Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 32-16

Landgericht Köln 11 S 471/15 vom 26.07.2016

1. Der Vortrag der Beklagten ist nicht geeignet, die Anwendbarkeit der Schwackeliste zu erschüttern.
2. Von der Beklagten vorgelegte Screenshots beweisen nicht, dass der Normaltarif zum Anmietzeitpunkt deutlich günstiger gewesen ist.
3. Es ist nicht erkennbar, ob diese mit der Anmietung vergleichbar sind, ob eine Vorbuchungsfrist einzuhalten gewesen wäre, ob der Preis ein verbindlicher vergleichbarer Gesamtpreis ist, wie es sich mit offenem Mietende verhält, was niedrigere Selbstbeteiligungen kosten und wie ohne Kreditkarte hätte bezahlt werden müssen.
4. Weitergehende Kosten der Selbstbeteiligung auf 350 Euro sind in allen streitgegenständlichen Fällen erstattungsfähig, denn hier liegt kein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot vor.

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht korrigiert eine erstinstanzliche Entscheidung des AG Köln in Bezug auf die Kosten der Haftungsreduzierung und weist die Anschlussberufung der Beklagten gegen die Anwendung der Schwackeliste zurück.

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Landgericht Köln 11 S 471/15 vom 26.07.2016
(Vorinstanz Amtsgericht Köln 270 C 112/15)

Im Namen des Volkes



Urteil



In dem Rechtsstreit

XXX

gegen

XXX


hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Köln aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12.07.2016 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht XXX, die Richterin am Landgericht XXX und den Richter am Landgericht XXX
für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 13.11.2015 - Az. 270 C 112/15 - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 977,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.07.2015 zu zahlen.

Im Übrigen werden die Berufung und die Anschlussberufung zurückgewiesen.

Die  Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 25 % und die Beklagte zu 75 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.


- Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO -


Entscheidungsgründe:



Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache überwiegend, in Höhe von 977,84 € Erfolg, im Übrigen sind die Berufung und Anschlussberufung unbegründet.

1.
Die Berufung der Klägerin ist in Höhe von 977,84 € erfolgreich. Nach der Rechtsprechung der Kammer sind die Kosten für die weitere Reduzierung der Selbstbeteiligung, vorliegend ausweislich der Mietverträge in allen Anmietfällen auf 350 €, erstattungsfähig, allerdings begrenzt auf die Kosten, die von der Klägerin den Geschädigten hierfür in Rechnung gestellt wurden.

Den Geschädigten kann nicht vorgehalten werden, es verstoße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, wenn zur weiteren Absenkung des Selbstbehaltes nicht unwesentliche Summen aufgewendet werden, die teilweise über dem vereinbarten Selbstbehalt liegen. Das Amtsgericht übersieht insoweit, dass naturgemäß die Kosten für die Reduzierung der Selbstbeteiligung mit der Dauer der Anmietung steigen; die Gefahr einen Unfall zu erleiden, aber gleichfalls ansteigt. Ferner kann mit dem Argument, die Kosten für die Reduzierung des Selbstbehaltes überstiegen diesen, die Ersatzfähigkeit nicht abgelehnt werden, da hierbei nicht in Betracht gezogen wird, dass die Möglichkeit besteht, mit dem Mietwagen nicht nur einen, sondern mehrere Unfälle zu erleiden. Ferner kann der Geschädigte im Falle eines Unfalls mit einem Mietfahrzeug nicht darüber disponieren, ob und in welchem Umfang er einen Schaden reparieren lässt, anders als er dies mit seinem Privatfahrzeug könnte. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist eine Erstattung der Kosten für die weitere Reduzierung der Selbstbeteiligung angemessen.

Im Ergebnis kann die Klägerin daher aus abgetretenem Recht die Kosten für die Reduzierung der Selbstbeteiligung ersetzt verlangen. In den einzelnen Fällen kann sie daher folgende Kosten ersetzt verlangen:

Im Schadensfall 1:     92 €
Im Schadensfall 2:     414 €
Im Schadensfall 3:     362,36 €, statt der beantragten 378 €
Im Schadensfall 4:     109,48 €, statt der beantragten 116 €
Gesamtbetrag:          977,84 €


Denn in Schadensfall 3 (XXX) wurden dieser laut Rechnung vom 21.05.2014 (BI. 21) für die Reduzierung der Selbstbeteiligung lediglich 304,50 € netto, d. h. 362,36 € brutto in Rechnung gestellt, so dass im Rahmen der Schadensabrechnung nach der Schwacke-Liste kein höherer Betrag verlangt werden kann.
Gleiches gilt für den Schadenfall 4 (XXX), bei dem laut Rechnung vom 29.07.2014 (Bl. 25) für die Reduzierung der Selbstbeteiligung 92 € netto abgerechnet wurden, d. h. 109,48 € brutto, so dass die Klägerin keine 116 €, sondern lediglich den Betrag von 109,48 € ersetzt verlangen kann.

Im Ergebnis hat die Berufung ganz überwiegend, in Höhe von 977,84 € Erfolg, im Übrigen unterliegt sie der Abweisung.

2.
Die Anschlussberufung bleibt ohne Erfolg, denn durch die vorgelegten Unterlagen hat es die Beklagt nicht vermocht, die Anwendbarkeit der Schwacke-Liste zu erschüttern.

Denn die von der Beklagten vorgelegten Screenshots zu von ihr getätigten Preisabfragen bei den Firmen Europcar, Avis und Sixt sind nicht geeignet, den Schwacke-­Mietpreisspiegel 2014 in seiner Tauglichkeit als Schätzgrundlage für die Schadensbestimmung im konkreten Fall zu erschüttern.

Aus ihnen ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, dass der zur Schadensschätzung maßgebliche Normaltarif zum Zeitpunkt der Ersatzfahrzeuganmietung durch die Geschädigten deutlich günstiger war als der im Schwacke-Mietpreisspiegel ausgewiesene Preis mit der Folge, dass der Schwacke-­Mietpreisspiegel als Schätzgrundlage nicht herangezogen werden könnte bzw. einer sachverständigen Überprüfung bedürfte. Zwar mag dem Umstand, dass die Angebote späteren Zeiträumen entstammen, keine maßgebliche Bedeutung beizumessen sein, da seit dem Vermietungszeitraum eher von einer Preissteigerung auch im Mietwagengeschäft auszugehen sein dürfte. Andererseits ist diese Folge nicht zwingend, da die Preise auch aus anderen Gründen variieren können.

Allerdings ist unabhängig davon nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht mit der erforderlichen Substanz dargetan, dass die in der Klageerwiderung enthaltenen Screenshots ausgewiesenen Preisabfragen, mit den hier tatsächlich gegebenen Anmietsituationen vergleichbar sind.

Keiner der drei Internetabfragen in den vier Anmietfällen lässt sich entnehmen, ob zu den angegebenen Preisen eine Vorbuchungsfrist einzuhalten ist. Zur Verfügbarkeit verhält sich allein der Screenshot der Firma Avis, der eine Verfügbarkeit nur für eine Reservierung bestätigt, aber keine Aussage darüber trifft, ob und wann das Fahrzeug zu erhalten ist. In den Anmietfällen 2 (XXX GmbH) und 3 (XXX) musste das Ersatzfahrzeug für die Geschädigten kurzfristig verfügbar sein, denn bereits am Tag nach dem jeweiligen Unfall mieteten diese die Ersatzfahrzeuge an. In beiden Fällen konnte somit keine mehrtägige Wartezeit bzw. Vorbuchungsfrist bis zum Erhalt des Mietwagens eingehalten werden.

Ferner weisen die von Beklagtenseite vorgelegten Ersatzangebote auch keinen verbindlichen Preis aus, da die Höhe etwaiger Nebenkosten sich nicht sämtlich erkennen lässt und die Anmietbedingungen nicht abgebildet sind. Bei allen von der Beklagtenseite vorgelegten Angeboten sind die Anmiettage vornherein festgelegt und weisen für die Anmietdauer einen Preis aus. Wie sich die Preise gestalten, wenn von vornherein nicht genau absehbar ist, wie lange ein Fahrzeug angemietet werden muss, wie es gerade in der Unfallsituation und bei Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs der Fall ist, ist den Angeboten nicht entnehmen. Ferner weisen alle Angebote eine weit höhere Selbstbeteiligung bei der Vollkaskoversicherung aus, angefangen von 850 € bis 1.050 €, statt der vorliegend in allen Schadensfällen vereinbarten 350 €. Insofern sind die Angebote nicht mit den vorliegenden Sachverhalten vergleichbar. Auch hätten die Geschädigten die Fahrzeuge zu den in den Internetangeboten ausgewiesenen Tarifen nur bei Vorlage einer Kreditkarte oder Leistung einer entsprechenden Barkaution erhalten können, was den Geschädigten jedoch in der konkreten Anmietsituation nicht ohne weiteres zumutbar war.

Insgesamt sind danach die Screenshots und der insoweit substanzlose Vortrag, dass die darin ausgewiesenen Preise auch bei einer Anmietung unmittelbar an den Stationen zu erhalten gewesen seien, nicht geeignet, den Schwacke-Mietpreisspiegel in seiner Tauglichkeit als Schätzgrundlage zu erschüttern. Es kann den Screenshots nach den vorstehenden Ausführungen nicht entnommen werden, dass die Geschädigten in der Situation der durch sie berechtigterweise erfolgten Anmietungen von Ersatzfahrzeugen problemlos ein solches, ihren Fahrzeugen gleichwertiges zu den aufgeführten Preisen billiger als tatsächlich geschehen hätten anmieten können.

Auch der Verweis auf die Rechtsprechung des OLG Köln vermag eine abweichende Entscheidung nicht zu rechtfertigen.

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und ihre Entscheidung des Revisionsgerichts auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO.

Berufungsstreitwert: 1.639,37 € (Berufung: 1.000 €, Anschlussberufung: 639,37 €)

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Bedeutung für die Praxis: Die Berufungskammer in Köln bestätigt ihre Rechtsprechung zur Schwackeliste. Außerdem begründet das Gericht ausführlich, warum Kosten einer niedrigeren Selbstbeteiligung schadenersatzrechtlich zu erstatten sind. Dabei verweist es darauf, dass auch mehrere Schäden auftreten können, wofür die Wahrscheinlichkeit bei längerer Vermietung steigt. Im Fall einer Beschädigung des Mietwagens habe der Geschädigte als Mieter zudem keine Wahlmöglichkeit, einen Schaden zu beheben oder ihn unrepariert zu lassen. Er muss für den Schaden aufkommen. Dagegen kann er sich weitgehend absichern.

 

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