Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 31-17

Amtsgericht Schwandorf 1 C 385/17 vom 18.07.2017

1. Restliche geltend gemachte Mietwagenkosten sind zur Wiederherstellung erforderlich und als Schadenersatzbetrag in voller Höhe erstattungsfähig.
2. Von mehreren erhältlichen Tarifen vergleichbarer Leistung kann der Geschädigte innerhalb eines gewissen Rahmens nur den günstigeren Betrag ersetzt verlangen, doch ist ihm Marktforschung nach dem günstigsten Preis nicht zuzumuten.
3. Der zur Schätzung (§ 287 ZPO) heranzuziehende Normaltarif ist auf der Grundlage der SchwackeListe-Automietpreisspiegel zu bemessen.
4. Der dagegen gerichtete Vortrag der beklagten Haftpflichtversicherung überzeugt nicht. Insbesondere die Preisauskünfte der Firma Caro-Autovermietung gebieten keine andere Sichtweise.
5. Für Eigenersparnis ist ein Abzug von 5 Prozent vorzunehmen.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Schwandorf spricht restliche Mietwagenkosten in voller Höhe zu und wendet zur Schätzung des erstattungsfähigen Betrages die SchwackeListe an. Der intensive Beklagtenvortrag gegen die Anwendbarkeit der SchwackeListe wird zurückgewiesen. Einen Eigenersparnisabzug bei Vermietung eines klassengleichen Ersatzfahrzeuges nimmt das Gericht lediglich in Höhe von 5 Prozent vor.

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Amtsgericht Schwandorf 1 C 385/17 vom 18.07.2017

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

wegen Forderung

erlässt das Amtsgericht Schwandorf durch den Richter Dr. XXX am 18.07.2017 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes

Endurteil



1.    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 464,72 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.12.2016 zu zahlen.

2.    Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss



Der Streitwert wird auf 464,72 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe



Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

I.

Das angegangene Gericht ist gem. §§ 1 ZPO, 23 Nr. 1, 71 I GVG sachlich und gem. § 32 ZPO örtlich zuständig.

II.

Die von der Klägerin geltend gemachten restlichen Mietwagenkosten sind in voller Höhe von noch 390,35 € erstattungsfähig.

1.
Der erstattungsfähige Betrag ist in Bezug auf entstandene Mietwagenkosten gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB auf den erforderlichen Herstellungsaufwand begrenzt. Was hiernach für erforderlich erachtet werden kann, ist danach zu bemessen, was ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten würde. Der Geschädigte hat dabei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit resultierenden Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg zur Schadensbehebung zu wählen.

Übertragen auf die Mietwagenkosten ist daher zu sehen, dass der Geschädigte von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt, nicht nur für Unfallgeschädigte, erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs innerhalb eines gewissen Rahmens grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann (vgl. BGH Urteil vom 24.06.2008 Az.: VI ZR 234/07). Jedoch ist dem Geschädigten nicht zuzumuten, eine Marktforschung zu betreiben, um den absolut günstigsten Preis für ein Ersatzfahrzeug herauszufinden. Es kommt vielmehr darauf an, welche Mietwagenkosten er für erforderlich halten durfte.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist für die Beantwortung der Frage, welche Aufwendungen für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs erforderlich sind, zunächst der Normaltarif heranzuziehen. Diesen Normaltarif ermittelt das Gericht, entsprechend der ständigen Rechtsprechung des AG Schwandorf, in Ausübung seines tatrichterlichen Ermessens im Rahmen der Schadensschätzung gem. § 287 ZPO auf der Grundlage der jeweils gültigen Schwacke-Liste.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist die Bemessung der Höhe des Schadens des Anspruches in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters (BGH NJW 1984, 2282; NJW 1988, 1835; NJW 2005, 277; NJW 2009, 10613; NJW 2009, 3022; NJW-RR  2011, 823).

Die Art der Schätzgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor, wobei gleichwohl in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden können. Nach der Rechtsprechung des BGH sind sowohl die Schwacke-Liste als auch der Fraunhofer Mietpreisspiegel grundsätzlich zur Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten geeignet. Da die Listen nur als Grundlage für eine Schätzung herangezogen werden, kann der Tatrichter im Rahmen seines Ermessens nach § 287 ZPO von dem sich aus den Listen ergebenden Tarif durch Zuschläge bzw. Abschläge grundsätzlich abweichen. Konkrete Zweifel an der grundsätzlichen Geeignetheit der Schwacke-Liste haben sich für das Gericht aufgrund des sich zum Entscheidungszeitpunkt ergebenden Sach- und Streitstands im konkreten Fall nicht aufgezeigt. Die generellen Einwände der Beklagtenpartei gegen die Eignung der Schwacke-Liste hält das Gericht für unbegründet. Insbesondere wurden keine konkreten Tatsachen dahingehend aufgezeigt, dass die geltend gemachten Mängel der vom Gericht angewendeten Schwacke-Liste sich auf den hier streitgegenständlichen Fall in erheblichen Umfang auswirken würden (BGH NJW 2008, 1519; NJW 2009, 58; NJW 2010, 1445; NJZ 2010, 2652; NJW-RR 2011, 823).

Nicht überzeugend ist in diesem Zusammenhang auch der Vortrag der Beklagten, es hätten billigere Angebote von Seiten der Fa. Caro vorgelegen. Nach der Rechtsprechung des BGH besteht eine Obliegenheit zur Anmietung eines günstigeren Fahrzeugs für den Geschädigten lediglich dann, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation "ohne weiteres" zugänglich gewesen wäre (BGH NJW 2016, 2402). Dies ist vorliegend nicht der Fall, insbesondere wurde von der Beklagten nicht erläutert, wie die Klägerin an dieses Angebot „ohne weiteres" hätte gelangen können. Es liegt auf der Hand, dass der Beklagten als Versicherungsgesellschaft insoweit andere Möglichkeiten offen stehen als der Klägerin. Die Klägerin hat daher nicht gegen ihre Obliegenheit zur Schadensminderung verstoßen, indem sie das Angebot der XXX Automobile GmbH angenommen hat.

2.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Obergrenze der erstattungsfähigen Mietwagenkosten, laut Schwacke-Liste 2016, ausgehend von der angemieteten Klasse 4, Postleitzahlengebiet 925... und 10 Tagen bei 1138,00 € liegt (748,00 € Wochenpauschale zuzüglich 390,00 € 3-Tagespauschale), die angesichts der Mietwagenrechnung von lediglich 514,08 € deutlich unterschritten wird.

3.
Anders als von der Klägerin vorgetragen, bemisst das Amtsgericht Schwandorf in ständiger Rechtsprechung den Abzug für ersparte Aufwendungen in Höhe von 5 % im Hinblick auf die Nichtnutzung des eigenen Pkw, vorliegend also 56,90 €. Abzüglich des geleisteten Betrags von 655,05 € verbleibt eine berechtigte Forderung der Klägerin i.H.v. insgesamt 426.05 €. Der geltend gemachte Betrag i.H.v. 390,35 € liegt darunter, so dass er voll zuzusprechen war.

III.

Auch hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für die Endreinigung i.H.v. 74,37 € war vorliegend der volle Klagebetrag zuzusprechen.

Die Klägerin genügt als Geschädigte ihrer Darlegungs- und Beweislast durch Vorlage der Reparaturrechnung. Es hätte bei dieser Sachlage der Beklagten oblegen, substantiiert zu bestreiten, insbesondere darzutun, dass die Klägerin eine etwaige Überhöhung der Reparaturkosten auch hätte erkennen können (vgl. OLG Nürnberg,  2 U 166/16). In dieser Hinsicht lassen die Vorbringungen der Beklagten jedoch jeglichen Vortrag zur Frage der konkreten Erkennbarkeit vermissen. Da die Beklagte insoweit schon ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen ist, war die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht angezeigt.

IV.

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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Bedeutung für die Praxis: Das AG Schwandorf geht auf die Argumente der Beklagten konkret ein. Die Besonderheit bestand in diesem Fall darin, dass die Beklagte Schreiben eines unbeteiligten Vermieters vorgelegt hat, in welchen dieser Vermieter behauptete, dem Geschädigten hätte zum Anmietzeitpunkt dort ein weit günstigeres vergleichbares Fahrzeug vermietet werden können, wenn er denn danach gefragt hätte. Das Gericht stellt das zwar nicht in Abrede, weist es als Argument gegen die Erstattungsfähigkeit der aufgewendeten Mietwagenkosten trotzdem zurück. Das Argument hier: Es stehe nicht fest, dass dem Geschädigten dieses Angebot ohne Weiteres zugänglich gewesen wäre. Die Beweislast hierfür liegt bei der beklagten Haftpflichtversicherung. Die Beklagte habe aber noch nicht einmal vorgetragen, wie der Geschädigte an dieses Angebot hätte gelangen sollen, an welches die Versicherung mit anderen Möglichkeiten herankommen könne. Eine Verletzung der Schadenminderungspflicht nach § 254 BGB könne deshalb nicht gesehen werden. 

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