Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 16-17

 

Amtsgericht Zwickau 22 C 1703/16 vom 15.03.2017

1. Der Geltendmachung der streitigen Forderung aus abgetretenem Recht liegt eine wirksame, bestimmte und nicht gegen § 307 BGB verstoßende Abtretungsvereinbarung zugrunde.
2. Nach anteiliger Zahlung der Mietwagenforderung kann die Beklagte den Fahrbedarf des Zedenten nicht mehr grundsätzlich bestreiten. Im Übrigen indiziert die ausreichend intensive Nutzung des Ersatzwagens die Notwendigkeit der Ersatzmobilität.
3. Ein grundsätzlicher Ersatzanspruch besteht bereits allein durch die tatsächliche Nutzung des Mietwagens, auch wenn kein schriftlicher Vertrag vorläge. 
4. Die Schätzung des Normaltarifs erfolgt anhand der Schwackeliste. Die von der Beklagten favorisierte Fraunhofer-Liste scheidet aus, da dort eine einwöchige Vorbuchungsfrist unterstellt ist und der Geschädigte in diesem Fall nicht eine Woche vorher buchen konnte.
5. Eine Erkundigungspflicht nach günstigeren Angeboten bestand für den Geschädigten nicht, da der angewandte Tarif nur geringfügig über dem Schwacke-Mittelwert lag.
6. Die Einwände der Beklagten mittels drei recherchierter günstigerer Angebote sind unerheblich.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Zwickau spricht restliche Mietwagenkosten nahezu vollständig zu, zieht lediglich einen 10%igen Teil vom Schwacke-Normaltarif wegen ersparter Eigenkosten ab. In Bezug auf die Erkundigungspflicht des Geschädigten nach günstigeren Angeboten richtet sich das Gericht nach der Formel, dass wenn der vereinbarte Preis weniger als 50 % über dem Mittelwert von Schwacke liegt, dies nicht als deutlich überhöht anzusehen ist und eine Erkundigungspflicht nicht besteht.

Bedeutung für die Praxis: Zwei Aspekte verdienen eine besondere Erwähnung. Die Anwendung der Fraunhofer-Liste wird abgelehnt - wie es scheint gar nicht erst diskutiert - , wenn der Geschädigte nicht bereits eine Woche vor Anmietungsbeginn reservieren konnte. Hintergrund ist die allseits bekannte Bedingung, dass Fraunhofer seine Werte mit einer einwöchigen Vorbuchungsfrist erhoben hat. In Bezug auf die von der Beklagten vorgelegten Alternativangebote äußert sich das Gericht ebenso deutlich. Es weist darauf hin, dass im Nachhinein vorgelegte günstigere Preise den Mittelwert einer Schätzgrundlage gar nicht erschüttern können. Sie kommen als Argument nicht in Frage, da ein Mittelwert per se aus niedrigen und hohen Preisen bestehen muss. Die Existenz solcher auch niedrigerer Angebote ist dem Mittelwert also schon immanent. Selbst wenn sie in Bezug auf Anmietzeit und Umfang der erbrachten Leistungen vergleichbar wären, würden sie als Argument zurückgewiesen werden müssen.

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Amtsgericht Zwickau 22 C 1703/16 vom 16.03.2017



Im Namen des Volkes !

ENDURTEIL



In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX

wegen Forderung restlicher Mietwagenkosten

hat das Amtsgericht Zwickau im vereinfachten Verfahren gemäß § 495 a ZPO, bei dem Schriftsätze bis zum 03.03.2017 eingereicht werden konnten, durch Richter am Amtsgericht XXX

am 15.03.2017

für Recht erkannt:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin restliche Mietwagenkosten in Höhe von 276,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hieraus seit 09.01.2017 zu zahlen.

2.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € zu bezahlen.

3.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/10, die Beklagte 9/10 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 306,48 EUR festgesetzt.

Tatbestand

(weggelassen gemäß § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO)



Entscheidungsgründe



Die Klage ist zulässig im Wesentlichen begründet.

I.

Die Beklagte schuldet der Klägerin aus abgetretenem Recht die Zahlung weiterer Mietwagenkosten aus §§ 398, 823 Abs. 1, Abs. 2, 249 ff. BGB, 7, 17 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG; der Anspruch auf Zahlung der Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus Verzug.

1.

Unstreitig haftet die Beklagte dem Zedenten der klägerischen Forderung, dem Fahrer XXX, für alle Schäden, die diesem durch den Verkehrsunfall entstanden, der am 10.10.2013 in Zwickau stattfand und bei dem der Pkw Smart Fortwo des Zedenten beschädigt wurde.

Die Klägerin als Autovermieterin hat sich die Ansprüche gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer mit Abtretungserklärung vom 10.10.2013 abtreten lassen. Die Abtretung ist wirksam, insbesondere ist sie bestimmt und verstößt nicht gegen § 307 BGB.

Danach darf die Klägerin alle Ansprüche, die dem Zedenten zustanden, gegen die Beklagte geltend machen.

2.

Grundsätzlich gehören zu den Schäden eines Verkehrsunfalls auch die Kosten für ein Ersatzfahrzeug. Das beschädigte Fahrzeug des Zedenten war unstreitig zur Reparatur der Unfallschäden vom 10.10.2013 bis 16.10.2013 in der Werkstatt, in dieser Zeit nutzte der Zedent das Ersatzfahrzeug VW Golf der Klägerin.

Die Beklagte hat auch bereits einen Betrag von 370,00 € auf die Mietwagenkosten gezahlt.

Soweit die Beklagte nunmehr bestreitet, dass beim Zedenten Fahrbedarf bestand, so handelt sie wider ihr eigenes Verhalten, da sie bereits einen Anteil der Mietwagenkosten gezahlt hat.

Im Übrigen hat der Zedent ausweislich der Anlage K 2 innerhalb der sechs Tage; in denen er das Ersatzfahrzeug anmietete, 279 km zurückgelegt. Allein aufgrund dieser Kilometerzahl und der Tatsache, dass der Zedent offensichtlich auf die Nutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen war, rechtfertigt sich die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs. Insoweit wird die Erforderlichkeit der Anmietung regelmäßig durch die tatsächlich Entbehrung des Kraftfahrzeugs seitens des Benutzers indiziert (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 15.04.2015, Az.: 7 U 1057/14).

Am Fahrbedarf des Zedenten und der Erforderlichkeit der Anmietung gibt es daher keine Zweifel.

3.

Soweit die Beklagte bestreitet, dass ein Mietvertrag vorliegt, so wird ihr Vortrag durch das Vorliegen der Anlage K 2 als „Behauptung ins Blaue“ entlarvt. Die Beklagte hätte darlegen müssen, weshalb es sich bei der Anlage K 2 nicht um einen schriftlichen Kraftfahrzeugmietvertrag handelt.

Im Übrigen wäre auch beim Fehlen eines Mietvertrages allein durch die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs durch den Zedenten ein Ersatzanspruch in Höhe der ortsüblichen Miete entstanden. Dieser Vortrag der Beklagten ist daher unerheblich.

4.

Die Beklagte hat allerdings nur den angemessenen und erforderlichen Aufwand zu ersetzen, den der Geschädigte zur Aufrechterhaltung seiner Mobilität verursachen durfte. Das heißt, die Klägerin hat sich die Einwände der Beklagten gegen die Angemessenheit der Mietwagenkosten entgegenhalten zu lassen.

a)

Nach allgemeiner Meinung kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem Normaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarif mit Rücksicht auf die Unfallsituation allgemein einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 26.03.2014, Az.: 7 U 1110/13; zitiert nach juris).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf sich das Gericht an sogenannten Mietpreisspiegeln orientieren, wobei sowohl der Schwacke-Mietpreisspiegel als auch der Fraunhofer-Mietpreisspiegel vom BGH als geeignete Schätzgrundlage betrachtet werden.

Es ist also zu prüfen, ob der von Klägerseite geltend gemachte Tarif angemessen und erforderlich war.

b)

Das Gericht folgt dem OLG Dresden darin, dass ein Geschädigter wegen eines Mietwagenpreises bezüglich der Höhe nur dann Verdacht schöpfen muss, wenn der Preis 50 % oder mehr über dem Tarif nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel liegt (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 26.03.2014, Az.: 7 U 1110/13, recherchiert über juris). Im vorliegenden Fall beträgt die Wochenpauschale im PLZ-Gebiet 046 bei der Fahrzeugklasse 2 im arithmetischen Mittel 543,45 €. Hieran muss sich der Preis der Klägerin messen lassen. In der Schwacke-Liste sind bereits Kosten für Vollkaskoversicherung und die Mehrwertsteuer enthalten, so dass der Preis der Klägerin allein abzüglich der Zustell- und Abholkosten zu messen ist. Dieser beträgt 624,75 €, übersteigt also den Preis, der laut Schwacke-Mietpreisliste den Mittelwert darstellt, nicht um 50 % oder mehr. Es sind unter 20 %, die die Preise der Klägerin die Mittelwerte der Schwacke-Liste übersteigen. Daraus folgt, dass der Zedent nicht aufgrund der Höhe des Preises der Mietwagen der Klägerin aufmerksam werden musste und sich nach günstigeren Tarifen erkundigen musste.

Soweit von Beklagtenseite moniert wird, dass der 1. Senat des OLG Dresden mittlerweile eine andere Auffassung verfolgt, also schließt sich das Amtsgericht hier ausdrücklich der des 7. Zivilsenats, die dieser im Urteil vom 26.03.2014 vertrat, an.

c)

Soweit die Beklagte der Auffassung ist, durch die Vorlage von drei Vergleichsangeboten könnte sie die Geeignetheit der Schwacke-Liste in Zweifel ziehen, so irrt sie. Selbstverständlich enthält ein Mietpreisspiegel sowohl niedrigere als auch höhere Werte als den Mittelwert; eben dies macht eine Schätzgrundlage aus. Wenn die Beklagte drei niedrigere Angebote benennt, so erstellt sie quasi einen eigenen Mietpreisspiegel, der allerdings nur aus äußerst günstigen Angeboten besteht, an deren Verfügbarkeit im Einzelfall das Gericht ohnehin erheblichen Zweifel hegt, da es sich hier um losgelöste Angebote handelt. Dass diese Angebote bei einer Kontaktaufnahme tatsächlich erreichbar sind, ist äußerst zweifelhaft.

Soweit die Beklagte darauf abstellt, das im Falle, dass eine Schätzgrundlage benötigt wird, auf die Fraunhofer-Mietpreisliste abzustellen ist, so vertritt das Amtsgericht die Auffassung, dass die Fraunhofer-Liste immer dann unanwendbar ist, wenn zwischen Unfall und Anmietung weniger als eine Woche liegt, da die Fraunhofer-Liste erstellt wird, indem die Preise für die Anmietung eine Woche im Voraus angefragt werden. Insoweit teilt das Gericht vollumfänglich die Bedenken der Klägerin gegen die Anwendbarkeit der Fraunhofer-Liste bei kurzfristigen Anmietungen wie im vorliegenden Fall.

d)

Allerdings muss sich die Klägerin einen 10%igen Abzug für Gebrauchsvorteile gefallen lassen. Das Gericht folgt insoweit nicht der äußerst konservativen Schätzung der Klägerin bezüglich der ersparten Eigenkosten, sondern schätzt gemäß § 287 ZPO die Ersparnis auf 10 %. Das Gericht sieht sich hier im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung und der einschlägigen Kommentierung (vgl. Palandt-Grüneberg, Kommentar zum BGB, 72. Auflage 2013, § 249, Rn. 36).

e)

Folglich kann die Klägerin für das Mietfahrzeug, weil der Zedent klassengleich anmietete, nicht 420 € als Mietkosten annehmen, sondern nur 90 % davon, also 378,00 €. Zuzüglich Haftungsreduzierung und Abholkosten ergeben sich 543,00 €, zuzüglich Umsatzsteuer 646,17 €.

Dies sind die Kosten, die die Klägerin als Schadensersatz für die Inanspruchnahme des Mietwagens geltend machen kann. Abzüglich gezahlter 370,00 € ergeben sich noch 276,17 € als zu zahlender Betrag.

Bezüglich der höheren geforderten Kosten war die Klage abzuweisen.

5.

Gemäß §§ 291, 288 BGB ist der Betrag seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.

6.

Die Beklagte hat auch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Dieser Anspruch ergibt sich aus Verzug gemäß §§ 286 ff. BGB. Mit Schreiben vom 04.02.2014 hat die Klägerin die Beklagte zur Zahlung aufgefordert, nachdem die Beklagte bereits teilweise die Zahlung verweigert hatte. Zur Durchsetzung der von Beklagtenseite unrechtmäßig abgelehnten Forderung durfte sich die Klägerin eines Rechtsanwalts bedienen. Die Kosten für den Rechtsanwalt sind Verzugsschaden. Bei einem Streitwert von bis 500,00 € und einer 1,3 fachen Gebühr zzgl. Postpauschale ergibt sich ein Betrag von 70,20 €. Dieser Betrag ist zu erstatten, da unabhängig von der Teilabweisung sich der Streitwert für die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach wie vor in derselben Gebührenbereich bewegt.

Die Auffassung der Beklagten, aufgrund der Zahlungsverweigerung seien die Rechtsanwaltskosten nicht mehr zweckmäßig gewesen, ist insoweit nicht richtig, als aufgrund der Tatsache, dass die Mietwagenkosten ein beinahe schon jahrzehntelanger Streit bei der Abrechnung von Unfallschäden sind, die Klägerin damit rechnen konnte, dass ggf. ein Rechtsanwalt die Beklagte zur Zahlung bewegen könnte, was ihr selbst nicht gelungen war. Auch an eine gütliche Einigung wäre zu denken. Jedenfalls sind die der Klägerin entstandenen Rechtsanwaltskosten durch den Verzug der Beklagten entstanden und entsprechend zu ersetzen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.