpreises überhaupt geeignet sind und ob Telefon- und Internetabfragen als geeignet anzusehen sind. Jedenfalls ist das Gutachten ohne Relevanz, weil es nur 5 Anbieter von 19 berücksichtigt hat. Die Rechenmethoden des Sachverständigen begründen ebenso Zweifel an der Richtigkeit von Feststellungen auf Basis dieses Gutachtens.

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Landgericht Düsseldorf 21 S 125/13 vom 15.05.2014
(Vorinstanz Amtsgericht Düsseldorf 32 C 3949/12)

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit XXX gegen XXX hat die 21. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf die mündliche Verhandlung vom10.04.2014 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX, den Richter am Landgericht XXX und den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX für  Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 21.03.2013, Az: 32 C 3949/12, teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 601,08 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15.09.2011 sowie weitere 57,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15.09.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 25 Prozent und die Beklagte zu 75 Prozent.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

I.

Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche des Klägers aus einem Verkehrsunfallgeschehen vom 21.08.2011 gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherin des Unfallverursachers. Konkret geht es um die Erstattung restlicher Mietwagenkosten für die achttägige Anmietung eines Ersatzfahrzeugs in Höhe von 822,26 Euro.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Ansprüche des Klägers seien bereits durch die vorprozessuale Zahlung der Beklagten in Höhe von 982,94 Euro erloschen. Es sei von einem für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs erforderlichen Betrag in Höhe von 901,49 Euro auszugehen. Dies gelte auf Basis des eingeholten Sachverständigengutachtens. Die Ersatztarife gemäß den Schwacke­ bzw. Fraunhofer-Listen schieden nicht von vorneherein als Schätzgrundlagen aus, seien vorliegend jedoch nicht  heranzuziehen, da aufgrund des umfassenden Vortrags der Beklagten und des eingeholten Sachverständigengutachtens feststehe, dass der Kläger ein vergleichbares Fahrzeug zu wesentlich günstigeren Preisen hätte anmieten können. Ein Zuschlag für unfallbedingte Mehraufwendungen sei nicht zu erstatten, da der Kläger entsprechende Mehraufwendungen nicht vorgetragen habe.

Mit seiner Berufung begehrt der Kläger die Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und die volle Zuerkennung des geltend gemachten Anspruches.
Von der Darstellung tatsächlicher Feststellungen im Übrigen wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a, Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch teilweise begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von 601,08 Euro gemäß den §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG, 115 VVG zu. Denn die von dem Kläger aufgewandten Kosten für die achttägige Anmietung eines Ersatzfahrzeugs, von denen die Beklagte vorprozessual bereits 932,94 Euro beglichen hat, waren zur Herstellung der Sache in Höhe von 1.584,02 Euro erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Die von dem Amtsgericht hinsichtlich der Frage des erforderlichen Geldbetrages festgestellten Tatsachen, nach denen lediglich ein Betrag in Höhe von 901,49 Euro erforderlich war, waren hierbei nicht gemäß § 529 Abs. 1 ZPO zu Grunde zu legen. Denn es liegen konkrete Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen begründen.

So hat das Amtsgericht den für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs erforderlichen Geldbetrag auf Basis eines Sachverständigengutachtens ermittelt. Die Feststellungen des Amtsgerichts auf Basis der Ergebnisse dieses Gutachtens erachtet die Kammer im Ergebnis als nicht tragfähig. Dabei kann offen bleiben, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens über aktuelle Anmietpreise bestimmter Fahrzeuge grundsätzlich überhaupt dazu geeignet  ist, in einem vergangenen Zeitraum liegende erforderliche Anmietpreise festzustellen. Offen bleiben kann ferner auch, ob die Methode des Sachverständigen der Recherche über Telefonate beziehungsweise die Einholung von Internetangeboten als beanstandungsfrei gelten kann. Jedenfalls konnte auf Basis der Ergebnisse des Gutachtens des Sachverständigen XXX vom 20.11.2012 keine tragfähige Aussage über die erforderlichen Kosten der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs durch den Kläger getroffen werden. Denn der Sachverständige, der ursprünglich eine Anfrage an 19 Mietfahrzeugunternehmen beabsichtigt hatte, hat letztlich seine Einschätzung auf der Basis von lediglich fünf eingeholten Mietfahrzeugangeboten getroffen und auf Basis der Anmietungsangebote für 22 Tage einen durchschnittlichen Normaltarif für acht Tage von 669,18 Euro errechnet. Von dieser Zahl ist das Amtsgericht sodann in seiner Entscheidung ausgegangen.

Diese von dem Sachverständigen vorgenommene Erhebung begegnet schon deswegen Bedenken, weil sie auf offensichtlich dürftiger und nicht repräsentativer Datengrundlage erfolgte. Zudem kann auch ein eingeholter Mietpreis für 22 Tage nicht einfach rechnerisch auf acht Tage herunter gerechnet werden. Denn bekanntermaßen sind Mietfahrzeuge pro Tag umso teurer, je weniger Tage sie gemietet werden.
In Anwendung der gefestigten Kammerrechtsprechung (vgl. beispielsweise LG Düsseldorf v. 14.07.2011, 21 S 400/09; LG Düsseldorf v. 30.01.2014, 21 S 207/11) und in Ausübung des ihr insofern gemäß § 287 bei der Schadensschätzung eingeräumten eigenen Ermessens (vgl. OLG, Köln VersR 2008, 95) legt die Kammer bei der Bestimmung des für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges erforderlichen Geldbetrages den sogenannten Schwacke-Mietpreisspiegel zugrunde. Dieser ist grundsätzlich zur Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten geeignet (BGH v. 12.04.2011, VI ZR 300/09). Hierbei war allerdings von der Fahrzeugklasse 8 auszugehen, da das Fahrzeug des Klägers im Zeitpunkt des Verkehrsunfalls bereits mehr als fünf Jahre lang zugelassen war. Nach der Schwacke-Liste (arithmetisches Mittel) für den Postleitzahlenbereich 405 ergibt sich ein erforderlicher Anmietpreis von gerundet 1.150,00 Euro für acht Tage. Zuzüglich der von dem Kläger schlüssig vorgetragenen Kostenposten für die Haftungsbefreiung, den Aufschlag für einen Zusatzfahrer, das Navigationssystem, die Telefonfreisprecheinrichtung, das Automatikgetriebe und den Kosten für Zustellung und Abholung in Höhe von 610,02 Euro brutto ergeben sich 1.760,02 Euro.

Dagegen konnte der Kläger keinen sogenannten unfallbedingten Mehraufwand geltend machen. Ein solcher kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Anmietung des Fahrzeugs aufgrund einer Not- oder Sondersituation erfolgt (OLG Celle v. 29.02.2012, 14 U 49/11; LG Köln v. 13.08.2013, 11 S 374/12). Hierzu trägt der Kläger nichts Schlüssiges vor. Soweit er angibt, bereits zwei Tage nach dem Unfallereignis ein Ersatzfahrzeug gemietet zu haben, ist die Kammer der Auffassung, dass bereits einen Tag nach dem Unfall grundsätzlich nicht mehr von einer Notsituation ausgegangen werden kann (vgl. auch LG Köln a.a.O.). Fehlt indes die Sonder- oder Notsituation, ist es auch nicht mehr erforderlich, auf Sonderpreise von Mietwagenunternehmen einzugehen, die spezielle Kalkulationen für Unfallopfer vornehmen oder - gegen Preiserhöhung - auf eine Bonitätsprüfung des Anmieters verzichten.

Der Kläger musste sich zudem einen Abschlag in Höhe von 10 Prozent wegen unfallbedingter Aufwendungsersparnis anrechnen lassen. Dies konnte er durch die Anmietung eines Fahrzeugs der Klasse 8 nicht vermeiden, da aufgrund des Alters seines Fahrzeugs dieses ohnehin nur der Fahrzeugklasse 8 zuzuordnen war.

Insgesamt ergibt sich ein Anspruchsbetrag in Höhe von 1.584,02, von denen die Beklagte unstreitig bereits 982,94 Euro beglichen hat Der verbleibende Anspruch besteht in Höhe von 601,08 Euro.
Der Anspruch auf die Erstattung außergerichtlich entstandener Anwaltskosten beruht auf den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB.

Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 822,26 Euro.

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Bedeutung für die Praxis: Die Frage der Einholung von Preisgutachten durch Sachverständige ist ein wiederkehrender Streitpunkt in Mietwagenprozessen. Bereits der Beweisbeschluss ist oft unzureichend und wird von Klägerseite zu wenig beachtet. Ein Gutachten hat die Situation des Geschädigten zu berücksichtigen in Bezug auf den Leistungsumfang (bietet der befragte Vermieter alle Leistungsbausteine an?), den Markt zum Anmietzeitpunkt (möglicherweise 2 Jahre zurückliegend; welcher Anbieter war am Markt, wer war ausverkauft, hatte die Fahrzeuggruppe nicht, konnte es nicht zustellen, war nciht in der Lage, die korrekte Mietwagengruppe zu ermitteln, auf die der Geschädigte einen Anspruch hat,...?), wer bot ein Fahrzeug für unbestimmte Dauer, ohne Vorkasse, ohne Kaution, für sofort, außerhalb der Öffnungszeiten an? Wenn Sachverständige den korrekten Auftrag erhalten und entsprechende Werte herausfinden können, sind diese Gutachten für Gerichte verwendbar.
Entgegen der überwiegenden Rechtsprechung zieht das Gericht wegen Fahrzeugalter eine Fahrzeuggruppe ab. Üblicherweise wird das nur bei der Geltendmachung von Nutungsausfall angewandt, was auch nachvollziehbar ist, da der Geschädigte keine alten Mietwagen mieten kann und ihm somit ungerechtfetigte Eigenkosten durch das Schadenereignis entstehen.

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