Landgericht Düsseldorf in Berufung pro Autovermieter

 

(Urteil hier vollständig abrufbar)

Das Landgericht Düsseldorf gibt der Berufung des Klägers statt, verwirft ein Gutachten des Sachverständigen als untauglich, wendet die Schwackeliste als Schätzgrundlage an. Den Anfeindungen der beklagten gegen die Richtigkeit der Ergebnisse aus der Schwackeliste erteilt das Gericht eine Abfuhr. Fehlerhaft zieht des Gericht 10% wegen Alter des Geschädigtenfahrzeuges ab, eine Praxis aus der Nutzungsausfall-Rechtsprechung, die eigentlich nicht auf die Rechtsprechung zu Forderungen aufgrund konkreter Mietwagenkosten übertragbar ist.

Landgericht Düsseldorf 21 S 125/13 vom 15.05.2015

(Vorinstanz Amtsgericht Düsseldorf 32 C 3949/12)

 

Im Namen des Volkes

 

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

 

XXX

 

gegen

 

XXX

 

hat die 21. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 10.04.2014 durch den Vorsitzenden Richte r am Landgericht XXX, den Richter amLandgericht XXX und den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX

 

für  Recht erkannt:

 

Auf die Berufung de s Klägers wird da s Urteil des Amtsgerichts Düsseldorfvom 21.03.2013, Az: 32 C 3949/12, teilweise abgeändert und insgesamtwie folgt neu gefasst:

 

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 601,08 Euro nebst Zinsen inHöhe von fünf Prozentpunkten übe r dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15.09.2011 sowie weitere 57,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünfProzentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15.09.2011 zuzahlen.

 

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

 

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 25 Prozent und dieBeklagte zu 75 Prozent.

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

 

I.

 

Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche des Klägers aus einem Verkehrsunfallgeschehen vom 21.08.2011 gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherin des Unfallverursachers. Konkret geht es um die Erstattung restlicher Mietwagenkosten für die achttägige Anmietung eines Ersatzfahrzeugs in Höhe von 822,26 Euro.

 

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Ansprüche des Klägers seien bereits durch die vorprozessuale Zahlung der Beklagten in Höhe von 982,94 Euro erloschen. Es sein von einem für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs erforderlichen Betrag in Höhe von 901,49 Euro auszugehen. Dies gelte auf Basis des eingeholten Sachverständigengutachtens. Die Ersatztarife gemäß den Schwacke­ bzw. Fraunhofer-Listen schieden nicht von vorneherein als Schätzgrundlagen aus, seien vorliegend jedoch nicht heranzuziehen, da aufgrund des umfassenden Vortrags der Beklagten und des eingeholten Sachverständigengutachtens feststehe , dass der Kläger ein vergleichbares Fahrzeug zu wesentlich günstigeren Preisen hätte anmieten können. Ein Zuschlag für unfallbedingte Mehraufwendungen sei nicht zu erstatten, da der Kläger entsprechende Mehraufwendungen nicht vorgetragen habe.

 

Mit seiner Berufung begehrt der Kläger die Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und die volle Zuerkennung des geltend gemachten Anspruches.

Von der Darstellung tatsächlicher Feststellungen im Übrigen wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

 

II.

 

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch teilweise begründet.

 

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von 601,08 Euro gemäß den §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG, 115 VVG zu. Denn die von dem Kläger aufgewandten Kosten für die achttägige Anmietung eines Ersatzfahrzeugs, von denen die Beklagte vorprozessual bereits 932,94 Euro beglichen hat, waren zur Herstellung der Sache in Höhe von 1.584,02 Euro erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.

 

Die von dem Amtsgericht hinsichtlich der Frage des  erforderlichen Geldbetrages festgestellten Tatsachen, nach denen lediglich ein Betrag in Höhe von 901,49 Euro erforderlich war, waren hierbei nicht gemäß § 529 Abs. 1 ZPO zu Grunde zu legen. Denn es liegen konkrete Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen begründen.

 

So hat das Amtsgericht den für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs erforderlichen Geldbetrag auf Basis eines Sachverständigengutachtens ermittelt. Die Feststellungen des Amtsgerichts auf Basis der Ergebnisse dieses Gutachtens erachtet die Kammer im Ergebnis als nicht tragfähig. Dabei kann offen bleiben, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens über aktuelle Anmietpreise bestimmter Fahrzeuge grundsätzlich überhaupt dazu geeignet ist, in einem vergangenen Zeitraum liegende erforderliche Anmietpreise festzustellen. Offen bleiben kann ferner auch, ob die Methode des Sachverständigen der Recherche über Telefonate beziehungsweise die Einholung von Internetangeboten als beanstandungsfrei gelten kann. Jedenfalls konnte auf Basis der Ergebnisse des Gutachtens des Sachverständigen XXX vom 20.11.2012 keine tragfähige Aussage über die erforderlichen Kosten der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs durch den Kläger getroffen werden. Denn der Sachverständige, der ursprünglich eine Anfrage an 1 9 Mietfahrzeugunternehmen beabsichtigt hatte, hat letztlich seine Einschätzung auf der Basis von lediglich fünf eingeholten Mietfahrzeugangeboten getroffen und auf Basis der Anmietungsangebote für 22 Tage einen durchschnittlichen Normaltarif für acht Tage von 669,18 Euro errechnet. Von dieser Zahl ist das Amtsgericht sodann in seiner Entscheidung ausgegangen.

 

Diese von dem Sachverständigen vorgenommene Erhebung begegnet schon deswegen Bedenken, weil sie auf offensichtlich dürftiger und nicht repräsentativer Datengrundlage erfolgte. Zudem kann auch ein eingeholter Mietpreis für 22 Tage nicht einfach rechnerisch auf acht Tage herunter gerechnet werden. Denn bekanntermaßen sind Mietfahrzeuge pro Tag umso teurer, je weniger Tage sie gemietet werden.

 

In Anwendung der gefestigten Kammerrechtsprechung (vgl. beispielsweise LG Düsseldorf v. 14.07.2011, 21 S 400/09; LG Düsseldorf v. 30.01 .2014, 21 S 207/11) und in Ausübung des ihr insofern gemäß § 287 bei der Schadensschätzung eingeräumten eigenen Ermessens (vgl. OLG, Köln VersR 2008, 95) legt die Kammer bei der Bestimmung des für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges erforderlichen Geldbetrages den so genannten Schwacke-Mietpreisspiegel zugrunde. Dieser ist grundsätzlich zur Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten geeignet (BGH v. 12.04.2011, VI ZR 300/09). Hierbei war allerdings von der Fahrzeugklasse 8 auszugehen, da das Fahrzeug des Klägers im Zeitpunkt des Verkehrsunfalls bereits mehr als fünf Jahre lang zugelassen war. Nach der Schwacke -Liste (arithmetisches Mittel) für den Postleitzahlenbereich 405 ergibt sich ein erforderlicher Anmietpreis von gerundet 1.150,00 Euro für acht Tage. Zuzüglich der von dem Kläger schlüssig vorgetragenen Kostenposten für die Haftungsbefreiung, den Aufschlag für einen Zusatzfahrer, das Navigationssystem, die Telefonfreisprecheinrichtung, das Automatikgetriebe und den Kosten für Zustellung und Abholung in Höhe von 610,02 Euro brutto ergeben sich 1.760,02 Euro.

 

Dagegen konnte der Kläger keinen so genannten unfallbedingten Mehraufwand geltend machen. Ein solcher kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Anmietung des Fahrzeugs aufgrund einer Not- oder Sondersituation erfolgt (OLG Celle v. 29.02.2012, 14 U 49/11; LG Köln v. 13.08.2013, 11 S 374/12). Hierzu trägt der Kläger nichts Schlüssiges vor. Soweit er angibt, bereits zwei Tage nach dem Unfallereignis ein Ersatzfahrzeug gemietet zu haben, ist die Kammer der Auffassung, dass bereits einen Tag nach dem Unfall grundsätzlich nicht mehr von einer Notsituation ausgegangen werden kann (vgl. auch LG Köln a.a.O.). Fehlt indes die Sonder- oder Notsituation, ist es auch nicht mehr erforderlich, auf Sonderpreise von Mietwagenunternehmen einzugehen, die spezielle Kalkulationen für Unfallopfer vornehmen oder - gegen Preiserhöhung - auf eine Bonitätsprüfung des Anmieters verzichten.

 

Der Kläger musste sich zudem einen Abschlag in Höhe von 10 Prozent wegen unfallbedingter Aufwendungsersparnis anrechnen lassen. Dies konnte er durch die Anmietung eines Fahrzeugs der Klasse 8 nicht vermeiden, da aufgrund des Alters seines Fahrzeugs dies ohnehin nur der Fahrzeugklasse 8 zuzuordnen war.

 

Insgesamt ergibt sich ein Anspruchsbetrag in Höhe von 1.584,02, von denen die Beklagte unstreitig bereits 982,94 Euro beglichen hat Der verbleibende Anspruch besteht in Höhe von 601,08 Euro.

 

Der Anspruch auf die Erstattung außergerichtlich entstandener Anwaltskosten beruht auf den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB.

 

Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

 

III.

 

Die  Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

 

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

 

Streitwert für die Berufungsinstanz: 822,26 Euro.