Mietwagenkostenerstattung und der Vorwurf des Verstoßes gegen die Schadenminderungspflicht: Diverse Einzelfälle

von Rechtsanwalt Joachim Otting, Hünxe

Außerhalb der Tariffrage gibt es rund um die Mietwagenkosten immer wieder die Behauptung des Versicherers, der Geschädigte habe gegen die Schadenminderungspflicht verstoßen. Einige Einzelfälle, die die Gerichte beschäftigt haben und die sich stets so wiederholen können, sind im Folgenden dargestellt.

Reparaturdauer nur ein Tag

Die Unfallschadenreparatur dauerte, und das war vorhersehbar, nur einen Tag. Entsprechend hatte der Geschädigte den Mietwagen auch nur für einen Tag in Anspruch genommen. Der Versicherer trug vor: Bei einer nur eintägigen Reparatur sei dem Geschädigten zuzumuten, sich so zu organisieren, dass er keinen Mietwagen benötige.

Dazu urteilte das AG Köln (1): Es obliegt nicht dem Geschädigten, den Schaden durch besondere Anstrengungen oder den Verzicht auf Mobilität gering zu halten. Er darf auch für einen Tag einen Mietwagen zur Wiederherstellung seiner Mobilität nehmen. Die Kosten müssen vom Schädiger erstattet werden.

Keinen Kredit aufgenommen

Der Geschädigte konnte aus eigenen Mitteln nicht in Vorleistung treten. Also konnte er vor der Zahlung durch den Versicherer keinen Ersatzwagen kaufen. Darauf hatte er den Versicherer hingewiesen. Der meinte, der Geschädigte müsse einen Kredit aufnehmen. Daraufhin hat er eine Bescheinigung seiner Hausbank vorgelegt, dass er nicht kreditwürdig sei. Das erstinstanzliche LG Kleve meinte im Prozesskostenhilfeverfahren, das sei nicht ausreichend. Der Geschädigte hätte sich bei weiteren Banken um einen Kredit bemühen und Bescheinigungen weiterer Banken vorlegen müssen. Das OLG Düsseldorf (2) hielt das für eine Überspannung der Anforderung. Es ging auch noch einen Schritt weiter: Es ist das Risiko des Schädigers, auf einen Geschädigten zu treffen, der finanziell nicht in der Lage ist, die zur Ersatzbeschaffung notwendigen Mittel vorzustrecken, wodurch sich hierdurch der Zeitraum des Ausfallschadens und der Umfang der damit einhergehenden Schäden vergrößert. Eine Pflicht des Geschädigten, zur Schadenbeseitigung einen Kredit aufzunehmen, besteht nicht

Buchung via Internet mit Kreditkarteneinsatz

Der Versicherer wandte ein, der Geschädigte hätte via Internet bei einem dort aktiven Anbieter mieten müssen, damit der Preis nicht höher sei, als der dort angebotene. Allerdings setzte der genannte Preis den Einsatz einer Kreditkarte voraus.

Seine Kreditkarte für eine Buchung via Internet einzusetzen, um einen günstigen Tarif zu erzielen, ist nach Auffassung des AG Schwandorf (3) dem Geschädigten nicht zuzumuten. Der Einsatz der Kreditkarte im Internet birgt nämlich Sicherheitsrisiken. Dass viele Menschen freiwillig dieses Risiko auf sich nehmen, ändert daran nichts.

Sofortanmietung auf Durchreise: Angebliche Pflicht zur Recherche am Ort

Der Geschädigte erlitt den Unfall auf der Durchreise in ihm nicht bekannter Umgebung. Er musste dringend weiter und nahm den erstbesten Mietwagen, der Versicherer wandte ein, der Geschädigte hätte mit dem Taxi zu den verschiedenen Vermietern am Ort fahren und dort die Preise vergleichen müssen. Was das AG Potsdam (4) dazu sagt, ist es wert, wörtlich wiedergegeben zu werden:

„Angesichts des Umstandes, dass der Geschädigte, wozu er berechtigt war, eine Anmietung sogleich am Unfalltag vornahm, er selber nicht ortskundig war und auch über keine eigenen, besonderen Kenntnisse über die Mietwagensituation vor Ort verfügte, kann dem Geschädigten nicht vorgeworfen werden, dass er sich kurzfristig und ohne große weitere Recherchen für einen Mietvertrag mit einem überörtlich bekannten Vermieter entschloss. Der Geschädigte war zu keinem Zeitpunkt verpflichtet, bei der ihm zu diesem Zeitpunkt nicht bekannten Beklagten nachzufragen, Internetrecherchen vorzunehmen oder gar sich mit einem Taxi durch eine, wie die Beklagte es bezeichnete, ‚Potsdamer Anmietungsmeile‘ chauffieren zu lassen. Ein solches Verhalten, welches insbesondere von insoweit nicht bewanderten Personen einen erheblichen Energieaufwand verlangt, kann insbesondere im zeitlich nahen Rahmen eines Verkehrsunfalls nicht verlangt werden. Es ist daher nur zu beurteilen, ob das Anmietverhalten des Geschädigten zum damaligen Zeitpunkt und in der damaligen Situation für diesen erkennbar unsachgemäß war und eventuell der Eindruck entstand, leichtfertig unnötige Kosten entstehen zu lassen. Dass dies der Fall war, konnte auch die Beklagte nicht substantiiert vortragen.“

Geschädigter hätte eine Notreparatur vornehmen müssen

Gern genommen wird auch der Einwand, der Geschädigte hätte eine Notreparatur vornehmen müssen, um zum Beispiel die Zeit bis zum Beginn der vollständigen Reparatur oder die Zeit über die Feiertage oder die Wartezeit auf Ersatzteile zu überbrücken.

Dieser Einwand kann im Einzelfall berechtigt sein. Ein Rechtsprechungsbeispiel vom OLG Düsseldorf: Wenn nach einem Verkehrsunfall mit geringem Aufwand die Fahrfähigkeit wiederhergestellt werden kann, kann der Geschädigte nicht für einen langen Zeitraum den Ausfallschaden ersetzt verlangen. Kann er auch die für die Notreparatur aufzuwendenden etwa 365 Euro nicht aufbringen, muss er diesen Umstand im Sinne der Warnpflicht aus § 254 Abs. 2 BGB ungefragt der Versicherung offenbaren, damit diese Abhilfe schaffen kann. (5) Häufiger jedoch ist der Einwand unsinnig.

Denn der Geschädigte muss die Möglichkeit der Notreparatur erkennen können. Notiert der Schadengutachter im Gutachten, dass eine Notreparatur nicht sinnvoll möglich ist, darf der Geschädigte auf diese Angabe vertrauen. Das LG Schweinfurt (6) wörtlich: „Bei dieser Sachlage bestand für einen verständigen Menschen keine Veranlassung, das Gutachten überprüfen zu lassen. Aufgrund des Gutachtens bestand für einen ordentlichen und verständigen Menschen aber auch keine Veranlassung, eine Notreparatur zu versuchen.“

Die Vortrags- und Beweislast liegt dabei ohnehin beim Versicherer. Der phrasenhafte Einwand, dass eine Notreparatur möglich gewesen sei, genügt nicht. Der Versicherer muss erläutern, wie das hätte bewerkstelligt werden können und was das gekostet hätte.(7)

Fahrfähiges verkehrssicheres Auto zerlegen lassen, bevor Ersatzteile da waren

Eine gefährliche Situation ist, wenn der Geschädigte sein nach dem Unfall noch fahrfähiges und verkehrssicheres Fahrzeug zur Reparatur bringt, die Werkstatt parallel zur Ersatzteilbestellung beginnt, es zu zerlegen und sich danach herausstellt, dass wesentliche Ersatzteile nicht lieferbar sind.

Der Einwand der Versicherer lautet dann regelmäßig, dass der Geschädigte die reparaturbedingte Nichtbenutzbarkeit des Fahrzeugs erst dann hätte einleiten dürfen, wenn die Ersatzteile eingetroffen waren.

In der Tat gibt es verschiedene Gerichte, die so entschieden haben.(8) Richtiger hingegen erscheint es, dieses Problem dem vom Schädiger zu tragenden Werkstattrisiko zuzuordnen, wie es das LG Frankenthal getan hat. (9) Denn der Geschädigte müsste ja ein Gespür dafür haben, dass diese Situation eintreten kann. Das ist jedenfalls beim „normalen“ Fahrzeugnutzer kaum zu erwarten. Allenfalls in der Flotte kann man entsprechende Erfahrung voraussetzen.

 

1) AG Köln, Urteil vom 13.06.2016 – 264 C 246/15

2) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.07.2015 - I-1 W 17/15

3) AG Schwandorf, Urteil vom 02.06.2016 – 1 C 7/16

4) AG Potsdam, Urteil vom 13.08.2015 - 25 C 28/15

5) OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.2007 - I-1 U 110/07

6) LG Schweinfurt, Urteil vom 11.04.2014 - 21 S 68/13; so auch LG Bonn, Urteil vom 15.08.2016 – 20 O 61/16

7) AG Sangerhausen, Urteil vom 11.07.2012 - 1 C 397/11

8) AG München, Urteil vom 12.08.2015 - 334 C 28183/14; AG Bautzen,   Urteil vom 14.01.2015 -  20 C 347/14;AG Paderborn mit Urteil vom 14.11.2014 - 50 C 169/14

9) LG Frankenthal/Pfalz, Urteil vom 01.02.2012 - 3 a C 49/11

 

 

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