Argumente gegen die Auffassung des LG Stuttgart aus Urteil 4 S 154/10

Argumente gegen die Auffassung des LG Stuttgart aus Urteil 4 S 154/10

Der Rechtsausschuss des Bundesrates hielt die gestrichene Passage für „obsolet“ (!), also für überflüssig, weil das, was die Passage aussagte, eine Selbstverständlichkeit sei. Denn wenn die Haupttätigkeit rechtliche Komponenten enthalte, seien die auch ohne die Passage im Gesetzesentwurf von vornherein eine Nebenleistung nach dem Berufs- oder Tätigkeitsbild.

Insoweit lag der Rechtsausschuss des Bundesrates richtig, wenn er den gestrichenen Satz für einen „weißen Schimmel“ hielt. Er sorgte sich darum, dass der deshalb überflüssige Satz zum Einfallstor dafür würde, per Vertrag zur vereinbaren, eine echte Haupt-Rechtsdienstleistung zum Leistungsbestandteil zu machen und damit die Regelungen des RDG auszuhebeln. Das alles hat rein gar nichts damit zu tun, dass der Gesetzgeber die Abrechung der „Unfallbranche“ mit dem gegnerischen Versicherer für den Prototyp der Nebenleistung im Sinne des § 5 Abs. 1 RDG hält.

Das Gericht fragt danach, welche Rechtskenntnisse erforderlich sind, um Mietwagen zu vermieten. Das ein Autovermieter die rechtlichen Grundlagen des Geschäftes kennen muss, liegt schlichtweg auf der Hand. Er muss die zulassungsrechtlichen Bestimmungen ebenso kennen, wie die fahrerlaubnisrechtlichen, die mautrechtlichen und alle weiteren, die man kennen muss, um ein selbständiges Gewerbe zu betreiben.

Darüber hinaus muss er schadenrechtliche Kenntnisse im Unfallersatzgeschäft haben. Es darf daran erinnert werden, dass der XII. Senat des BGH dem Autovermieter sogar Beratungspflichten auferlegt im Hinblick auf die schadenrechtliche Ersatzfähigkeit des Mietwagentarifes (Urteil vom 28.6.2006 – XII ZR 50/04). Mithin ist der Autovermieter im Unfallersatzgeschäft höchstrichterlich verpflichtet, Intensivkenntnisse hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit von im Zusammenhang mit Unfallersatzanmietungen entstehenden Rechnungen zu haben. Darüber hinaus muss er wissen, wie die lokale Rechtsprechung zum Thema „eine Klasse kleiner anmieten“ ist, um das richtige Fahrzeug auszuwählen. Er muss die Rechtsprechung zum Thema „Miettaxi“, „Mietfahrschulwagen“ kennen, er muss wissen, ob der Geschädigte einen Mietwagen für die Urlaubsreise anmieten darf, wenn der Unfall einen Tag zuvor passiert, der geschädigte Wagen in wenigen Tagen fertig ist, die Urlaubsabwesenheit aber länger dauert. Jeweils würde sich der Vermieter wohl den Vorwurf von Beratungspflichtverstößen zuziehen, wenn er nach dem Motto „Ist mir doch egal, ob der Kunde das Geld von der Versicherung erstattet bekommt“, drauf los vermietet.

Letztlich darf nicht aus dem Auge geraten, dass der Gesetzgeber einen alten Konflikt lösen wollte: Nach altem Recht musste der Vermieter dem Geschädigten eine Rechnung und eine Mahnung schicken. Blieb beides fruchtlos, war der Sicherungsfall eingetreten und der Weg über die Sicherungsabtretung frei. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Rechnungs- und Mahnungsversand eine substanzlose Förmelei war, die der BGH schon 1994 als Absurdität dieser Förmelei gesehen hat, sich aber gehindert sah, das durch Auslegung zu lösen und auf den Gesetzgeber verwies (Urteil vom 26.4.1994 – VI ZR 305/93 = DAR 1994, S. 314).

Schlussendlich würde die „Unfallbranche“, bliebe es bei der Auffassung des Gerichtes, die Praxis wieder aufnehmen, den Kunden zu mahnen. Da man zwanglos annehmen darf, dass die Grundhaltung der Kunden sein wird „Ich zahle gar nichts. Schließlich bin ich nicht Schuld an dem Unfall.“, geht die Einziehungspraxis weiter, aber eben erst nach dem vom Gesetzgeber nicht mehr gewollten (BR Drucksache 623/06 S. 110 f.: „Soweit die Rechtsprechung unter Geltung des Artikel 1 § 5 RBerG bis heute ganz überwiegend daran festhält, dass die Einziehung abgetretener Kundenforderungen durch den gewerblichen Unternehmer nur dann zulässig ist, wenn es diesem wesentlich darum geht, die ihm durch Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen (vgl. zuletzt. BGH, VI ZR 268/04 v. 15.11.2005, VersR 2006, 283), soll dies künftig nicht mehr gelten.“) Schritt der Mahnung.

Das AG Stuttgart hat in der zitierten Entscheidung (wie auch das AG Gummersbach bis zur Korrektur durch das LG Köln und das LG Koblenz) schlichtweg den erklärten Willen des Gesetzgebers ignoriert. Deshalb kann das Urteil wohl kaum als Beleg für die Auslegung des § 5 Abs. 1 RDG genommen werden.