Mietwagenrecht§wi§§en aktuell KW 44 14

Landgericht Mannheim 5 O 12/14 vom 18.08.2014
(Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig)

1. Restliche Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall sowie Standkosten werden in voller Höhe zugesprochen.
2. Nicht zu ersetzen seien lediglich unnötige Aufwendungen. Es besteht das Risiko, dass der Geschädigte nicht den billigsten Anbieter beauftragt, wofür er aber nicht einzustehen hat. Der Geschädigte kann den Anmiet-Anlass Unfall bei der Anmietung nicht leugnen.
3. Die Richtlinien der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind ungeeignet, da auch Gutachten keine rückwirkenden Erkenntnisse bringen können.
4. Schadenersatzforderungen aufgrund legaler Tarife außerhalb des Wuchers sind hinzunehmen.

Zusammenfassung: Das Gericht stellt den Geschädigten in den Vordergrund und begründet, warum die ihm entstandenen Kosten in voller Höhe zu ersetzen sind.

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Landgericht Mannheim 5 O 12/14 vom 18.08.2014


Urteil

In dem Rechtsstreit

XXX
Kläger

g e g e n

XXX
Beklagte

wegen Schadensersatz

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim auf die mündliche Verhandlung vom 19. Mai 2014 durch Richter am Landgericht XXX als Einzelrichter

für Recht erkannt:

1.    Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.038,33 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.11.2013 zu bezahlen.
2.    Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum 18.11.2013 bis 31.01.2014 aus 4.380,17 € zu bezahlen.
3.    Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 675,33 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.02.2014 zu bezahlen.
4.    Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.
5.    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand



Der Kläger macht gegen die Beklagten restliche Schadensersatzansprüche nach einem Unfall im Straßenverkehr geltend.

Am 12.10.2013 gegen 19:00 Uhr ereignete sich ein Verkehrsunfall. Daran beteiligt waren der Kläger, der mit seinem Fahrzeug unterwegs war, sowie die Beklagte Ziff. 1, welche das Fahrzeug steuerte, das bei der Beklagten Ziff. 2 pflichtversichert war. Der Kläger wurde bei dem Unfall verletzt. Am Fahrzeug des Klägers entstand Totalschaden. Die' Beklagten sind unstreitig schadensersatzpflichtig.

Der Kläger ließ von einem Sachverständigen die unfallbedingten Schäden feststellen. Dieser ermittelte: Wiederbeschaffungswert 6.500,00 €, Restwert 910,00 €, Wiederbeschaffungsaufwand 5.590,00 €, Wiederbeschaffungsdauer 14 Kalendertage (Anl. K1). Hierfür stellte er dem Kläger 765,17 € in Rechnung (Anl. K2). Der Kläger verlangte von der Beklagten Ziff. 2 mit Anwaltsschreiben vom 18.10.2013 die Zahlung von insgesamt 6.380,17 € (inklusive Kostenpauschale von 25,00 €, Anl. K3). Im Zeitraum 21.10.2013 - 04.11.2013 mietete der Kläger ein Fahrzeug von der Firma Avis an. Dafür stellte diese Firma ihm 2.038,33 € in Rechnung (Anl. K4). Auch diese Kostenposition machte der Kläger gegenüber der Beklagten geltend (Anl. K6). Darüber hinaus verlangt der Kläger weitere 675,33 € entsprechend der Rechnung (Anl. K7) betreffend die Kosten für Bergung, Abschleppen und Unterstand.

Noch vor Klageerhebung bezahlte die Beklagte Ziff. 2 an den Kläger 3.000,00 €.

Die Parteien haben übereinstimmend die Hauptsache teilweise, nämlich i.H.v. 4.380,17 €, im Hinblick auf die zwischenzeitliche zweite Zahlung von Beklagtenseite am 31.01.2014 für erledigt erklärt (BI. 18).

Der Kläger ist der Ansicht, alle geltend gemachten Schadenspositionen seien zu erstatten.

Der Kläger beantragt zuletzt, die Beklagten zu verurteilen,

1.    an den Kläger 1.038,33 € nebst Zinsen i.H.v.5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.11.2013 zu bezahlen,
2.    an den Kläger Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum 18.11.2013 bis 31.01.2014 aus 4.380,17 € zu bezahlen,
3.    an den Kläger weitere 675,33 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.02.2014 zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor: Nach Schwacke-Liste betrage der normale Tarif 1.388,00 €; nach der Fraunhofer-Liste betrage der Tarif nur 461,06 €, das arithmetische Mittel belaufe sich somit auf 924,53 €, weshalb von Beklagtenseite im Hinblick auf die geltend gemachten Mietwagenkosten nur (wie geschehen) 1.000,00 € hätten übernommen werden müssen.

Die Standkostendauer sei unangemessen lang. Aufgrund der Schadensminderungspflicht sei der Kläger verpflichtet gewesen, unverzüglich nach Begutachtung das Unfallfahrzeug zu dem Restwertangebot zu veräußern. Gehe man von einer Überlegungsfrist von einer Woche aus, seien insoweit allenfalls 83,30 € zu erstatten.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe



Die Klage ist zulässig und begründet.


I.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch aus § 7, 18 StVG, 115 Abs. 1 VVG auf Zahlung des gesamten geltend gemachten Schadens zu.

Gemäß §§ 249 ff. BGB schulden die (hier unstreitig) zum Schadensersatz verpflichteten Beklagten den Ersatz der Aufwendungen, die der Kläger vornehmen musste, den entstandenen Schaden zu kompensieren. Nicht zu ersetzen sind lediglich leicht vermeidbare, also unnötige Aufwendungen (§ 254 BGB).

Grundsätzlich schuldet der zum Schadensersatz Verpflichtete Naturalrestitution. Das bedeutet, dass er selbst verpflichtet ist, etwa beschädigtes Eigentum wieder instand zu setzen. Muss er sich hierbei - etwa schon aus rechtlichen Gründen (um eine Instandsetzung lege artis überhaupt vornehmen zu können) - eines Dritten bedienen, trifft ihn das Risiko, nicht den billigsten Anbieter zu beauftragen. Ihn trifft auch das Risiko, wenn es dem Dritten nicht im ersten Anlauf gelingt, den Schaden zu beheben oder dieser sonst nicht die billigste Lösung findet. Die Möglichkeit des Geschädigten, statt der Naturalrestitution eine Entschädigung in Geld zu verlangen (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB), hat an dieser Risikoverteilung nichts geändert, stellt sie doch ein zusätzliches Recht dar. Dann aber ist es schon nicht einzusehen, weshalb sich der Geschädigte, trifft ihn an den vermeintlichen Mehrkosten kein Verschulden, dafür einzustehen hätte.

Das Gericht verkennt nicht, dass es insoweit höchstrichterliche Rechtsprechung gibt. Allein sind die dort entwickelten Richtlinien nicht geeignet, dem offensichtlichen Problem, nämlich der Bereicherungsmentalität der Autovermieter, entgegenzuwirken. Das Landgericht Karlsruhe hat in einem bemerkenswerten Verfahren (Aktenzeichen 4 S 396/12, Urteil vom 14.01.2014, zit. nach Juris) extra ein Sachverständigengutachten im Hinblick auf Mietwagenpreise eingeholt. Dem Sachverständigen war es dort schon nicht möglich, quasi rückwirkend die seinerzeit angebotenen Mietwagenpreise festzustellen. Feststellen konnte er aber, dass günstigere Tarife nur dann angeboten wurden, wenn der potentielle Mieter (der Geschädigte) bewusst falsche Angaben im Hinblick auf den Grund der Anmietung machte. Dem erkennenden Gericht ist keine Norm bekannt, wonach ein Vertragspartner den anderen im Hinblick auf eine Schadensersatzpflicht eines Dritten belügen muss. (Diese Pflicht hat auch das Landgericht Karlsruhe verneint.) Es kann auch nicht sein, dass - wie im vorliegenden Fall - der Geschädigte in einen zweiten Rechtsstreit gezwungen wird, nur weil Gewerbetreibende (Mietwagenfirmen) eine konkrete Situation für sich ausnützen (vgl. hierzu auch OLG Dresden, Aktenzeichen 7 U 606/13, Rdnr. 6 ff., 10 ff., Urteil vom 18.12.2013, zit. nach Juris). Entweder solche Tarife sind illegal (etwa: §§ 134, 138 BGB) oder hinzunehmen. Es darf auch nicht verkannt werden, dass die Suche nach einem anderen Anbieter ihrerseits Zeit (und damit Geld) kostet und evtl. Mehrkosten an anderer Stelle (Transferkosten) verursachen kann.

Vor diesem Hintergrund sind hier die unstreitig angefallenen Mietwagenkosten von dem Beklagten in voller Höhe zu erstatten, zumal sie nur geringfügig über dem von Beklagtenseite zugestandenen „Normaltarif“ liegen.

Dem Kläger steht auch die Erstattung der Standkosten in voller Höhe zu.

Ein nicht mehr fahrbereites Kraftfahrzeug kann nicht irgendwo auf der Straße abgestellt werden, sondern muss untergestellt werden. Das sichere Unterstellen in einer Kfz-Werkstatt ist eine naheliegende und angemessene Maßnahme. Die dafür anfallenden Kosten sind erstattungsfähig. Dass sie diejenigen übersteigen, die für eine gewerbliche Abstellmöglichkeit, etwa in einem Parkhaus, angefallen wären, hat die für eine Verletzung der Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) darlegungs- und beweispflichtige Beklagtenseite nicht konkret vorgetragen (BGH VersR 2013, 471). Die Beklagtenseite hat auch sonst nicht dargelegt, dass es das Verschulden des Klägers gewesen sei, dass der Ankäufer den Unfallwagen nicht früher abgeholt hat.

Zu beachten ist vorliegend, dass nicht etwa fiktive Kosten abgesetzt werden (dann wäre Raum für Berechnungen), sondern dem Geschädigten tatsächlich entstandene. Dann aber ist es Sache der Haftenden Umstände darzulegen und ggfs. unter Beweis zu stellen, die eine Anwendung des § 254 BGB rechtfertigen. Letzteres ist nicht geschehen.


II.

Die Zinsforderungen ergeben sich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges, §§ 286, 288 ZPO. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91a, 100 Abs. 4 ZPO. Die Klage war auch im Hinblick auf die Erledigung zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.


III.

Die Schriftsätze der Streitverkündeten gingen sämtlich erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung ein und konnten deshalb nicht berücksichtigt werden (inklusive Beitrittserklärung).

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Bedeutung für die Praxis: Die Begründung des Landgerichtes mag einfach klingen, doch bietet sie den Vorteil, einiges vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen. Denn woher soll ein Geschädigter eine Rechtsprechung pro Fraunhofer kennen, auf die ihn die Rechtsprechung in seinen Rechten zurücksetzt, was ihn selbst von den erhobenen Forderungen eine vierstellige Summe kosten kann. Warum kann eine nachträgliche Preiskontrolle der Gerichte dazu führen, dass eine Mietwagenforderung (zunächst erhoben im Rahmen der Schwackewerte) halbiert wird, obwohl der BGH die Schwackewerte und die Erhebungsmethode der Firma Schwacke gelten lässt? Die markigen Worte des Gerichtes sind zu relativieren, wenn es gleichzeitig feststellt, dass die Forderungen des Klägers nur geringfügig über den zugestandenen Beträgen liegen.