Amtsgericht Betzdorf: zweifelhafte Rechtsprechung, was tun?

Das Amtsgericht Betzdorf hat mit Urteil vom 02.05.12 (Aktenzeichen 33 C 523/11) dem Mietwagenunternehmen aus abgetretenem Recht weitere 431,25 Euro Mietwagenkosten (Forderung nach zwei Verkehrsunfällen) zugesprochen. Damit blieb es jedoch fast 50% hinter der geforderten Summe zurück. Schaut man sich das Urteil an, kommen Zweifel auf, ob das es der obergerichtlichen Rechtsprechung entspricht.

Zum Positiven:

Die Aktivlegitimation wird bestätigt, die Abtretung der Forderung erfolgte mit einem Abtretungsformular, in welchem die Forderung vom Gericht als "bestimmbar" eingestuft wird und welches damit der BGH-Rechtsprechung aus VI ZR 260/10 genügt. Bestimmbar ist sie deshalb, weil zum Zeitpunkt der Anmietung nur die Mietwagenforderung abgetreten wurde (Anmerkung: Ideen, man müsse eine Summe eintragen oder eine Reihenfolge bilden, erscheinen nicht sinnvoll).

Auch der durchschaubare Einwand des Versicherers, es bestehe überhaupt kein wirksames Mietverhältnis, wird zurückgewiesen. Denn zu einem wirksamen Vertragsschluss sei es nicht notwendig, dass eine Einigung auf einen konkreten Preis in einer bestimmten Höhe zustande kommt. Es reiche aus, dass man sich über einen bestimmbaren Preis einige. Wie sich aus den Unterlagen ergebe, wurde der "Preis laut Liste" der Klägerin zugrunde gelegt. Das reiche aus.

Das Gericht schätzt den Normaltarif mit der Schwackeliste 2011 und folgt den Argumenten, warum die Fraunhoferliste nicht anwendbar ist.

Was sollte in einem neuerlichen Verfahren an diesem Gericht beachtet werden?

Die Schwackeliste-Automietpreisspiegel und der Fraunhofer-Mietpreissiegel sind zunächst jeweils der Versuch, einen "Normaltarif für einen Selbstzahlerkunden" zu erheben (unabhängig von Unfall oder Werkstatt). Das geht aus der Beschreibung der Methodik der Listen hervor. Das Amtsgericht Betzdort geht deshalb fehl in der Annahme, dass ein "leicht erhöhter" Preisbetrag bei Schwacke damit zu tun habe, dass die dortigen Vermieter unbekannte Kunden bedienen würden. Dieses Argument stützt den so genannten "Aufschlag für unfallbedingte Mehrleistungen", der auf die Schwacke-Werte aufzuschlagen wäre, wenn einem Geschädigten besondere Leistungen nach einem Unfall zuteil werden.

Die von der Beklagten vorgelegten Internetangebote, mit denen sie ihre Argumentation stützen wollte, die Fraunhoferwerte seien richtig, hat das Gericht zurück gewiesen. Begründet wurde das nur mit der zeitlichen Ferne zur tatsächlichen Miete. Das Gericht ist in Zukunft auf viele weitere Gründe hinzuweisen, warum diese "Screenshots", mit denen der Versicherer regelmäßig vor Gericht Eindruck machen möchte, irrelevant sind:

- Es ist nicht erkennbar, welche Vorbuchungszeit beim "Internet-Surfen" des Versicherers nach Minimumwerten unterstellt wird. Preise mit langer Vorbuchung sind billiger, als eine Buchung für sofort. Häufig sind sofort gar keine Fahrzeuge in der benötigten Kategorie verfürbar, dann kann man ja nicht einfach einen anderen Zeitraum wählen, das kann der Geschädigte ja auch nicht, wenn er ein Fahrzeug braucht.
- Anmietorte der Internetangebote entsprechen nicht den Wohnorten der Geschädigten. Wäre eine Zustellung möglich? Was kostet diese? Und Rücktransport? Insofern sind die Angebote unvollständig und damit das Argument des Versicherers unsubstantiiert.
- Welche Haftungsreduzierung ist mit dem Internetangebot verbunden, welche Selbstbeteiligung ist gemeint und was kostet es, wenn diese herabgestuft werden soll? Auch insofern sind die Angebote unvollständig und damit das Argument unsubstantiiert.
- Wie lauten die Anmietbedinungen, welche Rechte und Pflichten haben Vermieter und Mieter, was gilt bei Schäden und besonderen Vorfällen, welche Stornierungs- Rückgabe und Kostenerstattungs-Regeln sind relevant?
- Die Internetangebote enthalten immer eine feststehende Mietdauer, dies ist mit der tatsächlichen Vermietung nicht vergleichbar, da die Mietdauer nie verbindlich feststeht.
- Welche Buchungsbedingungen bestehen, muss über Internet gebucht werden, muss gar die Kreditkarte eingesetzt werden oder besteht grundsätzlich die Pflicht zur Vorfinanzierung der Miete bereits lange vor dem ersten Miettag? Ist eine Kaution gefordert, wie hoch und wie zu zahlen?
-> Ist dadurch das Internet-Beispiel nicht vergleichbar?

Die Frage, ob sich der Geschädigte einen Abzug für ersparte eigene Aufwendungen gefallen lassen muss, wird durch das AG Betzdorf auch dann bejaht, wenn er ein klassenniedrigeres Fahrzeug anmietet und zusätzlich auch nur weniger als 1.000 km mit dem Mietwagen gefahren ist. Das erscheint als eine extreme Mindermeinung, denn der Geschädigte erhält mit den niederklassifizierten Fahrzeug einen Schadenersatz unterhalb des ihm zustehenden, um genau diesen Abzug zu vermeiden. Wie viele Kilometer der Geschädigte mit seinem eigenen Fahrzeug normalerweise fährt, spielt für diese Frage gar keine Rolle. Hier konnte dem Gericht der Zusammenhang zwischen geringer Fahrleistung und "kein Eigenersparnisabzug" bisher nicht vermittelt werden: Die Kosten, die der Geschädigte am eigenen Fahrzeug spart, weil er einen Mietwagen fährt, sind so gering, dass sie nicht messbar sind.

Die Argumentation der Klägerseite zum unfallbedingten Aufschlag wird vom Gericht auch missverstanden. Man schlussfolgert daraus den Unfallersatztarif. Der ist aber nicht betroffen. Denn das "Mietwagenmodell des BGH" kann so beschrieben werden:

Werkstatttarif: nicht relevant für die Frage der Mietwagenkosten nach Unfall
Direktvermittlungstarif: nicht relevant, wenn der Schädiger nicht nachweist, dass dem Geschädigten ein annahmefähiges Angebot zuzumuten gewesen wäre
Normaltarif für Selbstzahler: ist der Grundbetrag kann nach §287 ZPO geschätzt werden, Schätzliste ist anwendbar
Unfallbedingter Aufschlag: wenn der Geschädigte eine Leistung erhält, die nicht dem Normaltarif entspricht (keine Vorbuchung, keine Kaution,Vorfinanzierung durch Vermieter, Mehraufwand bei Vermieter, Risiken,..)
Nebenkosten: erstattungsfähig, wenn für den Geschädigten notwendig UND vereinbart und abgerechnet (Haftungsreduzierung, Winterreifenkosten, Zustellen, weitere Fahrer ...
UND DANN ERST: UNFALLERSATZTARIF (wenn Geschädigter nachweist, dass er in besonderer Situation kein anderes Angebot bekommen konnte, dann muss ihm auch ein Betrag darüber erstattet werden. Das muss allerdings der Geschädigte beweisen.)

Das bedeutet, dass der Klägervortrag zum Aufschlag zu unrecht als zu pauschal zurückgewiesen wurde.

Das Urteil ist der BAV-Urteilsdatenbank zu entnehmen, hier klicken

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