Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell KW 26-16

Amtsgericht Bonn 104 C 20/16 vom 17.05.2016

1. Die eintrittspflichtige Versicherung wird verurteilt, weiteren Schadenersatz aufgrund erforderlicher Mietwagenkosten aus acht Schadenfällen zu bezahlen.
2. Das Gericht schätzt den Normaltarif erforderlicher Mietwagenkosten in Anlehnung an die Rechtsprechung des OLG Köln anhand des Mittelwertes der Schwacke- und der Fraunhoferliste.
3. An der Eignung beider Listen ändere es auch nichts, dass die Beklagte meint, die Fraunhoferliste sei realistischer, denn es sei nicht Aufgabe des Tatrichters, allgemein gehaltenen Angriffen nachzugehen.
4. Wenn die Anmietung eilbedürftig ist, der Kunde keine Kaution stellen oder den Mietzins nicht vorfinanzieren kann, begründet das die Erforderlichkeit eines Aufschlages auf den Normaltarif. die Gründe müssen nicht kumulativ vorliegen.
5. Es liegt kein Verstoß der Geschädigten gegen die Schadenminderungspflicht dadurch vor, dass diese auf Schreiben oder Telefonate mit der Beklagten und die Empfehlung eines Mietwagens zu einem günstigeren Preis nicht eingegangen sind.
6. Nebenkosten der Anmietung für Zustellung und Abholung, Zusatzfahrer, Winterreifen und Navigation sind zu erstatten, soweit diese Leistungen angefallen sind.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Bonn stellt weiterhin auf den Mittelwert aus Schwacke und Fraunhofer ab. Hierauf wird ein 20%-iger Aufschlag zugesprochen, sofern in den Fällen unfallbedingte Mehrleistungen erforderlich waren. Schreiben und Telefonate der gegnerischen Haftpflichtversicherung binden den Geschädigten nicht.

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Amtsgericht Bonn 104 C 20/16 vom 17.05.2016

Im Namen des Volkes

 

Urteil

 

In dem Rechtsstreit XXX gegen XXX hat das Amtsgericht Bonn im schriftlichen Verfahren mit einer Schriftsatzeinreichungsfrist bis zum 26.04.2016 durch die Richterin am Amtsgericht XXX für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.328,27 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 132,31 Euro seit dem 20.03.2015, aus 441,72 Euro seit dem 25.07.2015, aus 189,03 Euro seit dem 25.07.2015, aus 362,71 Euro seit dem 01.08.2015, aus 442,32 Euro seit dem 07.08.2015, aus 271,08 Euro seit dem 21.08.2015, aus 294,57 Euro seit dem 13.11.2015 und aus 194,53 Euro seit dem 18.11.2015 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 561,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2016 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteilt ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

T a t b e s t a n d:

 

Die Klägerin ist ein Autovermietungsunternehmen. Sie nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht in acht Fällen auf Ersatz der Kosten in Anspruch, die den Geschädigten aus der Anmietung eines Kraftfahrzeuges als Ersatz für ihr infolge eines Verkehrsunfalls beschädigtes Fahrzeug entstanden sind.

Die Beklagte haftet den geschädigten Fahrzeugmietern dem Grunde nach zu 100 %. Die Parteien streiten jedoch um die erstattungsfähige Höhe der dem Geschädigten für die Anmietung des Unfallersatzfahrzeuges zustehenden Mietwagenkosten, wobei in allen Fällen ein klassentieferes Fahrzeug angemietet wurde. Die  Klägerin finanzierte in allen Fällen die Mietwagenkosten vor. Zudem war in allen Fällen eine flexible Mietdauer vereinbart.

Im Fall 1 mietete der Geschädigte XXX aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 29.01.2015 in Bonn vom 04.02.2011 bis 11.02.2011 ein Mietfahrzeug bei der Klägerin an. Die Klägerin stellte hierfür 989,41 Euro in Rechnung, die Beklagte zahlte 738,75 Euro. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 12.03.2015 unter Fristsetzung bis zum 19.03.2015 zur Zahlung der Restsumme auf.

Im Fall 2 mietete der Geschädigte XXX aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 19.05.2015 in Bonn vom 22.05.2015 bis 24.06.2015 ein Mietfahrzeug bei der Klägerin an. Die Klägerin stellte hierfür 832,92 Euro in Rechnung, die Beklagte zahlte 374,85 Euro. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 17.07.2015 unter Firstsetzung bis zum 24.07.2015 zur Zahlung der Restsumme auf.

Die Beklagte hatte dem Geschädigten am 20.05.2015 ein Erstinformationsschreiben zugesandt, in welchem sie auf teils sehr hohe Mietwagenkosten hinwies. Zugleich wies sie darauf hin, dass der Geschädigte ohne weiteres ein Mietfahrzeug zu einem günstigeren Preis anmieten könne und zwar zu 95,00 Euro netto täglich zzgl. 30,00 Euro für Zustellung und Abholung.

Im Fall 3 mietete die Geschädigte XXX aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 08.05.2015 in Bonn vom 22.06.2015 bis zum 25.06.2015 ein Mietfahrzeug bei der Klägerin an. Die Klägerin stellte hierfür 497,09 Euro in Rechnung, die Beklagte zahlte 224,00 Euro. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 17.07.2016 unter Fristsetzung bis zum 24.07.2015 zur Zahlung der Restsumme auf. Die Geschädigte ist vorsteuerabzugsberechtigt. Am 12.06.2015 hatte die Beklagte in einem Telefongespräch einen Mitarbeiter der Klägerin darauf hingewiesen, dass ein Mietwagen zu einem Preis in Höhe von 56,00 Euro netto täglich angemietet werden könne.

Im Fall 4 mietete der Geschädigte XXX aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 17.06.2015 in Bonn vom 29.06.2015 bis zum 06.07.2015 ein Mietfahrzeug bei der Klägerin an. Die Klägerin stellte hierfür 1.202,15 Euro in Rechnung, die Beklagte zahlte 625,94 Euro. Mit Schreiben vom 24.07.2015 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 31.07.2015 zur Zahlung der Restsumme auf.

Die Beklagte hatte dem Geschädigten am 25.06.2015 ein sog. Erstinfo-Schreiben zugesandt, in welchem sie auf Mietwagenkosten in Höhe von 57,00 Euro netto täglich sowie Kosten in Höhe von 15,00 Euro für Zustellen und Abholen und 5,00 Euro täglich für ein Navigationsgerät hinwies.

Im Fall 5 mietete der Geschädigte XXX aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 11.06.2015 in Bonn vom 07.07.2015 bis zum 14.07.2015 bei der Klägerin ein Mietfahrzeug an. Die Klägerin stellte hierfür 1.183,25 Euro in Rechnung, die Beklagte zahlte 533,12 Euro. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 30.07.2015 unter Fristsetzung bis zum 06.08.2015 zur Zahlung der Restsumme auf.

Die Beklagte hatte dem Geschädigten am 11.06.2015 in einem Telefongespräch einen Preis von 56,00 Euro netto täglich genannt. Im Anschluss an das Gespräch reservierte die Beklagte bei der Firma Enterprise ein Fahrzeug für den Geschädigten, welches dieser jedoch nicht anmietete.

Im Fall 6 mietete die Geschädigte XXX aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 15.07.2015 in Bonn vom 27.07.2015 bis zum 29.07.2015 ein Mietfahrzeug bei der Klägerin an. Die Klägerin stellte hierfür 427,48 Euro in Rechnung, die Beklagte zahlte 149.94 Euro. Mit Schreiben vom 13.08.2015 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 20.08.2015 zur Zahlung der Restsumme auf.

Am 17.07.2015 hatte die Beklagte die Geschädigte in einem Telefongespräch darauf hingewiesen, dass sie ein Mietfahrzeug zu einem Preis von 42,00 Euro netto täglich anmieten könne. Der Geschädigten wurde die Firma Cargo als Mietwagenunternehmen genannt.

Im Fall 7 mietete der Geschädigte XXX aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 12.10.2015 in Bornheim vom 14.10.2015 bis zum 17.10.2015 ein Mietfahrzeug an. Die Klägerin stellte hierfür 551,99 Euro in Rechnung, die Beklagte zahlte 247,03 Euro. Mit Schreiben vom 05.11.2015 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 12.11.2015 zur Zahlung der Restsumme auf. 

Im Fall 8 mietete die Geschädigte XXX aufgrund eines Verkehrsunfalls in Bonn vom 02.10.2015 vom 05.10.2015 bis 13.10.2015 ein Mietfahrzeug bei der Klägerin an. Die Klägerin stellte hierfür 1.257,63 Euro in Rechnung, die Beklagte zahlte 914,27 Euro. Mit Schreiben vom 10.11.2015 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 18.11.2015 zur Zahlung der Restsumme auf.

Bei den seitens der Beklagten den Geschädigten in den Fällen 2-6 genannten Mietwagenpreisen handelt es sich um Sonderkonditionen der Beklagten mit bestimmten Autovermietungsunternehmen.

Die Geschädigten traten ihre Ansprüche auf Erstattung der Mietwagenkosten an die Klägerin ab.

Die Klägerin hat die Mietwagenkosten auf der Grundlage des arithmetischen Mittels des Schwacke-Automietpreisspiegels und des Fraunhofer-Mietpreisspiegels sowie unter Hinzurechnung eines Zuschlags für unfallbedingte Zusatzleistungen berechnet.

Wegen der Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf die Seiten 13, 14 d. A. Bezug genommen.

 

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.458,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 166,65 Euro seit dem 20.03.2015, aus 441,72 Euro seit dem 25.07.2015, aus 239,14 Euro seit dem 25.07.2015, aus 362,71 Euro seit dem 01.08.2015, aus 477,45 Euro seit dem 07.08.2015, aus 271,08 Euro seit dem 21.08.2015, aus 304,96 Euro seit dem 13.11.2015 und aus 194,53 Euro seit dem 18.11.2015 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 561,60 Euro nebst Zinsen In Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Die Klage wurde am 05.02.2016 zugestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere der vorgelegten Rechnung und Abtretungserklärung Bezug genommen.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

 

Die zulässige Klage ist im zuerkannten Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht ein weiterer Zahlungsanspruch aus den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG, 398 BGB in Höhe von 2.328,27 Euro zu. Weitere ersatzfähige Kosten für ein Unfallersatzfahrzeug kann sie nicht verlangen.

I.

Die Beklagte haftet der Klägerin dem Grunde nach zu 100 %. Unstreitig haben ihre Versicherungsnehmer die Verkehrsunfälle allein verschuldet.

1.

Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann ein Geschädigter vom Schädiger den zur Schadenskompensation erforderlichen Geldbetrag verlangen. Zu den Kosten der Schadensbehebung nach einem Verkehrsunfall gehören grundsätzlich auch die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges. Allerdings sind die Mietkosten nicht unbegrenzt erstattungsfähig, sondern nur, soweit ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten sie für zweckmäßig und notwendig halten darf (BGH, Urteil vom 15.02.2005 -VI ZR 160/04/; Urteil vom 19.04.2005 -VI R 37/94). Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (BGH Urteil vom 02.02.2010 -VI ZR 139/08). Ein gegenüber dem normalen Tarif für Selbstzahler (,,Normaltarif') erhöhter „Unfallersatztarif“ kann erforderlich in diesem Sinne sein, wenn die Mehrkosten aus betriebswirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt sind, d.h. auf konkreten, unfallbedingten Mehrleistungen des Vermieters beruhen (BGH, Urteil vom 15.02.2005 -VI ZR 160/04), und dem Geschädigten kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich und zumutbar war.

Dabei ist die Schadensberechnung gemäß § 287 ZPO auf Grundlage des arithmetischen Mittels zwischen Schwacke- und Frauenhoferliste vorzunehmen (OLG Köln, Urteil vom 16.06.2015 - Az. 15 U 220/14, Urteil vom 01.08.2013 - Az. I-15 U 9/12, 15 U 9/12; LG Bonn Urteile vom 17.11.2015, Az.: 8 S 107/15, vom 24.02.2015, Az.: 8 S 258/14, vom 27.01.2015, Az.: 8 S 213/14 und vom 09.12.2014, Az.: 8 S 188/14). Dem steht nicht entgegen, dass in anderen obergerichtlichen Entscheidungen allein auf die Frauenhoferliste abgestellt wird. Denn wie der Bundesgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, kann der Tatrichter in Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarif“ grundsätzlich auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels" und der Fraunhofer-Liste ermitteln, wobei er die generelle Eignung beider Tabellenwerke zur Schadensschätzung betont hat (vgl. BGH NJW 2011, 1947 ff.) und auch eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebungen nicht als rechtsfehlerhaft erachtet hat (vgl. BGH, NJW-RR 2010, 1251 ff.). An der generellen Eignung beider Listen ändert auch nichts der Einwand der Beklagten, wonach die Frauenhoferliste realistischer sei. Es ist nicht Aufgabe des Tatrichters, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzgrundlage nachzugehen. Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensschätzung sind vielmehr nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind (OLG Köln, Beschluss vom 20.04.2009 - 13 U 6/09). Deshalb bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH NJW 2008, 1519, 2919; NJW 2009, 58).

2.

Bei der demnach vorzunehmenden Berechnung auf Grundlage des arithmetischen Mittels zwischen Schwacke- und Frauenhoferliste ist bei der Schwackeliste auf den Wert des arithmetischen Mittels und nicht auf den Moduswert abzustellen. Zudem ist für die Berechnung unabhängig von der bei Mietbeginn absehbaren bzw. geplanten Mietdauer die jeweils tatsächlich erreichte Gesamtmietdauer maßgebend (OLG Köln, Urteil v. 01.08.2013, Az. I-15 U 9/12, 15 U 9/12 -, juris). Dieser wird der davon umfasste größte Zeitabschnitt entsprechend den Tabellenwerken entnommen und daraus ein entsprechender 1-Tages-Wert errechnet, der sodann mit der Anzahl der tatsächlichen Gesamtmiettage multipliziert wird (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2012, 802 ff.: OLG Köln, Schaden-Praxis 2010, 396 ff.).

3.

Die Klägerin hat vorliegend auch einen Anspruch auf einen pauschalen Aufschlag für unfallbedingte Sonderleistungen in Höhe von 20 % auf den ortsüblichen Normaltarif. Grundsätzlich kann der Geschädigte auch einen Anspruch auf einen pauschalen Aufschlag für unfallbedingte Sonderleistungen in Höhe von 20 % auf den ortsüblichen Normaltarif geltend machen, wenn eine Eil oder Notsituation bestand oder dem Geschädigten eine Vorfinanzierung der Mietwagenkosten oder die Stellung einer Kaution mittels Einsatzes einer Kreditkarte oder auf andere Weise unmöglich oder unzumutbar war. Die Prüfung der Zulässigkeit eines Aufschlags auf den Normaltarif erfordert dabei nicht die Darlegung der betriebswirtschaftlichen Kalkulation des betreffenden Mietwagenunternehmens. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische, in der Situation der Anmietung  eines „Unfallersatzfahrzeuges“ regelmäßig anfallenden Mehrleistungen beim Kfz-Vermieter aus betriebswirtschaftlicher Sicht allgemein einen (pauschalen) Aufschlag rechtfertigen. Die Umstände, die einen pauschalen Aufschlag rechtfertigen können, müssen nicht kumulativ vorliegen, vielmehr reicht das Vorliegen einer der genannten Umstände aus (LG Bonn, Urteil vom 17.11.2015 - 8 S 107/15). Vorliegend hat die Klägerin substantiiert zu ihren besonderen unfallbedingten Mehrleistungen in Form der Vorfinanzierung und der unklaren Mietdauer vorgetragen.

4.

Die Klägerin hat auch Anspruch auf die tatsächlich angefallenen Nebenkosten. Gesondert in Rechnung gestellte weitere Leistungen wie Zustellung und Abholung, Zusatzfahrer, Winterreifen  und Navigationsgerät  sind dem arithmetischen  Mittel aus den Tabellen von Fraunhofer und Schwacke zuzuschlagen, sofern sie im Rahmen der streitgegenständlichen Mietverhältnisses tatsächlich angefallen und erstattungsfähig sind, da diese Leistungen in den Grundtarifen beider Erhebungen nicht enthalten sind (LG Bonn, Urteil vom 17.11.21015 - 8 S 107/15).

5.

Es liegt auch kein Verstoß der Geschädigten in den Fällen 2-6 gegen ihre Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB vor. Die Geschädigten müssen sich nämlich nur auf ein ohne weitere zugängliches Angebot verweisen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 20.03.2007 - VI ZR 254/05). Dabei ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen. Die von der Beklagten in ihren Schreiben bzw. Telefonaten jeweils wiedergegebenen Angebote sind den Geschädigten jedoch gerade nicht ohne weitere zugänglich gewesen, sondern stellen unstreitig gerade der Beklagten eingeräumte Sondertarife dar. Ohne die Vermittlung der Beklagten wären die Preise für die Geschädigten unstreitig nicht erhältlich gewesen. Die Geschädigten müssen sich auf diese nicht verweisen lassen. Eine andere Betrachtung würde dem allgemeinen Grundsatz des Schadensersatzrechts widersprechen, dass der Geschädigte als Herr des Regulierungsgeschehens den Schaden grundsätzlich unter freier Wahl der ihm hierzu zur Verfügung stehenden Mittel beseitigen kann, ohne sich hierbei der Hilfe des Schädigers bedienen zu müssen (BGH, Urteil vom 20.10.2009 - VI ZR 53/09).

6.

Ausgehend von den obigen Darlegungen errechnet sich der erstattungsfähige Aufwand für den Mietwagen entsprechend den vorstehenden Ausführungen gemäß § 287 ZPO auf einen Betrag von 2.328,27 Euro. Dieser errechnet sich im Einzelnen wie folgt:

 

  Name PLZ  Gruppe Anzahl Tage
Fall 1 XXX 532 2 8
Grundpreis Woche 3-Tage Tagespreis Summe
Schwacke 626,43 € - 89,49 € 715,92 €
Fraunhofer 195,98 € - 28,00 € 224,00 €
Arithmetisches Mittel     58,74 € 469,95 €
         
20%-iger Aufschlag       93,99 €
Zu/ab     29,42 € 59,28 €
VK/TK     18,42 € 147,36 €
Winterreifen     12,56 € 100,48 €

erforderliche Mietwagenkosten

      871,06 €
Gezahlt       738,75 €
Rest       132,31 €

 

                 

 

 

 

 

  Name PLZ  Gruppe Anzahl Tage
Fall 2 XXX 532 9 3
Grundpreis Woche 3-Tage Tagespreis Summe
Schwacke - 699,44 € 233,15 € 699,44 €
Fraunhofer - 331,71 € 110,57 € 331,71 €
Arithmetisches Mittel     171,89 € 515,58 €
         
20%-iger Aufschlag       103,12 €
Zu/ab     29,62 € 67,86 €
VK/TK     22,62 € 147,36 €
Navigation     9,29 € 27,87 €

erforderliche Mietwagenkosten

      816,57 €
Gezahlt       374,85 €
Rest       441,72 €

 

  Name PLZ  Gruppe Anzahl Tage
Fall 3 XXX 532 4 4
Grundpreis Woche 3-Tage Tagespreis Summe
Schwacke - 352,50 € 117,50 €

470,00 € =

380,70 € netto

Fraunhofer - 147,06 € 40,02 €

196,08 € =

158,52 € netto

Arithmetisches Mittel     83,26 €

333,04 € =

269,76 € netto

         
20%-iger Aufschlag       53,95 € netto
Zu/ab     29,64 € 48,02 € netto
VK/TK     18,92 € 61,03 € netto

erforderliche Mietwagenkosten

      433,03 € netto
Gezahlt       224,00 € netto
Rest       189,03 € netto

 

  Name PLZ  Gruppe Anzahl Tage
Fall 4 XXX 532 5 7
Grundpreis Woche 3-Tage Tagespreis Summe
Schwacke 812,90 € - 116,13 € 812,90 €
Fraunhofer 229,60 € - 32,80 € 229,60 €
Arithmetisches Mittel     74,46 € 521,25 €
         
20%-iger Aufschlag       104,25 €
Zu/ab     29,64 € 59,28 €
VK/TK     19,83 € 138,81 €
Navigation     9,29 € 65,03 €
Zusatzfahrer     14,29 € 100,03 €

erforderliche Mietwagenkosten

      988,65 €
Gezahlt       625,94 €
Rest       362,71 €

 

  Name PLZ  Gruppe Anzahl Tage
Fall 5 XXX 532 4 8
Grundpreis Woche 3-Tage Tagespreis Summe
Schwacke 752,25 € - 107,46 € 859,71 €
Fraunhofer 196,37 € - 28,05 € 224,42 €
Arithmetisches Mittel     67,76 € 542,07 €
         
20%-iger Aufschlag       108,41 €
Zu/ab     29,64 € 59,28 €
VK/TK     18,92 € 151,36 €
Zusatzfahrer     14,29 € 114,32 €

erforderliche Mietwagenkosten

      975,44 €
Gezahlt       533,12 €
Rest       442,32 €

 

 

  Name PLZ  Gruppe Anzahl Tage
Fall 6 XXX 532 2 3
Grundpreis Woche 3-Tage Tagespreis Summe
Schwacke - 296,63 € 98,87 € 296,63 €
Fraunhofer - 142,72 € 47,57 € 142,72 €
Arithmetisches Mittel     73,23 € 219,68 €
         
20%-iger Aufschlag       43,94 €
Zu/ab     29,64 € 59,28 €
VK/TK     18,42 € 55,26 €
Zusatzfahrer     14,29 € 42,87 €

erforderliche Mietwagenkosten

      421,03 €
Gezahlt       149,94 €
Rest       217,08 €

 

  Name PLZ  Gruppe Anzahl Tage
Fall 7 XXX 532 2 4
Grundpreis Woche 3-Tage Tagespreis Summe
Schwacke - 296,63 € 98,88 € 395,50 €
Fraunhofer - 142,72 € 47,57 € 190,29 €
Arithmetisches Mittel     73,22 € 292,90 €
         
20%-iger Aufschlag       58,58 €
Zu/ab     29,64 € 59,28 €
VK/TK     18,24 € 73,68 €
Zusatzfahrer     14,29 € 57,16 €

erforderliche Mietwagenkosten

      541,60 €
Gezahlt       247,03 €
Rest       294,57 €

 

 

  Name PLZ  Gruppe Anzahl Tage
Fall 8 XXX 532 6 9
Grundpreis Woche 3-Tage Tagespreis Summe
Schwacke 917,88 € - 131,13 € 1.180,13 €
Fraunhofer 258,89 € - 36,98 € 332,86 €
Arithmetisches Mittel     84,06 € 756,50 €
         
20%-iger Aufschlag       151,30 €
Zu/ab     29,64 € 59,28 €
VK/TK     20,38 € 183,42 €
Navigation     9,29 € 83,61 €

erforderliche Mietwagenkosten

      1.234,11 €
Gezahlt       914,27 €
Rest       319,84 €

Die Klägerin macht in diesem Fall lediglich 194,53 Euro geltend.

 

II.

Die Klägerin hat zudem Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils 70,20 Euro.

III.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.

V.

Streitwert: 2.458,23 Euro

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Bedeutung für Praxis: Das Urteil und seine Begründung erfahren eine besondere Bedeutung durch das aktuelle BGH-Urteil VI ZR 563/15 vom 26.04.2016. Laut BGH darf der Geschädigte nach einem telefonischen Vermittlungsangebot des Versicherers keine darüber hinausgehenden Forderungen an den Versicherer stellen. 

Die Rechtsprechung des Amtsgerichtes in Bonn zeigt auf, welche Ansätze dennoch bestehen. Zum einen hat der BGH (weil es mangels Prozessvortrags dazu revisionsrechtlich leider nicht ankam) keine Stellung dazu bezogen, ob es sich bei dem genannten Preis um einen Marktpreis handeln muss. Davon ist aber auszugehen. Denn sonst könnte der Versicherer einen Preis ins Blaue hinein behaupten und der Geschädigte könnte schon allein durch die bloße Behauptung des Versicherers nicht mehr frei disponieren und wäre sogar an den Kooperationspartner des Versicherers gebunden, je niedriger der genannte Preis, um so unwahrscheinlicher die Möglichkeit, dass ihn der Geschädigte bei einem anderen Anbieter findet. So urteilt das AG Bonn: "Angebote ... stellen unstreitig gerade der Beklagten eingeräumte Sondertarife dar. Ohne die Vermittlung der Beklagten wären die Preise für die Geschädigten unstreitig nicht erhältlich gewesen. Die Geschädigten müssen sich auf diese nicht verweisen lassen."

Weitere relevante Fragen sind, ob der Versicherer - wie es häufig geschieht - einen Netto-Preis nennen darf (AG Bonn verneint das, z.B. Az. 111 C 152/12 vom 29.11.2012), ob diese Preise der Realität der späteren Abrechnung entsprechen, ob der genannte Vermieter immer ein Fahrzeug liefern kann, ob der Versicherer konkret prüfen muss, welche Leistung benötigt wird, bevor er den Geschädigten auf eine Direktvermittlung verpflichten kann, wie die Angebotsabgabe an den Geschädigten konkret ablaufen muss, um ihn daran zu binden (wie lange muss der Geschädigte auf den Anruf warten, wie lange auf das Fahrzeug, welche Bedingungen, welche Leistungen darf er verlangen,...).

Bundesverband der Autovermieter Deutschlands e.V.

Wir stellen uns vor.

Der Bundesverband der Autovermieter Deutschlands e.V. (BAV) wurde am 05. April 1954 gegründet. Er ist eine Interessenvertretung von Unternehmen, die Pkw, Anhänger, Transporter und Lkw vermieten. Der BAV repräsentiert ca. zwei Drittel des Gesamtmarktes der Autovermietung. Er steht den Mitgliedern für alle branchenrelevanten Aufgaben zur Verfügung.

Alles Wissenswerte haben wir für Sie in einer Verbandsbroschüre aufbereitet. Bitte schauen Sie hinein. Sie erfahren wer wir sind und welche Aufgaben der BAV für die Branche der Autovermietung übernommen hat. Sie sehen, wie erfolgreich wir dabei bisher gewesen sind und warum es sich lohnt, unserer Interessengemeinschaft beizutreten und in Zukunft mit uns zusammenzuarbeiten.

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Urteilsdatenbank des BAV

Der BAV bietet den Zugriff auf eine Datenbank für Gerichtsurteile und Fachartikel bzgl. Mietwagen an.

Meinung der Nutzer (10.08.2022):
„Die Datenbank des BAV ist für die Mitglieder von großem Nutzen. Hier kann sich der Autovermieter oder sein Anwalt jederzeit über den aktuellen Stand der lokalen Rechtsprechung informieren. Von unschätzbarem Wert ist die Datenbank für die überregionale bundesweite Rechtsprechung. Wenn ein Autovermieter nicht lokal Klagen kann, sondern am entfernten Unfallort oder am Sitz der Versicherung klagen muss, bietet die Datenbank wichtige Informationen über die dortige Rechtsprechung und insbesondere die möglichen Erfolgsaussichten einer Klage fern der Heimat.“

In der Datenbank sind - zumeist im Format PDF - enthalten:
- alle wichtigen BGH-Urteile der letzten Jahre
- alle wichtigen und uns bekannten Urteile der Oberlandesgerichte und der Landgerichte seit 2008
- jeweils mindestens ein Urteil einer Abteilung eines Amtsgerichtes seit 2008, soweit bekannt und von Bedeutung
- alle aktuellen uns bekannten Urteile seit Mitte 2010

Mitte 2022 befinden sich ca. 6.600 Dokumente in der Datenbank. Für ...

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