Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 30-24

Oberlandesgericht Oldenburg 1 U 173/22 vom 21.09.2023
(Vorinstanz Landgericht Osnabrück 7 O 1492/22 vom 19.10.2022)
1. Dem Kläger steht die Zahlung einer Nutzungsausfallpauschale für 148 Tage zu.
2. Der Anspruch besteht für den Zeitraum, der zur Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes erforderlich ist, in Form eines Wahlrechts eines konkreten Nutzungsausfallschadens wie Mietwagenkosten oder einer pauschalierten Entschädigung.
3. Der zu prüfende Nutzungswille ist grundsätzlich auch dann als gegeben anzusehen, wenn der Geschädigte ein beklagtenseits finanziertes Mietfahrzeug vorzeitig zurück gibt.
4. Auch, dass der Geschädigte nach Rückgabe des Mietwagens seinen Mobilitätsbedarf immer wieder durch private Leihe gedeckt hat, steht dem Anspruch auf pauschalierten Nutzungsausfall nicht entgegen.

Zusammenfassung: Das OLG Oldenburg sprach dem Geschädigten für eine sehr lange Ausfalldauer pauschalen Schadenersatz zu, weil er sein eigenes Fahrzeug während der Reparatur nicht nutzen konnte. Weder hatte er sich ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden vorzuwerfen noch folgte das Gericht dem Versicherer-Argument, ein Interimsfahrzeug sei anzuschaffen gewesen. Und auch der versichererseitigen Auffassung, die Rückgabe eines Mietwagens aus einer Direktvermittlung würde mangelnden Nutzungswillen aufzeigen, folgte das Gericht nicht.

Bedeutung für die Praxis: Der Versicherer sah nicht ein, für eine so lange Ausfallzeit Schadenersatz leisten zu müssen. Sich immer wieder ergebende Verzögerungen gingen jedoch auf Probleme bei Ersatzteillieferungen zurück und waren nicht vorhersehbar. Eine Einflussmöglichkeit des Geschädigten (Überwachungsverschulden) sah das Gericht nicht. Auch ein Auswahlverschulden bei der Beauftragung dieser Werkstatt sei nicht erkennbar. Das weitere Argument des Versicherers, der Geschädigte hätte ein Interimsfahrzeug anschaffen müssen, hatte der Versicherer selbst torpediert, indem er die Finanzierung nicht sicherstellte.
So versuchte er es im Prozess mit dem Argument, dass der Geschädigte seinen Nutzungswillen während der Reparatur aufgegeben habe und damit keinen Anspruch auf einen Ausfallschaden geltend machen könne. Denn er habe ja einen Mietwagen der Mietwagenfirma, die ihm vermittelt wurde, vorzeitig zurückgegeben. Der Ersatzwagen war ihm nach dem Unfall mit freundlichen Worten und Preisvorgaben vom Versicherer selbst untergejubelt worden. Ein Anspruch des Geschädigten auf einen Ersatzwagen besteht für die gesamten Dauer der Reparatur. Das interessierte jedoch die Mietwagenfirma nicht. Man setzte den Geschädigten mit unangenehmen Telefonaten so lange unter Druck, bis der genervt aufgab und lieber zu Fuß ging.
Dieses Verfahren ist daher ein Beispiel dafür, was im Rahmen der Rechtsprechung zur Schadenminderungsobliegenheit beim Mietwagen schief läuft. Der Versicherer, der hier in diesem Einzelfall die Spielregeln – legitimiert vom BGH – vorgegeben hat, ist eben der Versicherer des Schädigers und es interessiert ihn höchstens peripher, was zwischen dem Partner-Vermieter und dem Geschädigten passiert. Hauptsache, es kostet weniger als den Marktpreis. Und der Vermieter wird vermutlich die Erfahrung gemacht haben, dass eine zu lange Mietdauer in den Augen der „Partnerversicherung“ zu Mietwagenrechnungen führt, die diese nicht begleichen will und der Geschädigte auch nicht (oder gar nicht begleichen kann, hier wäre die Summe „hoch 4-stellig“ gewesen).
Interessant ist auch, dass nach neuester – danach ergangener – BGH-Rechtsprechung das entscheidende Oberlandesgericht in diesem Fall hätte anders herangehen müssen. Denn mit Fragen einer vom Geschädigten nicht beeinflussbaren Reparaturdauer hat sich das Gericht nicht mehr zu befassen, wenn – wie hier – der Geschädigte klagt und eine Zug um Zug-Abtretung von Vorteilsausgleichsansprüchen gegen die Werkstatt und/oder den Gutachter an den Versicherer des Schädigers anbietet.

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