Landgericht Dresden: Bei Ersatzmietwagen keine Pflicht zur umfänglichen Marktanalyse

Landgericht Dresden 3 S 627/13 vom 13.06.2014
(Vorinstanz Amtsgericht Dresden 105 C 4099/13)

Im Namen des Volkes


Urteil


In dem Rechtsstreit XXX gegen XXX wegen Schadenersatz hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Dresden durch Richter am Landgericht XXX als Einzelrichter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23.05.2014 am 13.06.2014 für RECHT erkannt:

1.    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 27.11.2013 – 105 C 4099/13 –wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.333,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz hieraus seit dem 07.07.2013 nebst weiteren vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 156,50 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.     Von den Kosten des gesamten Rechtsstreits haben die Klägerin 12 % und die Beklagte 88 % zu tragen.
3.     Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4.     Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs .2 ZPO i.V.m. § 313a ZPO abgesehen.

II.
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist zulässig und hat in der Sache weitestgehend Erfolg.

Streitig ist allein, ob die restlichen Metwagenkosten, die die Klägerin aus abgetretenen Recht zur Zahlung beansprucht, der Höhe nach berechtigt sind.

1. Ausgangspunkt der Überlegung ist §249 Abs. 2 BGB. Danach kann im Falle der Beschädigung einer Sache statt der Herstellung der erforderliche Geldbetrag beansprucht werden.
Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH (BGH VersR 2013n30; BGH, Urteil  vom 12. Oktober 2004 - VI ZR 151/03, BGHZ 160, 377, 383; vom 19. April 2005 - VI ZR 37/04, BGHZ 163, 19, 22 f.; vom 19. Januar 2010 - VI ZR 112/09, VersR 2010, 494 Rn. 5; vom 2_ Februar 2010 - VJ ZR 139/08, VersR 2010, 545 Rn. 10 und - VI ZR 7/09, VersR 2010, 683 Rn. 8; vom 9. März 2010 - VI ZR 6/09, VersR 2010, 1053 Rn. 8) kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach §249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz: derjenigen Mietwagenkosten verlangen , die ein verständiger  wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für­ die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (Innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann. Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, weil er ein Kfz zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem Normaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u. Ä) allgemein einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach §249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich sind. Inwieweit dies der Fall ist, hat der bei der Schadensberechnung nach §287 ZPO besonders frei gestellte Tatrichter zu schätzen, wobei unter Umstanden auch ein pauschaler Zuschlag auf den "Normaltarif' in Betracht kommt (BGH vom 19. Januar 2010 - VI ZR 112/09; vom 2. Februar 2010 - VI ZR 7/09, vom 9. März 2010 - VI ZR 6/09, aaO; vom 12. April 2011 - VI ZR 300/09, VersR 2011, 769 Rn. 18; vom 18. Dezember 2012 - VI ZR 316/11).

2. Bei der Anmietung eines Ersatzwagens ist der Geschädigte nicht dazu verpflichtet, in eine umfängliche Marktanalyse einzusteigen. Es genügt, wenn er sich im Groben ins Bild setzt und kritisch hinterfragt, ob der Mietpreis als angemessen erscheint. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass eine umfangreiche Internetrecherche vor Anmietung des Fahrzeuges durch die Geschädigte nicht gefordert werden kann, so dass es auch als ausreichend anzusehen ist, wenn beispielsweise die jeweils aktuelle Schwacke-Liste, die nach der Rechtsprechung des BGH ein geeignetes Mittel zur Schätzung der Mietwagenkosten darstellt, zur Hand genommen wird' und man sich über die gängigen Metwagenpreise über diesen Weg informiert. Denn wenn die Schwacke-Liste als taugliches Schätzungsmittel für die Gerichte angesehen wird, dann muss dies auch ein taugliches Preisermittlungsinstrument für den Geschädigten bei Anmietung eines Ersatzwagens sein. Hätte die Zedentin dies getan, so wäre ihr aufgefallen, dass die dann später in Rechnung gestellten Metwagenkosten in einem noch tolerablen Maße über dem Mittelwert der jeweils gültigen Schwacke-Liste gestanden hätten.
Das OLG Dresden vertritt  hierzu in mlttlerweile gefestigter Rechtsprechung die Auffassung , dass dem Geschädigten erst dann ein beachtliches Missverhältnis, das Anlass für weitere Recherchen gibt, aufdrängen muss, wenn der maßgebliche Tarif der Schwacke-Liste um mindestens 50 % überschritten worden ist (OLG Dresden, Urteil vom 31.07.2013 -7 U 1952/12; Urteil vom 18.12.2013 -7 U 606/13; Urteil vom 26.03.2014 -7 U 110/13 -Stichwort Autoholding).

3. Das beschädigte Fahrzeug des Klägers ist der Fahrzeuggruppe 3 zuzurechnen.

Der Unfall ereignete sich im Jahr 2012, sodass vom Schwacke-Automietpreisspiegel für das Jahr 2012 auszugehen ist. Der Anmietzeitraum hat 20 Tage betragen (04.05.2012 bis 23.05.2012).

Für das Postleitzahlengebiet 013 beträgt der Wochenpreis mit Vollkaskoversicherung im Modus 586,50 € brutto. Hinzukommen zwei 3-Tagestarife mit Vollkaskoversicherung in Höhe von 315 € brutto. Weiter sind in die Rechnung 20 Tage Zweitfahrer a 12 € sowie Zustellkosten in Höhe von 46 € einzurechnen. Nach Schwacke wäre daher ein Betrag von insgesamt 2.089 € angefallen. In der Rechnung der Klägerin vom 26.5.2012 (Anlage K4, BI. 10 d. A) wurden 2.403,75 € brutto abgerechnet.

Damit übersteigt der Rechnungsbetrag (2.403,75 €) den nach Schwacke ermittelten Betrag 2.089 €) um ca. 13 %.

Er bewegt sich daher in dem Bereich, der nach der Rechtsprechung des OLG Dresden kein auffälliges Missverhältnis begründet und ist damit ersatzfähig.

4. Abzuziehen ist allerdings der übliche 10%-ige Abschlag an Eigenersparnis für die Anmietung eines klassengleichen Fahrzeuges (BGH Urteil vom 17. März 1970 – VI ZR 108/68, VersR 1970, 547; vom 2. März 1982 – VIR ZR 25/80, VersR 1982, 548, 549).
Daraus ergibt sich folgende Rechnung:
Rechnungsbetrag:                2.403,74 €
Abzüglich 10 %:                   2.163,38 €
Gezahlt:                                 829,45 €
Ergibt:                                1.333,93 €

5. Die Entscheidung zu den Zinsen ergibt sich aus den Verzugsvorschriften. Ebenso die Berechnung der ersatzfähigen außergerichtlichen Anwaltskosten als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung (1.333,93 € Gegenstandswert, Gebührenquote 1,3, Gebühr netto 136,50 (vor 01.08.2013), 20 € Pauschale = 156,50 €).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91,92,97 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die mittlerweile ständige Rechtsprechung des OLG Dresden wird lediglich auf diesen Fall hin angewandt.