Mietwagenrecht§wi§§en aktuell KW 41 14

 
Landgericht Dresden 3 S 502/13 vom 28.05.2014

1. Der Geschädigte ist nicht grundsätzlich zu einer umfänglichen Marktanalyse verpflichtet, damit auch nicht zur umfangreichen Internetrecherche.
2. Auch das Einsehen der Schwackeliste ist eine ausreichende Information, da diese vom BGH als geeignete gerichtliche Schätzgrundlage bestätigt ist.
3. Eine Mietwagenforderung mit einer geringen Abweichung zum Schwacke-Mittelwert ist angemessen und eine besondere Erkundigungspflicht des Geschädigten bis 50% über dem Mittelwert nicht gegeben.
4. Nebenleistungen sind als Teil der Gesamtleistung Ersatzmobilität zu ersetzen.
5. Außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung sind in Höhe einer 1,3-Geschäftsgebühr zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht hält sich an die Rechtsprechung des Oberlandesgericht Dresden zur Frage einer Erkundigungspflicht des Geschädigten.

Bedeutung für die Praxis: Eine erhobene Mietwagenforderung führt erst ab einer Überhöhung von 50% über dem Schwacke-Mittelwert zu einer besonderen Erkundigungspflicht des Geschädigten nach günstigeren Alternativen. Das erscheint angemessen, denn einerseits ist der Schwacke-Automietpreisspiegel laut BGH eine geeignete Schätzgrundlage und andererseits bilden dortige Werte eine Bandbreite ab, deren Mittelwert nicht als Maximalwert verstanden werden darf und so auch um bis zu 50% überschritten werden kann. Die hiesigen Gerichte sehen dann auch den unfallbedingten Aufschlag innerhalb dieser Bandbreite.

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Landgericht Dresden 3 S 502/13 vom 28.05.2014
(Vorinstanz Amtsgericht Dresden 105 C 4099/13)

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit XXX gegen XXX wegen Schadenersatz hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Dresden durch Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX als Einzelrichter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 09.05.2014 am 28.05.2014 für RECHT erkannt:

I.     Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 10.09.2013, Az.: 102 C 1434/13, abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.102,42 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 13.03.2013 sowie weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 130,50 EUR zu zahlen.

II.     Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat die Beklagte zu tragen.

III.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 570 Abs. 2 ZPO i.V.m § 313a ZPO abgesehen

II. Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Sie ist zulässig und hat in der Sache vollumfänglich Erfolg.

Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Zahlung der entstandenen Mietwagenkosten gemäß §§ 7 StVG i.V.m. § 115 WG zu.

1.    Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH (BGH VersR 2013/730; BGH, Urteil vom 12. Oktober 2001 - VI ZR 151/03, BGHZ 160, 377, 383; vom 19. April 2005 - VI ZR 37/04, BGHZ 163, 19, 22 f.; vom 19. Januar 2010 - VI ZH 112/09, VersR 2010, 494 Rn 5; vom 2. Februar 2010 - VI ZR 131/08, VersR 2010, 545 Rn. 10 und - VI ZR 7/09, VersR 2010, 683 Rn 8; vom 9. März 2010 - VI ZR 6/09, VersR 2010, 1053 Rn. 8) kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach §249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann. Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, weil er ein Kfz zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem Normaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Metwagenunternehmen u. Ä.) allgemein einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung  nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich sind. Inwieweit dies der Fall ist, hat der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders frei gestellte Tatrichter zu schätzen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Zuschlag auf den "Normaltarif' in Betracht kommt (BGH vom 19. Januar 2010 – VI ZR. 112/09; vom 2. Februar 2010 - VI ZR 7/09, vom 9. März 2010 - VI ZR 6/09, aaO; vom 12. April 2011 - VI ZR 300/09, VersR 2011, 769 Rn.18; vom 18. Dezember 2012 - VI ZR 316/11).

2.     Bei der Anmietung eines Ersatzwagens ist der Geschädigte nicht dazu verpflichtet, in eine umfängliche Marktanalyse einzusteigen. Es genügt, wenn er sich im Groben ins Bild setzt und kritisch hinterfragt, ob der Mietpreis als angemessen erscheint. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass eine umfangreiche Internetrecherche vor Anmietung des Fahrzeuges nicht gefordert werden kann, so dass es auch als ausreichend anzusehen ist, wenn beispielsweise die jeweils aktuelle Schwacke-Liste, die nach der Rechtsprechung des BGH ein geeignetes Mittel zur Schätzung der Mietwagenkosten darstellt, zur Hand genommen wird und man sich über die gängigen Mietwagenpreise über diesen Weg informiert. Denn wenn die Schwacke-Liste als taugliches Schätzungsmittel für die Gerichte angesehen wird, dann muss dies auch ein taugliches Preisermittlungsinstrument für den Geschädigten bei Anmietung eines Ersatzwagens sein. Hätte vorliegend die Zedentin dies getan, so wäre ihr aufgefallen, dass die dann später in Rechnung gestellten Mietwagenkosten in einem noch toleranten Maße über dem Mittelwert der jeweils gültigen Schwacke-Liste lagen.

Das OLG Dresden vertritt hierzu in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung die Auffassung, dass dem Geschädigten erst dann ein beachtliches Missverhältnis, das dann Anlass für weitere Recherchen gibt, aufdrängen muss, wenn der maßgebliche Tarif der Schwacke-Liste um mindestens 50 % überschritten worden ist (OLG Dresden, Urteil vom 31.07.2013 - 7 U 1952/12; Urteil vom 18.12.2013 - 7 U 1606/13; Urteil vom 26.3.2014 - 7 U 110/13 -•Stichwort Autoholding).

3.    Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Ersatz der Nebenleistungen. Dies betrifft die Haftungsreduzierung, Zustell- und Abholkosten und die Winterpauschale.

4.    Unter Zugrundelegung der Schwacke-Liste errechnet sich der Anspruch der Klägerin wie folgt:

Der Unfall ereignete sich im Jahr 2010. Damit ist der Schwacke-Automietpreisspiegel für dieses Jahr ausschlaggebend. Das Unfallfahrzeug der Zedentin ist der Mietwagengruppe 5 zuzuordnen. Die Anmietung eines gruppengleichen Ersatzfahrzeuges erfolgte vom 17.12.2010 bis zum 30.12.2010, mithin für eine Gesamtzeit von 14 Tagen für den Anmietort im Postleitzahlengebiet 012… ergeben sich aus der Schwacke-Liste für die Anmietzeit folgende Beträge:

2 x Wochenpauschale Grundmietpreis á 544,50 EUR

= brutto

 

1.089,00 Euro

2 x Wochenpauschale Haftungsbefreiung / Vollkaskoversicherung mit Standardselbstbehalt á 154,00 Euro

= brutto

 

 

308,00 Euro

14 Tage Winterpauschale á 10,00 Euro

= brutto

 

140,00 Euro

Zustell- und Abholkosten á 25,00 Euro

= brutto

 

50,00 Euro

Gesamtnormalmietpreis Eurotax Schwacke

(Modus = gewichtetes Mittel)

= brutto

 

 

1.587,00 Euro


Die mit Datum 06.01.2011 gelegte Mietwagenrechnung der Klägerin an die Zedentin weist einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.814,54 Euro auf. Dieser Betrag übersteigt den nach Schwacke ermittelten Betrag um ca. 13 %. Ein auffälliges Missverhältnis liegt damit nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Dresden nicht vor. Der Rechnungsbetrag ist damit ersatzfähig. Von diesem Betrag sind allerdings die von der Beklagten bereits erfolgte Zahlung in Höhe von 636,00 EUR und weiterhin wegen ersparter Eigenkosten ein Betrag in Höhe von 78,12 EUR, da die Zedentin ein gruppengleiches Fahrzeug ermietet hatte, in Abzug zu bringen.

5.    Die Entscheidung hinsichtlich des Zinsanspruches ergibt sich aus den Verzugsvorschriften.

Weiterhin steht der Klägerin der Ausgleich der entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu. Aus einem Gegenstandswert in Höhe von 1.102,42 Euro ergibt sich eine 1,3 Geschäftsgebühr in Höhe von 130,50 Euro.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

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Bedeutung für die Praxis: Eine erhobene Mietwagenforderung führt erst ab einer Überhöhung von 50% über dem Schwacke-Mittelwert zu einer besonderen Erkundigungspflicht des Geschädigten nach günstigeren Alternativen. Das erscheint angemessen, denn einerseits ist der Schwacke-Automietpreisspiegel laut BGH eine geeignete Schätzgrundlage und andererseits bilden dortige Werte eine Bandbreite ab, deren Mittelwert nicht als Maximalwert verstanden werden darf und so auch um bis zu 50% überschritten werden kann. Die hiesigen Gerichte sehen dann auch den unfallbedingten Aufschlag innerhalb dieser Bandbreite.