Staatliche Statistik auf Abwegen

Bundesweit übernimmt gerade die Online- und Print-Presse  die Headline "Mietwagenpreise explodieren" und verweisen auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes.

Doch was ist von der Qualität der Aussagen des Statistischen Bundesamtes zu halten? Kritik zur staatlichen Statistik gibt und gab es immer. Zuletzt haben Fachleute im Zusammenhang mit Corona gefragt, wie der Staat Maßnahmen ergreifen kann, wenn seine statistische Datenbasis eher einem Blindflug gleicht.

Dazu weiß man zu wenig. Aber im Bereich der Mietwagen kennen wir uns aus. Und auch hier: Die offizielle Statistik birgt grobe Fehler. Klar, alle wissen inzwischen durch Erfahrung oder Nachlesen, dass Mietwagen teurer sind als früher. Aber in welchem Ausmaß? Da hilft kein Gefühl, weil die Preise hier anders sind als dort, für dieses Fahrzeug anders als für jenes und heute anders als gestern oder morgen. Es wäre also schön, wenn die Behörde gut messen könnte. Kann sie aber anscheinend nicht, siehe diese Herleitung:

Zitat aus https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2022/PD22_25_p002.html (Stand 23.06.2022):

"In den rund 4 400 Unternehmen in Deutschland, die Mietwagen anbieten, arbeiteten im Jahr 2020 rund 31 900 Beschäftigte. Sie erwirtschafteten einen Umsatz von rund 34,7 Milliarden Euro."

Der Umsatz von rund 35.000.000.000 Euro pro Jahr würde bedeuten, dass jeder Mietwagen einen Jahresumsatz in Höhe von 120.000 Euro "erfahren" würde. Bei einer unterstellten Auslastung von branchendurchschnittlich 75 Prozent wären das 440 Euro pro Tag. Da sind wir mit dem gefühlt realistischen durchschnittlichen Tagespreis (60 Euro, 80 Euro oder 100 Euro?) ja noch lange nicht. Irgendetwas stimmt also nicht. Da sollte Destatis nochmal nachschauen. Wenn schon die Grundlagen nicht stimmen, dann ist den Preissteigerungs-Aussagen ebenso wenig Vertrauen entgegen zu bringen.

Auch Aussagen von Check24 oder Billiger Mietwagen sind mit Vorsicht zu genießen, weil diese auf die Angebote lediglich in den dortigen Portalen bezogen sind und nicht auf den Gesamtmarkt. Diese Angebote sind der lang vorgeplante günstige Teil des Marktes mit schwierigen und teils unklaren Mietbedingungen, für Verbraucher manchmal nicht zu empfehlen. Der Gesamtmarkt ist weit größer und vielschichtiger. Spricht die Behörde von 50 Prozent teurer und die Billigplattform von 40 Prozent teurer in diesem Jahr, sind es vielleicht lediglich 30 Prozent oder weniger. Niemand weiß es, weil keiner den Gesamtüberblickt über Millionen von Offerten und Mieten und die zugehörigen Preise hat. Für die Annahme von eher 30 Prozent spielt das Argument eine Rolle, dass - wenn der im Billigmarkt um 40 Prozent gestiegen sein soll - es nicht realistisch erscheint, dass der Preis im Gesamtmarkt mehr gestiegen ist. Denn zuerst wird man den Preis im Billigmarkt anheben, wo Kunden keine eigenen Kunden sind, sie nur sporadisch kommen und dem eigenen Unternehmen gegenüber vergleichsweise illoyal einzuschätzen sind.

Jedenfalls sind dramatisierende Aussagen der nach unserer Auffassung fehlerhaft arbeitenden Statistik-Behörde zum "offiziellen" Preisniveau kein hilfreicher Beitrag. Die Branche kämpft nach Corona mit Lieferengpässen bei Fahrzeugen und will trotz allem die Kunden bestmöglich mobil zu halten.