Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 11-16

Landgericht Landshut 13 S 2979/15 vom 10.02.2016, Beschluss

1. Die Heranziehung der Schwackeliste zur Schätzung der Mietwagenkosten, wie sie vom Erstgericht vorgenommen wurde, ist nicht zu beanstanden.
2. Einwendungen sind gestattet, doch muss der Tatrichter lediglich allgemeinen Angriffen gegen eine Schätzgrundlage nicht nachgehen. Erheblich sind die Enwände, wenn sie sich auf den konkreten Fall beziehen.
3. Von der Beklagten vorgelegte Internetangebote beziehen sich auf einen anderen Zeitraum. Der Sachverständigenbeweis ist unbehelflich, da hier keine Tatsachen zu ermitteln sind, sondern Fachwissen für Schlussfolgerungen und Wertungen des Gerichtes hinzuzuziehen wäre.
4. Nebenkosten für die Reduzierung der Haftung für eventuelle Beschädigungen des Mietwagens sind zu erstatten. Auf die Frage der Vollkaskoversicherung des Unfallfahrzeuges kommt es dabei nicht an.

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht bestätigt die erstinstanzliche Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten anhand der Schwackeliste und weist die Argumente der Beklagten als unkonkret zurück. Kosten von erforderlichen Nebenleistungen werden hinzugerechnet.

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Landgericht Landshut 13 S 2979/15 vom 10.02.2016
(Vorinstanz Amtsgericht Freising 7 C 1117/15)


In dem Rechtsstreit

XXX gegen XXX wegen Schadensersatz erteilt das Landgericht Landshut -1. Zivilkammer- durch den Richter am Landgericht XXX, die Richterin am Landgericht XXX und den Richter am Landgericht XXX folgenden


Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO


I.    Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Endurteil des Amtsgerichts Freising vom 12.11.2015, Az. 7 C 1117/15, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

II.    Die Beklagten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Entscheidung binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Hinweises (§ 522 Abs. 2 S. 2 ZPO).

III.    Nach Sachlage empfiehlt es sich, zur Vermeidung weiterer Kosten die Rücknahme der Berufung innerhalb der gesetzten Frist zu prüfen. Im Falle einer Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).


Gründe:



Die in der Berufungsbegründung ausgeführten Einwendungen gegen das Ersturteil greifen nicht durch:

1)    Die Heranziehung des Schwacke-Mietpreisspiegels durch das Erstgericht ist berufungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist zwar zutreffend, dass der Bundesgerichtshof die Heranziehung des Fraunhofer-Mietpreisspiegels als Schätzgrundlage für die Ermittlung des Normaltarifs akzeptiert hat. Dies gilt jedoch ebenso für den Schwacke-Mietpreisspiegel.

Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. Der Bundesgerichtshof hat demgemäß bereits mehrfach ausgesprochen, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarif“ auch auf der Grundlage des „Schwacke-Mietpreisspiegels" im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermitteln kann.

2)    Allerdings können die Parteien Einwendungen gegen die Heranziehung des Schwacke-Mietpreisspiegels (oder einer anderen Liste oder Tabelle) erheben. Hierbei ist es jedoch nicht Aufgabe des Tatrichters, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzgrundlage nachzugehen. Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 17.05.2011, NJW-RR 2011, 1109; BGH, Urteil vom 12.04.2011, NJW 2011, 1947; BGH, Urteil vom 22.02.2011, Az.: VI ZR 353/09; BGH, Urteil vom 18.05.2010, NJW-RR 2010, 1251; BGH, Urteil vom 11.03.2008, NJW 2008, 1519; BGH, Urteil vom 24.06.2008, NJW 2008, 2910; BGH, Urteil vom 02.02 .2010, VersR 2010 , 683; BGH, Urteil vom  09.03.2010, NJW 2010, 2569). Auf solche Fälle bezieht sich auch die von dem Beklagtenvertreter in der Berufungsbegründung auf Seiten 3-5 zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

a)    Den allgemein gehaltenen Argumenten der Beklagten bezüglich des Fraunhofer-Mietpreisspiegels und des Schwacke-Mietpreisspiegels ist daher nicht näher nachzugehen. Beide Mietpreisspiegel sind grundsätzlich als Schätzgrundlage geeignet (vgl. oben).

b)    Die vorgelegten Internetangebote (Anlagen zum Schriftsatz vom 07.10.2015) beziehen sich nicht auf den streitgegenständlichen Zeitraum im Juli 2015, sondern auf andere Zeiträume im Oktober 2015. Somit ist aus den Internetangeboten allein nicht ersichtlich, ob zu den angegebenen Bedingungen in dem streitgegenständlichen Zeitraum ein Fahrzeug zur Verfügung gestanden hätte. Als Beweis hierfür hat die Beklagte Sachverständigenbeweis angeboten. Das Amtsgericht war nicht gehalten, dem Beweisangebot der Beklagten auf Erholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen, da dieses unbehelflich war. Während ein Zeuge dem Gericht über eine eigene Wahrnehmung von vergangenen Tatsachen und tatsächlichen Vorgängen oder Zuständen berichtet, ohne diesen Bericht durch Schlussfolgerungen auszuwerten, unterstützt der Sachverständige das Gericht bei der Beurteilung vorgegebener Tatsachen, indem er aufgrund seines Fachwissens subjektive Wertungen, Schlussfolgerungen und Hypothesen bekundet. Das Beibringen der Anschluss- oder Anknüpfungstatsachen ist allerdings Sache der beweispflichtigen Partei. Nicht der Sachverständige hat bei streitigen Behauptungen die Tatsachenfeststellung zu treffen, sondern das Gericht, das die Befund- und Zusatztatsachen zum Beispiel mittels Aussagen angebotener Zeugen zu ermitteln hat. Ausgehend von dem feststehenden Sachverhalt hat sodann der Sachverständige seine Einschätzung vorzunehmen (vgl. Zöller, ZPO, 29. Auflage, § 402 Rdnr. 1 a), BGH, NJW 2013, 3570). Vorliegend ging es nicht um die Vermittlung von Fachwissen und Schlussfolgerungen aufgrund besonderer Sachkunde, sondern schlicht um die Frage, ob der Kläger am Unfalltag (09.07.2015) bei einer Nachfrage bei den Firmen Avis, Sixt und Europcar in Freising, Preise auf dem von der Beklagten behaupteten Niveau genannt bekommen hätte, und ob ein Fahrzeug an dem genannten Tag in der konkreten Situation zu diesen Konditionen hätte angemietet werden können. Die zeitliche und örtliche Realisierbarkeit der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zu einem bestimmten Preis ist aber keine Frage, für die ein Sachverständiger subjektive Einschätzungen treffen muss, sondern schlicht eine Frage, die dem Zeugenbeweis zugänglich ist (vgl. OLG Celle, MDR 2013, 1340). Einen solchen hat die Beklagte aber nicht als Beweismittel angeboten.

c)    Nicht zu beanstanden ist weiter, dass das Amtsgericht bei seiner Berechnung Nebenkosten für die Haftungsreduzierung des Mietfahrzeugs in Ansatz gebracht hat. In den Modusbeträgen nach Schwacke-Mietpreisspiegel sind die Kosten für die Haftungsreduzierung nur bis zu einer Höhe der Selbstbeteiligung von 500,00 € eingepreist. Der Geschädigte eines fremdverschuldeten Unfalls kann jedoch bei Inanspruchnahme eines Mietwagens die Aufwendungen für eine Vollkaskoversicherung grundsätzlich insoweit erstattet verlangen, als er während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt ist (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2005,  NJW 2006, 361).

Dies war vorliegend der Fall, da das angemietete Fahrzeug ausweislich der Rechnung (Anlage K1) bei Anmietung einen Tachostand von nur 10 km aufwies und daher  nahezu neuwertig war. Das beschädigte Fahrzeug ist dagegen in 2007 erstmalig zugelassen worden und wies beim Unfall einen Tachostand von über 25.000 km auf (vgl. Anlage K3). Es kommt daher nicht darauf an, ob das beschädigte Fahrzeug vollkaskoversichert war.

Weiter hat der Kläger vorliegend eine Haftungsreduzierung ohne Selbstbeteiligung vereinbart. Dies geht sowohl aus der Rechnung (Anlage K1) hervor, in der bei der Haftungsreduzierung eine Selbstbeteiligung vermerkt ist. Außerdem ist in dem Mietvertrag (Anlage K2) die Angabe zur Höhe der Selbstbeteiligung eindeutig gestrichen worden. Das Erstgericht hat seiner Schätzung nach § 287 ZPO daher zu Recht die Vereinbarung einer Haftungsreduzierung ohne Selbstbeteiligung zugrunde gelegt.

Die vom Erstgericht für den Wegfall der Selbstbeteiligung angesetzten 23 Euro am Tag entsprechen der Nebenkostentabelle des Schwacke-Mietpreisspiegels und sind insofern nicht zu beanstanden.

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Bedeutung für die Praxis: Die Beklagte dringt mit Ihren Angriffen auf die Schwackeliste nicht durch. Sie mag sie insoweit auf den konkreten Fall bezogen haben, dass die Internetangebote aus der betreffenden Region stammen. Das Gericht verlangt, dass sie auch den Zeitpunkt der Anmietung betreffen. Doch das erscheint noch immer fehlgeleitet, denn es sind immer noch Internetangebote, deren Bedingungen der Geschädigte regelmäßig nicht erfüllen kann. Also warum sollen sie dann eine Schätzgrundlage erschüttern können? Außerdem stellen sie nur einen kleinen Teil des Marktes dar, der ein Spektrum von / bis darstellt.

 

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