Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 14-16

Landgericht Bonn, 5 S 138/15 vom 17.03.2016, Beschluss
1. Das Berufungsgericht weist darauf hin, dass die Berufung der beklagten Haftpflichtversicherung keine Aussicht auf Erfolg hat.
2. Der BGH hat grundsätzlich Schätzungen der Mietwagenforderungen auf der Basis Schwacke, Fraunhofer oder einer Vermischung von Listen als rechtlich zulässig erachtet.
3. Konkrete dagegen gerichtete Einwände hat die Beklagte nicht vorgetragen, sodass eine Überprüfung der Eignung der Liste(n) nicht vorzunehmen ist.
4. Die von der Beklagten vorgelegten Internetangebote der Firma AVIS sind nicht vergleichbar, so sind diese - anders als die Beklagte behauptet - mit der Pflicht zur Vorfinanzierung verknüpft.
5. Vorgelegte Bestätigungsschreiben der Firma Enterprise sind ebenso ungeeignet.
6. Von einem Eigenersparnis-Abzug ist abzusehen.
7. Verzögerungen in der Werkstatt mit der Folge längerer Mietdauer hat der Geschädigte nicht zu vertreten.
8. Allein die Unsicherheit über die Rückgabe des Mietfahrzeuges rechtfertigt einen unfallbedingten Aufschlag, der hier mit 20 % festzulegen ist.

Zusammenfassung: Das Landgericht Bonn erteilt den Parteien den Hinweis, die erstinstanzliche Schätzung anhand des Mittelwertes der Listen solle bestätigt werden. Ein 20%iger Aufschlag auf den so festgesetzten Normaltarif sei berechtigt.

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Landgericht Bonn 5 S 138/15 vom 17.03.2016
(Vorinstanz Amtsgericht Bonn 110 C 293/15)


Beschluss


In dem Rechtstreit

XXX

gegen

XXX

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Bonn am 17.03.2016
durch den Richter am Landgericht XXX, die Richterin am Amtsgericht XXX und die Richterin am Landgericht XXX

beschlossen:

Die Kammer weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 20.11.2015 - 110 C 293/15 - nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit, hierzu binnen 2 Wochen nach Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.


Gründe

I.

Die zulässige Berufung hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Ausführungen in der Berufungsbegründung führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung des Amtsgerichts, der Klägerin einen Anspruch auf Zahlung noch offener Mietwagenkosten in Höhe von insgesamt 2.847,17 Euro gemäß §§ 7, 18 StVG, §§ 823, 249, 398 BGB, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG zuzusprechen, ist berufungsrechtlich nicht zu beanstanden.

1.

Als Schätzgrundlage sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urt. v. 22.2.2011, VI ZR 353/09; Urt. v. 12.4.2011, VI ZR 300/09; Urt. v. 17.5.2011, VI ZR 142/10) grundsätzlich sowohl der „Mietpreisspiegel" des Unternehmens eurotaxSCHWACKE (im Folgenden Schwacke-Liste) als auch der ,,Marktpreisspiegel Mietwagen" des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (im Folgenden Fraunhofer-Liste) geeignet. Der Bundesgerichtshof hat die generelle Eignung beider Tabellenwerke zur Schadensschätzung betont und auch eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel der beiden Markterhebungen als rechtlich zulässig erachtet (BGH, NJW-RR 2010, 1251). Auch in den vorliegenden Fällen kann auf diese Listen zurückgegriffen werden.

Entgegen der Ansicht der Beklagten liegen keine auf den konkreten Fall bezogenen Einwände gegen die Schätzgrundlage vor, so dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 22.02.2011 - VI ZR 353/09, r+s 2011, 264, Rn. 7 f.; Urt. v. 18.05.2010 - VI ZR 293/08, NJW-RR 2010, 1251, Rz. 4; Urt. v. 17.05.2011 - VI ZR 142/10, juris, Rz. 7) keine Veranlassung besteht, an der Eignung der verwendeten Schätzgrundlage zu zweifeln. Die von der Beklagten mit der Klageerwiderung vorgelegten Angebote der Firma AVIS sind nicht vergleichbar und daher zu Recht vom Amtsgericht unberücksichtigt gelassen worden. Zum einen weisen die Angebote einen willkürlichen Anmietzeitpunkt im Jahr 2015 auf. An einer Vergleichbarkeit zum tatsächlichen Anmietzeitraum fehlt es. Zudem stehen die Angebote - anders als von der Beklagten vorgetragen - unter der Bedingung, dass der Geschädigte bzw. Kunde eine Kreditkarte vorlegt. Dies ist indes nicht zumutbar. Gerade bei Unfällen liegt es nahe, dass die Geschädigten sich zur Abdeckung etwaiger weiterer, nicht ohne weiteres vorhersehbarer Kosten ein etwa noch nicht ausgeschöpftes Kreditkartenlimit offen halten wollen und daher zunächst von dem Einsatz ihrer Kreditkarten absehen, wenn Ihnen - wie dies bei anderen regionalen Mietwagenunternehmen der Fall ist - die Möglichkeit eingeräumt wird, ein Unfallersatzfahrzeug auch ohne Einsatz ihrer Kreditkarte anzumieten (so OLG Köln, Urteil vom 08.11.2011 - 15 U 39/11, n.v.).

Soweit die Beklagte erstmals mit der Berufung Preisauskünfte der Firma Enterprise Autovermietung Deutschland GmbH vorlegt, aus denen sich ergeben soll, dass im jeweils konkreten Anmietzeitraum Ersatzfahrzeuge zu deutlich niedrigen Preisen hätten angemietet werden können, sind diese schon im Hinblick auf § 531 Abs. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen. Unabhängig davon sind diese auch nicht geeignet, konkrete Zweifel an der Eignung der Schadensschätzgrundlage zu begründen. Aus den Preisauskünften ergibt sich nicht, ob die Mietbedingungen mit denen in dem vorliegenden Fall vergleichbar waren. Es ist nicht ersichtlich, ob eine Vorbuchungsfrist einzuhalten war, eine Vorfinanzierung des Mietpreises durch Hinterlegung einer Kreditkarte oder einer Kaution zu erfolgen hatte oder irgendwelche weiteren Kosten und Auflagen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sind.

2.

Die Klägerin muss sich auch nicht einen Abzug für ersparte Eigenkosten anrechnen lassen. Denn abgerechnet wurde jeweils ein Fahrzeug einer niedrigeren Fahrzeugklasse. Dass die Beklagte dies mit der Klageerwiderung bestritten hat, ist unbeachtlich. Zum einen war das Bestreiten bereits deshalb ohne Relevanz, weil sich der Umstand der Anmietung eines klassenniedrigeren Fahrzeuges bereits aus den vorgelegten Rechnungen ergibt. Ungeachtet dessen hat die Klägerin mit der Replik vom 30.09.2015 substantiiert dazu vorgetragen, welche Fahrzeuge und Fahrzeuggruppen jeweils vermietet worden sind und welchen Fahrzeuggruppen die verunfallten Fahrzeuge der Geschädigten zuzuordnen waren. Diesem Vortrag ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten, so dass das Amtsgericht zutreffend von einer nunmehr vorliegenden Unstreitigkeit, jedenfalls aber von einer mangels hinreichender Substantiierung Unerheblichkeit des Bestreitens ausgehen durfte.

Die Auffassung des Amtsgerichts, dass ein Abzug für Eigenersparnis nicht vorgenommen wird, wenn der Geschädigte jeweils ein klassenniedrigeres Fahrzeug angemietet hat, ist dabei nicht zu beanstanden. Der Geschädigte ist grundsätzlich berechtigt, einen gleichwertigen Ersatzwagen anzumieten; mietet er gleichwohl ein einfacheres Fahrzeug an, widerspricht ein Ersparnisabzug der Billigkeit, weil der Schädiger so in doppelter Weise entlastet würde (vgl. BGH, Urt. v. 05. März 2013 - VI ZR 245/11 -, Rn. 26, juris).

3.

Soweit die Beklagte mit der Berufung geltend macht, in dem Schadensfall 3 (XXX) sei nicht ersichtlich, inwiefern ein Zeitraum von 18 Tagen erforderlich gewesen sei, ist dieser Vortrag schon im Hinblick auf § 531 Abs. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen. Anders als die Beklagte in der Berufungserwiderung ausführt, sind erstinstanzlich keine Einwendungen gegen die abgerechnete Anmietdauer erhoben worden.

Ungeachtet dessen ist der Vortrag auch unerheblich. Eine etwaige Verzögerung der Reparaturarbeiten seitens der Werkstatt - etwa, wie vorgetragen, durch die verzögerte Ersatzteilbestellung - können nicht der Geschädigten bzw. der Klägerin angelastet werden. Die Reparatur wurde unstreitig am 12.12.2014 durch Abgabe des Fahrzeugs beauftragt. Ab diesem Zeitpunkt bedurfte es der Bereitstellung eines Ersatzfahrzeuges. Die Reparaturdauer konnte sodann weder von der Geschädigten noch von der Klägerin beeinflusst werden.

4.

Die Klägerin ist auch berechtigt, auf den jeweiligen ortsüblichen Normaltarif einen Aufschlag von 20 % anzusetzen. Insoweit schließt sich die Kammer der Rechtsprechung der hiesigen 8. Zivilkammer an (Urt. v. 17.11.2015, 8 S 107/15). Allein die zum Zeitpunkt der Anmietung bestehende Unsicherheit über das Datum des - von der Reparaturdauer abhängig gemachten - Rückgabetermins rechtfertigt einen pauschalen Aufpreis auf den „normalen" Tarif. Ungeachtet dessen hat die Klägerin In der Replik vom 30.09.2015 weitere spezifische Kosten bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen im Einzelnen dargetan, ohne dass die Beklagte dem substantiiert entgegengetreten ist.

Bei dieser Sachlage gibt die Berufung zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils keine Veranlassung.

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Bedeutung für die Praxis: Das Gericht setzt die neuere Rechtsprechung des OLG Köln und der 8. Kammer des LG Bonn fort, den unfallbedingten Aufschlag zuzusprechen, wenn unfallbedingte Mehrleistungen vorgetragen sind. Vorfinanzierung, Sofortbedarf und unbekannte Mietdauer sind inzwischen wieder tragfähige Argumente. Hervorzuheben ist auch, dass das Berufungsgericht in neuerdings auftauchenden Gefälligkeitsschreiben einiger Vermieter keinen konkreten Sachvortrag sieht (bekannt sind diese bisher von den Firmen Enterprise und Caro), die vom Haftpflichtversicherer als Beleg dafür in den Prozess eingebracht wurden, dass zum Anmietzeitpunkt Angebote am Markt existierten, die günstiger gewesen sind.