Landgericht Krefeld (Beschluss): Berufung der Versicherung wird zurückgewiesen


Das Gericht bestätigt die erstinstanzliche Anwendung der Schwackeliste Automietpreisspiegel und verweist dazu auf die BGH-Entscheidung vom 18.12.2012 (VI ZR 316/11). Bedenken müssten aufzeigen, welche anderen Anbieter für eine vergleichbare Leistung am selben Ort und zur richtigen Zeit geboten haben. Das tut die Beklagte nicht. Das Gericht führt ausführlich und deutlich aus, warum die Argumente der Versicherung dem Anspruch konkreten Sachvortrages nicht genügen. Auch die OLG-Rechtsprechung in Köln ändert daran nichts.

Landgericht Krefeld 3 S 4/14 vom 04.06.2014

(Vorinstanz Amtsgericht Kempen 11 C 169/13)

Hinweisbeschluss

In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

Die Kammer weist darauf hin, dass beabsichtigt ist die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu dem vorstehenden Hinweis Stellung zu nehmen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

 

Das Amtsgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung überwiegend stattgegeben. Das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 30.04.2014 rechtfertigt keine andere Beurteilung.

1.

Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Geschädigte eines Verkehrsunfalls vom Haftpflichtversicherer des Schädigers nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BGH, Urteil v. 05.03.2013, VI ZR 245/11, juris, mit zahlreichen Nachweisen). Danach ist ein höherer Tarif als der sog. Normaltarif nur erstattungsfähig, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolge dessen zur Schadenbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (BGH, Urteil v. 02.02.2010, VI ZR 139/08, juris, Rn. 12). Ist der Unfallersatztarif auch mit Rücksicht auf die Unfallsituation nicht im geltend gemachten Umfang zur Herstellung erforderlich im Sinne des § 249 BGB, kann der Geschädigte den übersteigenden Betrag nur ersetzt verlangen, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt - zumindest auf Nachfrage - kein wesentlich günstigerer „(Normal-)Tarif“ zugänglich war (BGH, Urteil v. 14.02.2006, VI ZR 1213105, juris, Rn. 9). Die Voraussetzungen für einen solchen gegenüber dem Normaltarif höheren Betrag hat das Amtsgericht mangels ausreichenden Vortrags der Klägerin als nicht gegeben erachtet. Folgerichtig und ohne Rechtsfehler hat das Amtsgericht hinsichtlich der Schadenshöhe daher hier den Normaltarif zu Grunde gelegt.

2.

Soweit das Amtsgericht zur Schadensschätzung im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens nach § 287ZPO zur Ermittlung des Normaltarifs den Schwacke-Mietpreisspiegel 2011 bzw. 2012 herangezogen hat, ist auch dies nicht zu beanstanden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die in der Entscheidung vom 18.12.2012 (IV ZR 316/11) ihre Bestätigung gefunden hat, ist der Tatrichter grundsätzlich nicht gehindert, seiner Schadensschätzung die Schwacke-Liste zugrunde zu legen. Die Anwendung der Schwacke-Liste begegnet nach der genannten Rechtsprechung nur dann Bedenken, wenn die Parteien deutlich günstigere bzw. ungünstigere Angebote anderer Anbieter für den konkreten Zeitraum am Ort der Anmietung aufzeigen. Der konkrete Sachvortrag der Beklagten ist im vorliegenden Fall indes nicht geeignet, hier durchgreifende Zweifel an der Eignung der Schwacke-Liste zu begründen.

 

Die von der Beklagten in erster Instanz vorgelegten lnternet-Angebote liefern, auch unter Berücksichtigung der vorgenannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs, keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Schwacke-Liste keine taugliche Schätzungsgrundlage darstellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH mit Urteil vom 18.12.2012 unter Hinweis auf die ständige Senatsrechtsprechung). Daran fehlt es hier bereits deshalb, weil aus den vorgelegten Online-Angeboten der Anbieter Sixt und Europcar, anders als vom Bundesgerichtshof gefordert, nicht ersichtlich ist, dass ein Fahrzeug zu den genannten Konditionen im streitgegenständlichen Unfallzeitpunkt in Krefeld bzw. Kempen hätte angemietet werden können. Darüber hinaus ist vor dem Hintergrund der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.08.2011 (7 U 109/11, NZV 2011, 556 ff.) zu berücksichtigen, dass die Schwacke-Liste verschiedene Fahrzeuge zu Preisgruppen zusammenfasst, wobei die Eingruppierung nicht nur nach Herstellern und Fahrzeug-Modellen erfolgt, sondern auch innerhalb desselben Fahrzeugmodels nach dessen Motorisierung differiert und sich bereits von daher aus dem Fahrzeugmodell selbst noch nicht auf die jeweilige Fahrzeuggruppe schließen lässt. Die gebotene Vergleichbarkeit ist auch ferner deshalb nicht gegeben, weil es sich bei den von der Beklagten vorgelegten Internetangeboten lediglich um die beispielhafte Benennung eines Fahrzeugmodells handelt. Damit ist  schon nicht sichergestellt, dass das beispielhaft angebotene Fahrzeug dem Mieter auch zur Verfügung gestellt wird und damit dem vom Mieter tatsächlich angemieteten Fahrzeug vergleichbar ist. Weiter lassen sich den vorgelegten Internet-Angeboten der Beklagten nicht die Kosten entnehmen, die sich bei Zusatzleistungen für Sonderausstattungen ergeben. Da diese Kosten aber sehr variabel sein können, kommt es für die Frage, ob diese Angebote tatsächlich günstiger sind als die Schwacke-Liste, auf das konkrete Endergebnis des Mietpreises an. Daran fehlt es hier ebenfalls. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Im Übrigen ändert auch der Umstand, dass u. a. das Oberlandesgericht Köln zwischenzeitlich seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben hat und nunmehr die Schwacke-Liste nicht mehr als alleinige Schätzungsgrundlage heranzieht (vgl. etwa OLG Köln, Urteil v. 30.07.201 3, 15 U 212/12, Rn. 23 ff., juris), nichts daran, dass die Schwacke-Liste nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Kammer folgt, weiterhin eine geeignete Schätzungsgrundlage darstellt.

Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung der Kammer auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Krefeld, 04.06.2014

3. Zivilkammer