Mietwagenrecht§wi§§en aktuell KW 46 14

Oberlandesgericht Dresden 7 U 192/14 vom 16.10.2014, Beschluss nach § 522 ZPO

1. Das Landgericht Leipzig hat der Klägerin ohne Rechtsfehler weiteren Schadenersatz aufgrund Mietwagenkosten in 18 Fällen zugesprochen.
2. Die Beklagte hat eine Schätzung anhand der Schwackeliste auch in ihrer Berufungsbegründung nicht erschüttern können.
3. Schwacke ist geeignet, wenn andere günstigere und aber vergleichbare Angebote nicht aufgezeigt werden. Die Beispiele geben kein Anlass zu weiterer Sachaufklärung.
4. Unterschiede bestehen durch Kilometerbegrenzungen, bei der Pflicht zur Abholung beim Vermieter oder den in den Angeboten erkennbaren Zeitpunkten und Zeiträumen.
5. Nebenkosten für wintertaugliche Bereifung und weitere Haftungsreduzierungen sind zu erstatten.
6. Ein "erhebliches" bzw. "auffällig hohes" Abweichen vom Normaltarif, welches den Geschädigten zum Nachfragen und zu Erkundigungen verpflichten könnte, ist ab einer 50%igen Abweichung vom Normaltarif zu sehen.

Zusammenfassung: Das Oberlandesgericht Dresden bestätigt seine Rechtsprechung der Anwendung der Schwackeliste, solange kein auffallendes Missverhältnis zwischen Abrechnung und Schwacke-Mittelwert besteht und weist die Argumente der Beklagten als nicht auf den Fall bezogen ab.

==================================

Oberlandesgericht Dresden 7 U 192/14 vom 16.10.2014
(Vorinstanz Landgericht Leipzig 08 O 3915/12))

Beschluss

In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

wegen Forderung

hat die 7. Zivilkammer des Oberlandesgerichts Dresden durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht XXX, Richter am Oberlandesgericht XXX und Richter am Oberlandesgericht XXX ohne mündliche Verhandlung am 16.10.2014

beschlossen:

1.     Der Sitzungstermin vor dem Senat am 22.10.2014, 10.00 Uhr, wird aufgehoben.

2.     Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, da er Ihr keine Aussicht auf Erfolg beimisst. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 ZPO); eine mündliche Verhandlung scheint ebenfalls nicht geboten.

3.     Die Beklagten erhalten Gelegenheit, zu den Erwägungen des Senats binnen 2 Wochen Stellung zu nehmen. Insbesondere mögen sie innerhalb der Frist auch prüfen, ob die Berufung zur Vermeidung eines kostenpflichtigen Zurückweisungsbeschlusses zurückgenommen wird.

Gründe


I.

Die Berufung der Beklagten ist nach § 522 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. den §§ 511, 513, 519, 520 ZPO zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht erhoben.

II.

Hingegen hat die Berufung der Beklagte In der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

Denn das Landgericht Leipzig hat in dem angefochtenen Endurteil vom 22.01.2014 ohne Rechtsfehler der Klägerin Schadensersatz für restliche Mietwagenkosten in insgesamt 18 Fällen zugesprochen.

Die hiergegen erhobenen Einwendungen in der Berufungsbegründung der Beklagten vom 22.04.2014 enthalten keine durchgreifenden rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte, die bei umfassender Würdigung des gesamten Akteninhaltes zu einer Abänderung des landgerichtlichen Urteils führen müssten:

1.
Rechtsfehlerfrei hat sich das Landgericht in Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO bei der Ermittlung des Normaltarifs jeweils am gewichteten Mittel des Schwacke-Mietpreisspiegels lm entsprechenden Postleitzahlengebiet orientiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der Tatrichter nämlich bei Streitigkeiten über die Höhe von Mietwagenkosten grundsätzlich nicht gehindert, seiner Schadensschätzung die Schwacke-Liste zugrunde zu legen. Auch der erkennende Senat zieht - im Einklang mit der Rechtsprechung anderer Obergerichte sowie auch des Landgerichts Leipzig im angefochtenen Urteil - in ständiger Rechtsprechung die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage heran (vgl. nur OLG Dresden, Urt. v. 18.12.2013, Az: 7 U 605/13; Urt. v. 18.12.2013, Az: 7 U 831/13; Urt. v. 26.03.2014, Az: 7 U 1110/13). Danach stellt die Schwacke-Liste eine geeignete Schätzgrundlage dar, wenn - wie auch hier, was nachfolgend näher ausgeführt wird - erheblich günstigere Tarife für tatsächlich vergleichbare Anmietkonstellationen von der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung nicht aufgezeigt wurden.

2.
Die erstinstanzlichen Angriffe der Beklagten vermögen keine durchgreifenden Zweifel an der Schwacke-Liste als geeignete Schätzgrundlage in den zu beurteilenden Sachverhalten zu begründen, insbesondere zeigen die Beklagten auch keine konkreten Talsachen auf, aus denen sich detailliert geltend gemachte Mängel der Schätzgrundlage ergeben, welche sich auf die streitgegenständlichen Sachverhalte in erheblichem Umfang auswirken könnten.

So sind die von der Beklagten vorgelegten Vergleichsangebote aus dem Internet im Ergebnis nicht geeignet, um Anlass zu weiterer Sachaufklärung zu geben.

Allerdings ist der Berufung grundsätzlich darin zuzustimmen, dass mittels sog. ''Screenshots" vorgelegte konkrete Internet-Angebote nicht allein aufgrund der Tatsache, dass sie auf Online-Anfragen hin abgegeben wurden, als unzureichend zurückgewiesen werden dürfen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 18.12.2012, Az: VI ZR 316/11, Rn. 12, zit. nach juris).

Jedoch sind die von Beklagtenseite zu den Akten gereichten Internet-Angebote sämtlich mit den konkreten Anmietbedingungen der Zedenten aus den Jahren 2009 bis Anfang 2012 nicht vergleichbar. So weisen bereits etliche der vorgelegten Angebote im Gegensatz zu den Mietbedingungen der tatsächlich angemieteten Fahrzeuge eine Kilometerbegrenzung auf.

Durchgängig wird in den ''Screenshots“ zudem eine Abholung der Fahrzeuge durch den Geschädigten sowie die Rückgabe beim Mietwagenanbieter verlangt, was nach der Rechtsprechung des Senats einem Geschädigten nicht ohne Weiteres zugemutet werden kann (vgl. nur Senat, Urt. v. 26.03.2014, a.a.O.; OLG Celle, Urt. v. 29.02.2012, Az: 14 U 49/11, Rn. 18, zit. nach juris).

Weiterhin datieren sämtliche vorgelegte Internet-Angebote weit nach den tatsächlichen Anmietdaten; zudem ist weder substantiiert dargetan noch erkennbar, dass die in den Internet-Grafiken beschriebenen Fahrzeuge tatsächlich auch zu den damals erforderlichen Anmietungszeiträumen einer Anmietung zugänglich und tatsächlich verfügbar gewesen sind.

Schließlich wurde auch nicht dargetan, dass die zum Zeitpunkt der Anmietung eines Unfallersatzwagens regelmäßig noch nicht feststehende Reparatur- und damit Mietdauer auch bei den von Beklagtenseite vorgelegten Internet-Angeboten zunächst hätte offenbleiben können. Grundsätzlich nämlich ist – was dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist - eine spätere Erweiterung der Buchung über das Internet Im Hinblick auf die Mietdauer (etwa wegen einer Verlängerung der Reparaturzelt in der Werkstatt) nicht möglich.

Nach alledem bleibt festzuhalten, dass die von dem Beklagten vorgelegten Angebote bereits nicht geeignet sind, ein in erheblicher Weise niedrigeres Gesamtentgelt für ein in sämtlichen Merkmalen und Anmietbedingungen konkret vergleichbares Fahrzeug im jeweiligen Anmietzeitpunkt darzulegen.

3.
Hinsichtlich der Kosten für Winterreifen und Haftungsfreistellung kann vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil verwiesen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats sind derartige Kosten grundsätzlich erstattungsfähig (vgl. nur BGH, NJW 2005, 1043; Senat Urt. v. 18.07.2013, Az 7 U 269/12; BGH, Urt. v. 06.03.1013, Az: VI ZR 275/11; OLG Karlsruhe, VersR 2012, 8t5; OLG Celle, NJW-RR 2012, 802).

4.
Zwar rügen die Beklagten in der Berufungsbegründung im Ansatz zu Recht, dass das Landgericht bei der Ermittlung des Normaltarifs anhand der Schwacke-Liste nicht - wie geboten – bei Heranziehung von Wochenpauschalen hieraus den erstattungsfähigen Tagespreis errechnet und diesen dann mit der Anzahl der Miettage multipliziert hat (vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 14.10.2008, Az: VI ZR 308/07). Jedoch wirken sich etwaige hieraus entstehende Abweichungen bei der Berechnung des Normaltarifs im Ergebnis nicht aus, weil auch bei zutreffender Berechnung des Normaltarifs eine Ersatzfähigkeit der vom Landgericht zugesprochenen Klageforderung in gleicher Höhe gegeben wäre:

Denn der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich ein beachtliches Missverhältnis zwischen dem maßgeblichen Tarif der Schwacke-Liste und dem tatsächlich angebotenen Mietpreis dem Geschädigten regelmäßig nur dann aufdrängen muss, wenn dieser Normaltarif um mindestens 50 % überschritten worden ist. Bei Heranziehung dieses Grundsatzes wäre aber auch im Falle einer für die Beklagtenseite günstigeren Berechnung des Normaltarifs aus der Schwacke- Liste vorliegend in keinem der 18 Fälle im Hinblick auf die maßgeblichen Tarife der Schwacke-Liste eine Überschreitung der tatsächlich abgerechneten Mietpreise um mehr als 50 % zu konstatieren. Diese für den Rechtsanwender vorhersehbare und deshalb handhabbare Grenzziehung konkretisiert lediglich die vom BGH (vgl. Urteil vom 04.07.2006, Az: VI ZR 237/05) verwendeten Begriffe des "erheblichen" bzw. "auffällig hohen" Abweichens von den Preisen der Schwacke-Liste für den Einzelfall.

Daher sieht sich der Senat Insoweit im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, weshalb auch keine Veranlassung zur Revisionszulassung besteht.

5.
Weiter überzeugt auch der Einwand der Beklagten, die Kläger haben gegen § 1 PAngV verstoßen, nicht. Denn selbst bei Unwirksamkeit der Mietverträge bestünde ein Anspruch gemäß den §§ 249 ff. BGB auf Schadenersatz der die ortsüblichen Miettarife umfassen würde, weshalb eine vertragliche Nichtigkeit hier auf die vorliegenden Sachverhalte im Ergebnis keinen Einfluss hätte (vgl. auch BGH, Urt. v. 16.09.2008, Az.: VI ZR. 226/07).

6.
Auch den vom Landgericht tenorierten Freistellungsanspruch der Klägerseite greift die Berufung im Ergebnis ohne Erfolg an. Denn nach ihrem eigenen Sachvortrag (vgl. Seite 45 des Schriftsatzes vom 13.03.2013) waren die streitgegenständlichen Kosten zunächst durch die Rechtsbevollmächtigten der jeweiligen Geschädigten und dann jeweils nochmals durch die Klägerin selbst geltend gemacht worden, weshalb sich die Beklagte insoweit bereits in Verzug befand. Wird ein solcher Schaden nicht bereits aufgrund der ersten Geltendmachung reguliert, so darf der Geschädigte grundsätzlich einen Rechtsanwalt mit der weiteren Geltendmachung beauftragen und kann sodann diese Kosten im Rahmen des materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruches geltend machen (vgl. BGH, VersR 1995,183 f.).

7.
Vor diesem Hintergrund rät der Senat der Beklagtenseite zur Berufungsrücknahme. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass eine Rücknahme der Berufung vor Erlass eines Beschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO zu einer Gebührenermäßigung nach Nr. 1212 des Kostenverzeichnisses zum GKG führen würde.

==================================

Bedeutung für die Praxis: Wie einst das OLG Köln hält das Gericht in Dresden seine Linie und stellt deren Übereinstimmung mit dem BGH heraus. Vor allem die 50%-Grenze über dem Schwacke-Mittelwert sollte beispielgebend sein, drückt sie doch den geglückten Versuch aus, die Möglichkeiten des Geschädigten und die BGH-Rechtsprechung zusammen zu bringen.

(noch nicht rechtskräftig)