Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 27-17

 

Amtsgericht Berlin-Mitte 123 C 3064/16 vom 28.03.2017 

1. Zur Schätzung der berechtigten Schadenersatzforderung wegen erforderlicher Mietwagenkosten wird das arithmetische Mittel des Selbstzahlertarifs aus dem Schwacke-Automietpreisspiegel herangezogen.
2. Eine Anwendung der Werte aus der Fraunhoferliste wird abgelehnt, da es sich bei dem Verweis auf Fraunhofer nicht um einen konkreten Sachvortrag handelt und diese Liste erheblichen Zweifeln begegnet.
3. Die Bildung eines Mittelwertes aus Schwacke und Fraunhofer ist nicht nachvollziehbar, da die Methoden und Ergebnisse der Institute nicht vergleichbar sind.
4. Von der Beklagten vorgelegte günstigere Internetangebote sind nicht vergleichbar.
5. Der Verweis auf tatsächlich vorhandene günstigere Angebote zum Anmietzeitpunkt ist zur Erschütterung der Schätzgrundlage ungeeignet.
6. Die erkennbare Annahme des Haftpflichtversicherers, nur die Kosten des günstigsten Mietwagens seien grundsätzlich erstattungsfähig, wird als rechtsirrig zurückgewiesen.
7. Ein Mitverschuldensvorwurf gegen den Geschädigten wegen nicht erfolgter Erkundigung nach günstigeren Alternativen wird verneint, da dieser zur Marktforschung nicht verpflichtet ist und der Preis des Ersatzfahrzeuges nicht als deutlich überhöht angesehen werden kann.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht wendet zur Mietwagenkostenschätzung die Schwackeliste an. Fraunhofer wird mit ausführlicher Begründung ebenso abgelehnt wie die Mittelwertberechnung aus beiden Listen. Die Argumente der Beklagten gegen Schwacke und gegen die klägerische Abrechnung sind für das Gericht nicht stichhaltig. Zur Beurteilung der Angemessenheit der Forderung kann die Diskussion der Eilbedürftigkeit der Anmietung außen vor bleiben, da die Forderung einen vergleichbaren Normaltarif nicht übersteigt. Außer dem Normaltarif sind Kosten für Nebenleistungen wegen Haftungsreduzierung, Zustellen und Abholen des Ersatzwagens und Zweitfahrer zu erstatten.

===================

Amtsgericht Berlin-Mitte 123 C 3064/16 vom 28.03.2017

Im Namen des Volkes



URTEIL



In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

hat das Amtsgericht Mitte, Zivilprozessabteilung 123, Littenstraße 12 - 17, 10179 Berlin, im schriftlichen Verfahren am 28.03.2017, bei dem Schriftsätze bis zum 06.03.2017 eingereicht werden konnten, durch den Richter XXX

für Recht erkannt:

1.    Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Mitte vom 15. August 2016 wird insoweit aufrecht erhalten, als die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger einen Betrag in Höhe von als 518,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 6 Prozentpunkten aus diesem Betrag über dem Basiszinssatz seit 30. März 2016 zu zahlen, und soweit die Beklagte verurteilt worden ist, den Kläger gegenüber den Klägervertretern, der Rechtsanwaltskanzlei XXX, XXX, XXX und XXX wegen vorgerichtlicher entstandener Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 16,20 EUR freizustellen.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II.    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 23 % und im Übrigen die Beklagte, ausgenommen die Kosten der Säumnis der Beklagten am 15. August 2016, die die Beklagte allein trägt.

III.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 


Tatbestand



Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen. Ein Rechtsmittel ist zweifelsfrei unzulässig, weil die Berufungsbeschwer von 600,00 EUR (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) für keine Seite erreicht ist und Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 1 ZPO) nicht vorliegen.


Entscheidungsgründe



I.

Das Gericht konnte gemäß § 495a Satz 1 ZPO nach seinem billigen Ermessen im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil der Streitwert 600,00 EUR nicht übersteigt.

II.

Der statthafte und entsprechend §§ 339, 340 ZPO form- und fristgerechte Einspruch der Beklagten hat nur teilweise Erfolg; die zulässige Klage ist teilweise begründet.

1.

Die Beklagte ist dem Kläger gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, jeweils 398 BGB dem Grunde nach zum Ersatz der aus dem Unfall vom 12. Oktober 2015 entstandenen Schäden in Gestalt von Mietwagenkosten verpflichtet; der Unfall ist bei Betrieb eines bei der Beklagten versicherten Kraftfahrzeugs eingetreten, die alleinschuldhafte Unfallverursachung durch den Fahrer dieses Fahrzeugs steht außer Streit. Hierbei wurde der Wagen der Geschädigten XXX beschädigt. Der Höhe nach bestimmt sich der zu ersetzende Schaden gemäß § 249 Abs. 1 BGB an dem zur Herstellung des ohne den Unfall bestehenden Zustandes Notwendigen.

2.

Die Mietwagenkosten sind in Höhe von 518,77, EUR ersatzfähiger - im Ausgangspunkt der Geschädigten XXX entstandener - Schaden. Zu dem im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag, den Verkehrsunfallgeschädigte ersetzt verlangen können, zählen auch die Mietwagenkosten, die durch Anmietung eines Ersatzfahrzeugs während des unfallbedingten Fahrzeugausfalls entstanden sind (allg. Meinung, vgl. z.B. Palandt/Grüneberg, 74. Auflage, § 249 BGB, Rn. 31; BGH, Urteil vom 27. März 2012, - VI ZR 40/10 - m.w.N.).

a.

Soweit die Beklagte bestreitet, dass die Geschädigte XXX überhaupt einen Mietwagen als Ersatz für ihr bei dem Unfall beschädigtes Fahrzeug angemietet hätte, erweist sich das Bestreiten als unsubstantiiert und darum wegen Verstoßes gegen die Pflicht zum vollständigen und wahrheitsgemäßen Vortrag (§ 138 Abs. 1 ZPO) als prozessual unbeachtlich: Denn in Ansehung des unterzeichneten schriftlichen Mietvertrages (Anlage K1, BI. 8 d.A.) hätte es konkret der Darlegung bedurft, wieso die Beklagte davon ausgeht, dass ein Mietverhältnis dennoch nicht bestand. Das einfache Bestreiten erweist sich insoweit als nicht weiter erwiderungsfähig.

Dies gilt im Ergebnis auch, soweit die Beklagte bestreitet, dass der Kläger und die Geschädigte (als Vermieter respektive Mieter) die mit der Rechnung (Anlage K3) verlangten Preise für die Leistungen des Klägers im Voraus vereinbart hätten. In Ansehung des schriftlich vorgelegten Mietvertrages hätte es zum konkreten Bestreiten der Einlassung bedurft, welche Preise nach Verständnis der Beklagten vereinbart worden sein sollten, zumal sie auch dem Vortrag, es seien die Preise anhand einer beigelegten Preisliste (auf die der schriftliche Vertrag verweist und die den abgerechneten Preisen entsprächen, vgl. BI. 91 d.A.) nicht mehr im Einzelnen entgegengetreten ist.

Unsubstantiiert ist schließlich auch das Bestreiten, die Beklagte habe keinen Mietwagen benötigt. Die Geschädigte war Eigentümerin eines Fahrzeugs, das bei dem Unfall auch in Betrieb war, was ihren Nutzungswillen belegt. Wieso sie während der (unbestrittenen) unfallbedingten Ausfallzeit plötzlich keinen Wagen mehr benötigt haben soll und wieso sie dann dennoch 672 km (d.h. rund 67 km täglich) mit dem Mietwagen fuhr, vgl. Anlage K3, BI. 10 d.A., hätte nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast die Beklagte im Einzelnen darzustellen gehabt.

b.

Der in Höhe von 1.222,11 EUR (brutto) abgerechnete Grundpreis für 10 Miettage ist in voller Höhe ersatzfähiger Schaden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind als erforderlicher Aufwand im Sinne von § 249 BGB zwar nur diejenigen Mietwagenkosten anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2008 - VI ZR 234/07 -, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 308/07 - juris), wobei die Kriterien des § 254 Abs. 2 BGB sinnentsprechend gelten (Fricke, VersR 2011, 966, 968 f. m.w.N.). Verkehrsunfallgeschädigte sind darum auch bei der Inanspruchnahme von Mietwagen zur Überbrückung der Reparaturdauer gehalten, im Rahmen des Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen; daher können sie unter den auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen. Die Betrachtung ist dabei nicht auf spezielle „Unfallersatztarife“ beschränkt, sondern hat sich jedenfalls im Ausgangspunkt an allgemein verfügbaren „Normaltarifen“ zu orientieren, wobei Besonderheiten des Einzelfalles eine Überschreitung des hiernach Erforderlichen rechtfertigen können (BGH, Urteil vom 19. April 2005 - VI ZR 37/04 -, BGHZ 163, 19-26; vgl. auch Urteil vom 05. März 2013 - VI ZR 245/11 -, juris Rn. 15; Urteil vom 09. März 2010 - VI ZR 6/09 -, juris Rn. 8). Der Normaltarif kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof in Ausübung des tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage des Schwacke-Automietpreisspiegels im Postleitzahlengebiet des Anmietorts geschätzt werden, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel an der betreffenden Schätzgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH, Urteil vom 09. Mai 2006 - VI ZR 117/05 -; BGH, Urteil vom 11. März 2008 - VI ZR 164/07 -; BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 - VI ZR 353/09 BGH, Urteil vom 12. April 2011 - VI ZR 300/09 -).

Diesen Normaltarif für 10 Miettage der hier abgerechneten Mietwagenklasse 7 (Anlage K3, BI. 10 d.A.) schätzt das erkennende Gericht in Ausübung seines tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO in Anlehnung an den Schwacke-Automietpreisspiegel 2015 (erhoben ab April 2015 und damit sachnächste Erhebung) im Postleitzahlengebiet 382… entsprechend dem Anmietort, vgl. Anlage K1, Bl. 8 d.A., auf insgesamt 1.403,41 EUR.

Dabei ist grundsätzlich vom im Schwacke-Automietpreisspiegel ausgewiesenen arithmetischen Mittel auszugehen. Zwar gibt das arithmetische Mittel im Gegensatz zum ebenfalls ausgewiesenen sogenannten Modus nicht immer die tatsächlich angebotenen Preise wieder. Allerdings spricht gegen die Anknüpfung an den Modus, dass es hierbei zu erheblichen Verzerrungen kommen kann, wenn unter einer Vielzahl individueller Angebotspreise nur zwei vollständig übereinstimmen, die dann unabhängig von der Höhe der anderen Werte den Modus bilden (Kammergericht, Urteil vom 08. Mai 2014 - 22 U 119/13 -, juris Rn. 8, m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund war eine Wochenpauschalen und eine Drei-Tages-Pauschale zu Grunde zu legen, was den genannten Betrag ergibt.

Soweit die Beklagte einwendet, der Tarif sei nicht betriebswirtschaftlich gerechtfertigt, ist dies nicht nur völlig unsubstantiiert, sondern auch unerheblich. Den Normaltarif kann der Geschädigte grundsätzlich ersetzt verlangen und muss sich keine Gedanken machen, ob nicht möglicherweise der Vermieter (was der Geschädigte auch gar nicht wissen kann) diesen Normaltarif anbieten kann und hierbei zugleich noch übergebührliche Gewinne erzielt.

Auf die Frage, ob eine „Eilsituation“ vorlag, in der „unfallspezifische Mehrleistungen“ erbracht wurden, kommt es danach nicht mehr an. Der abgerechnete Grundpreis ist auch ohne solche Umstände, die einen weiteren Aufschlag rechtfertigen könnten, angemessen bzw. erforderlich.

b.

Die seitens der Beklagten erhobenen Bedenken gegen die Anwendbarkeit des Schwacke­Automietpreisspiegel werden vom Gericht nicht geteilt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 11. März 2008 - VI ZR 164/07 -, Rn. 9, juris; BGH, Urteil vom 24. Juni 2008 - VI ZR 234/07 -, Rn. 23, juris; BGH, Urteil vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 308/07 -, Rn. 23, juris) ist es nicht Aufgabe des Tatrichters, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzgrundlage nachzugehen. Vielmehr ist die Geeignetheit von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung verwendet werden, nur dann zu klären, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH, Urteil vom 12. April 2011 - VI ZR 300/09 -, juris Rn. 17; Kammergericht, Urteil vom 02. September 2010 - 22 U 146/09 -, juris Rn. 11). Solche Bedenken ergeben sich vorliegend nicht aus den von der Beklagten vorgelegten Ausdrucken von im Internet beworbenen Mietwagenangeboten für gleich lange (aber nicht identische) Zeiträume. Es bestehen bereits erhebliche Bedenken, ob die Vorlage der als „Angebote“ bezeichneter Ausdrucke verbunden mit der Behauptung, die dort genannten Mietpreise seien erzielbar gewesen, als bloße Momentaufnahme zu anderen PKW und anderen Zeiträumen überhaupt Sachvortrag darstellen, der zur Erschütterung einer für sich besehen geeigneten Schätzgrundlage darstellen könnte (vgl. LG Dortmund, Urteil vom 01. März 2012 - 4 S 97/11 -, juris Rn. 37; LG Lüneburg, Urteil vom 04. Juli 2012 – 2 S 75/11 -, juris Rn. 4).

Jedenfalls aber im vorliegenden Fall führt die Vorlage der Internetangebote nicht zur Erschütterung der Schätzgrundlage, weil solche Angebote - gerichtsbekannt - nicht mit offenem Mietzeitende, sondern nur für feste Mietabschnitte angeboten werden. Geschädigte können das Ende der Mietzeit aber nicht absehen, so dass Angebote mit fester Mietzeit von der Warte eines vernünftigen und wirtschaftlich denkenden Menschen aus wegen des damit verbundenen Risikos, Mietzahlungen für letztlich gar nicht benötigte Zeiten leisten zu müssen, nicht in Betracht zu ziehen waren. Solche Angebote sind daher nicht geeignet, die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage für Tarife mit offenem Ende in Frage zu stellen. Auf die weiteren, von der Klägerseite gegen die Vergleichsangebote vorgebrachten Einwände (vgl. Bd. 1 BI. 180 ff. d.A.) kam es hiernach nicht mehr an.

Auch soweit die Beklagte unter Nennung zweier konkreter Anbieter behauptet, dort seien günstigere Preise für den betroffenen, konkreten Mietzeitraum erzielbar gewesen, führt dies nicht zu einer Erschütterung der Schätzgrundlage: Denn naturgemäß können einzelne Angebote günstiger oder auch teurer sein als der Normaltarif, ohne dass hierdurch die Höhe des Normaltarifs im Sinne eines allgemein ohne weiteren Aufwand am Markt erzielbaren Preises in Frage gestellt wird. Wenn man - wie hier - einen Mittelwert als Normaltarif ansetzt, liegt es vielmehr in der Natur der Sache bzw. ist denklogisch zwingend, dass einzelne Preise unterhalb dieses Mittelwertes am Markt tatsächlich vorhanden waren. Da der Geschädigte aber gerade nicht zur Markterforschung im Interesse des Schädiger(-versicherer-)s verpflichtet ist, berührt der bloße Umstand, dass solche günstigeren Preise erzielbar waren, den Normalpreis eben nicht. Der diesbezügliche Vortrag beruht erkennbar auf der - rechtsirrigen, weil nicht in § 249 BGB fundierten - Annahme, nur der günstigste erzielbare Mietpreis sei angemessen bzw. notwendig.

Soweit sich die Beklagte als Schätzgrundlage auf den Mietpreisspiegel des Fraunhofer Instituts oder die zum Teil vertrete Bildung eines Mittelwertes zwischen beiden Schätzgrundtagen bezieht, sind auch diese Vorgehensweisen zwar in der Rechtsprechung anerkannt worden. Diese Methoden können als Schätzgrundlage herangezogen werden, keinesfalls aber müssen sie verwendet werden (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 308/07 -, juris Rn. 23). Allein der Verweis auf alternative Schätzgrundlagen stellt gerade keine konkrete Tatsache dar, welche geeignet ist, Mängel an der von dem Gericht herangezogenen Schätzgrundlage zu begründen, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (u.a. BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 - VI ZR 353/09 -, juris Rn. 8).

Auch in der Sache begegnet die Fraunhofer-Studie erheblichen Zweifeln. Dort zu Grunde gelegte Internetangebote stellen nach Überzeugung des Gerichtes keine geeignete Vergleichsgrundlage dar. Die Internetanmietung setzt jedenfalls regelmäßig eine Vorabreservierung und die Festlegung eines festen Mietzeitraums voraus und ist insoweit nicht mit einer Vorort-Anmietung vergleichbar. Ferner wird für das zu mietende Fahrzeug regelmäßig nur Beispielfahrzeuge angegeben; eine Zusicherung für ein bestimmtes Fahrzeugmodell besteht in der Regel nicht. Die Postleitzahlengebiete sind außerdem derart groß gewählt, dass ein Vergleich mit den kleineren Gebieten des Schwacke-Automietpreisspiegel kaum möglich ist. Da ein Geschädigter regelmäßig eine Anmietung in Wohnort- oder Werkstattnähe vornimmt, können weiter entfernte Mietwagenanbieter in einem groß gewählten Gebiet die Preise erheblich verzerren. Die genannten Bedenken sprechen auch gegen die telefonische Erhebung des Fraunhofer Instituts. Hier sind die Postleitzahl-Gebiete zudem derart groß gewählt, dass ein Vergleich nicht möglich ist.
Auch ist es nicht überzeugend, aus zwei Schätzgrundlagen, die nach Auffassung des Bundesgerichtshofes jeweils für sich geeignet (nach Auffassung des Kammergerichts dagegen ungeeignet und mangelhaft) sind, einen Mittelwert zu bilden, der nunmehr eine taugliche Schätzgrundlage darstellen soll. Die Unterschiede in den Erhebungsmethoden und die erhebliche größeren Postleitzahlengebiete der Fraunhofer-Liste führen dazu, ein Mittelwert aus beiden Listen keinen erhöhten Erkenntnis- oder Überzeugungswert verspricht.

c.

Auch die Mehrkosten für eine Reduzierung der Selbstbeteiligung der Geschädigten für den Fall der Beschädigung des Mietfahrzeugs („CDW“) sind Teil der als erstattungsfähiger Schaden anzusehenden Mietwagenkosten (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 - VI ZR 74/04 -, juris).

Eine Haftungsreduzierung war ausweislich des Mietvertrages vereinbart; der abgerechnete Preis von 22,05 EUR brutto pro Tag liegt allerdings über dem nach der Schwacke-Erhebung angemessenen Preis von 21,65 EUR pro Tag, so dass nur dieser Betrag als notwendig zu ersetzen ist.

Die Kosten für die Nutzung durch einen Zusatzfahrer von 13,60 EUR brutto pro Tag liegen innerhalb des angemessenen und notwendigen Normalpreises (maximal 14,29 EUR je Tag) und sind ersatzfähig. Soweit die Beklagte bestreitet, dass das Mietfahrzeug durch einen Zusatzfahrer genutzt worden sei, erweist sich ihr Vorbringen als widersprüchlich und damit unbeachtlich. Sie bestreitet mal, dass der namentlich benannte Zusatzfahrer XXX das Fahrzeug genutzt habe (BI. 33 d.A.), mal, dass die Geschädigte selbst das Fahrzeug genutzt habe (BI. 126 d.A.), ohne aber zu erklären, wer das Fahrzeug dann rund 67 km täglich während der Mietzeit fuhr. Dieser Vortrag ist prozessual unbeachtlich.

d.

Die - angemessenen und notwendigen - Zustellkosten in Höhe von 28,75 EUR brutto waren zuletzt unstreitig.

e.

Ein Mitverschulden wegen Verletzung einer Pflicht, Vergleichsangebote einzuholen, muss sich die Geschädigte nicht entgegenhalten lassen. Eine allgemeine Pflicht, im Schädigerinteresse Markterforschung zu treiben, besteht, wie ausgeführt, nicht. Eine solche Nachfragepflicht mag bestehen, wenn der verlangte Mietpreis für jeden erkennbar und von vornherein offensichtlich überhöht war (BGH, Urteil vom 09. Mai 2006 - VI ZR 117/05 -,  juris), so aber hier nicht.

3.

Ersparte Eigenaufwendungen muss sich die Geschädigte nicht entgegenhalten lassen. Bei Inanspruchnahme eines Mietwagens ist ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen zwar grundsätzlich gerechtfertigt. Dies gilt aber nicht, wenn der Geschädigte ein billigeres Ersatzfahrzeug angemietet hat, dessen Mietkosten den nach Abzug der Eigenersparnis ersatzfähigen Kosten, die für ein gleichwertiges Fahrzeug entstanden wären, nicht übersteigen (zutreffend: LG Berlin, Urteil vom 25. Juni 1990 - 58 S 86/90 -, juris).

So auch hier:

Hätte die Geschädigte ein Ersatzfahrzeug zum maximal ersatzfähigen Normaltarif angemietet, so wären auf Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels Kosten von

Grundpreis                       1.403,41 EUR
Haftungsreduzierung            216,50 EUR
Zusatzfahrer                      142,90 EUR
Zustellung                       28,75 EUR
Summe                         1.791,56 EUR

entstanden; selbst bei Ansatz einer angemessenen Eigenersparnis von 10 % ergäbe sich noch ein ersatzfähiger Maximalbetrag von 1.612,40 EUR, mithin weniger als der hier insgesamt ersatzfähigen Betrag. Denn nach dem vorstehenden waren hier ex ante Kosten in Höhe von

Grundpreis                       1.222,11 EUR
Haftungsreduzierung            216,50 EUR
Zusatzfahrer                      136,00 EUR
Zustellung                       28,75 EUR
Summe                       1.603,36 EUR

als ersatzfähigen Mietwagenkosten anzusehen. Diese hat die Beklagte unstreitig in Höhe von 1.084,59 EUR mit Erfüllungswirkung (§ 362 BGB) ausgeglichen. Den Restanspruch in Höhe von 518,77 EUR steht dem Kläger zu, denn unstreitig hat die Geschädigte ihm ihren diesbezüglichen Anspruch abgetreten, § 398 BGB.

Dass die Geschädigte hierauf nicht gezahlt haben mag, steht einem Zahlungsanspruch nicht entgegen, denn jedenfalls mit dem Übergang eines der Geschädigten dann zustehenden Freistellungsanspruchs auf den Kläger als demjenigen, demgegenüber freizustellen war, wandelt sich der Anspruch in einen Zahlungsanspruch (statt aller: Reichsgericht, Urteil vom 05. Februar 1909 - VII 186/08 -, RGZ 70, 257-263).

4.

Rechtsanwaltsgebühren kann der Kläger als Verzugsschaden gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB ersetzt verlangen, indes nur in Höhe von

0,3 Geschäftsgebühr, RVG-VV Nr. 2300, 2301         13,50 EUR
Pauschale, RVG-VV Nr. 7002                                     2,70 EUR
Summe                                                                   16,20 EUR

Der Kläger ist weder dem Vortrag, er sei vorsteuerabzugsberechtigt (weshalb er die Mehrwertsteuer im Wege der Vorteilsausgleichung nicht ersetzt verlangen kann) im Einzelnen entgegengetreten noch dem Vortrag, es sei keine anwaltliche Tätigkeit erfolgt, die eine 1,3· Geschäftsgebühr trage, es sei nur ein einfaches Mahnschreiben verfasst worden. Sein Beweisangebot durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Angemessenheit der Gebühr war insoweit unbeachtlich, denn es sind schon keine anwaltlichen Tätigkeiten als Begutachtungsgrundlage behauptet oder unter Beweis gestellt, anhand derer die Beurteilung als angemessen erfolgen könnte. Ein (unstreitiges) Mahnschreiben ist als Schreiben einfacher Art ohne schwierige rechtliche Ausführungen oder größere sachliche Auseinandersetzungen nach RVG-VV Nr. 2301 nur geeignet, eine 0,1-Gebühr zu rechtfertigen.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 286 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 344 ZPO, die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. In die Bildung der Kostenquote waren die Nebenforderungen einzubeziehen, da das diesbezügliche Unterliegen zwar kostenneutral, aber im Vergleich zu Hauptforderung nicht geringfügig (§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist.

===================

Bedeutung für die Praxis: Das Urteil enthält eine Vielzahl von erwähnenswerten Aspekten. Ein Verweis im Mietvertrag auf die Preisliste des Vermieters wird zur wirksamen Vertragsgestaltung als vollkommen ausreichend angesehen. Das substanzlose Bestreiten der Beklagten in verschiedene Richtungen wie zu der Tatsache der Anmietung an sich, zur wirksamen Vertragsvereinbarung, zur Wirksamkeit der Preisvereinbarung und zum Fahrbedarf wird konkret zurückgewiesen. Die Anwendbarkeit der Fraunhoferliste scheide aus, da Fraunhofer vornehmlich Internetangebote berücksichtigt habe. Gegen die Eignung von Fraunhofer spricht auch die unterstellte Vorabreservierung, der bei der Erhebung vorher feststehende Mietzeitraum, die Schwierigkeiten bei der Fahrzeugauswahl, die Zusammenfassung in große bzw. riesige PLZ-Gebiete (Telefonerhebung), wodurch der regionale Markt nicht abgebildet wird und die Werte nicht vergleichbar sind. Die Vergleichbarkeit der Anmietung des vorliegenden Falles mit den Internetangeboten, die die Beklagte vorlegte, scheitert bereits an der Unterstellung einer festen Mietdauer. Auf weitere klägerische Argumente gegen die Aussagekraft der Internetangebote musste das Gericht damit nach eigener Ansicht nicht mehr eingehen. Das Gericht befasst sich auch mit der immer weiter aufkommenden Praxis des Haftpflichtversicherers, sich von kooperierenden Vermietern bestätigen zu lassen, dass der Geschädigte zum Anmietzeitpunkt dort hätte günstiger anmieten können. Da es naturgemäß erscheint, dass ein Mittelwert einer Schätzgrundlage auch günstigere (und höhere) Angebote berücksichtigt haben muss, um daraus einen Mittelwert zu errechnen, wird dieses Argument der Beklagten aus grundsätzlichen Erwägungen zurückgewiesen und eine Beweisaufnahme abgelehnt. Das Gericht nennt die Annahme des Versicherers rechtsirrig, dass nur der günstigste Preis erstattungsfähig ist. Aus der Schätzgrundlage Schwacke wendet das Gericht das arithmetische Mittel an, da die Anwendung eines Modus ggf. zu Verzerrungen führen könnte. (Anmerkung: Hintergrund ist das Problem, dass der Modus als der häufigste genannte Wert logischer Weise auch zufällig ein Minimum oder ein Maximum darstellen kann. Würde man ihn anwenden, da der Geschädigte mit der größten Wahrscheinlichkeit auf dieses Angebot trifft, käme es jedoch in allen anderen Fällen zu schwer zu vermittelnden Verzerrungen.)