Vermietung nach Unfall

Mietwagenhinweis des Haftpflichtversicherers: aktuelle Urteile zu § 254 BGB

Liste und Zitate aus Urteilen zur Direktvermittlung, aktualisiert am 23.05.2023 (aus 102 Verfahren):

AG Königswinter 15 C 3/23 vom 16.05.2023

"Das zunächst durch die Beklagte aufgeführte telefonische Angebot allein ist bereits unbeachtlich. Auf lediglich telefonisch unterbreitete und insoweit für den Unfallgeschädigten nicht nachweisbar bzw. dokumentierte Angebote muss sich dieser nicht einlassen (vgl. u.a. LG Bonn, Urt. v. 25.05.2021, a.a.O). Auch das schriftliche Angebot der Beklagten vom 24.07.2020 (vgl. Anlage B1) brauchte der Geschädigte nicht anzunehmen. Hierbei kann es im vorliegenden Fall dahinstehen, ob das Angebot dem Geschädigten - trotz Nennung einer inkorrekten Email-Adresse
- überhaupt zugestellt worden ist, da es die Voraussetzungen eines zulässigen Alternativangebots nicht erfüllt. Ein solches Alternativangebot an den Geschädigten muss, nach der Rechtsprechung im Bezirk des Oberlandesgerichts Köln, sich auf Zeit und Ort der Anmietung des konkreten Fahrzeugs beziehen, ein bestimmtes Fahrzeugmodell und nicht nur bestimmte Fahrzeugklassen angeben, hinsichtlich der Kaskoversicherung die Höhe der Selbstbeteiligung nennen und die Leistungen müssen am Wohnort des Geschädigten im fraglichen Zeitraum tatsächlich verfügbar sein (OLG Köln, Urt. v. 30.07.2013, -15 U 212/12). Die Beklagte bot in Ihrem oben aufgeführten Anschreiben an den Geschädigten gerade keine bestimmten Fahrzeuge an. Diese sind auch nicht bestimmbar und insoweit für den Geschädigten vergleichbar. Im Angebot heißt es auf Seite 1:

II    Wenn Sie einen Mietwagen benötigen, kann die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges derselben Schwacke-Mietwagenklasse Ihres verunfallten Fahrzeuges zu einem Tagespreis von brutto 61,00 EUR erfolgen."

Auf Seite 2 heißt es sodann:
 
"...Die Preisbenennung erfolgt in der Regel anhand der von Ihnen mitgeteilten KW­ Zahl und der weiteren Informationen zum Fahrzeug."

Die Beklagte führt hier lediglich aus, dass ein Fahrzeug derselben Schwacke­ Mietwagenklasse zur Verfügung gestellt wird. Hierbei geht die Beklagte von einer Einteilung der Mietwagenklassen nach der benannten KW Leistung des Fahrzeugs des Geschädigten aus. Für den Geschädigten wird aus dieser Formulierung nicht ersichtlich welches Fahrzeug er hier angeboten bekommen soll. Ein Fahrzeug mit einer bestimmten KW-Leistung kann in verschiedenste Mietwagenklassen eingeteilt werden, so das eine Bestimmbarkeit nicht vorliegt.

Das schriftliche Angebot der Beklagten ist zudem so gefasst, dass es zu Unklarheiten auf Seiten des Geschädigten kommt, die dazu führen, dass für die Geschädigten nicht hinreichend ersichtlich wird, ob er tatsächlich einen Mietwagen zu dem angegebenen Preis erhalten würde. Das im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.02.2019 - Az. VI ZR 141/18 zugrundeliegende Angebot der dortigen Beklagten enthielt demgegenüber einen konkreten Preis der Ersatzanmietung ohne weitere Einschränkungen. Das hiesige Angebot führt auf Seite 1 zunächst einen Festpreis für alle Fahrzeuge derselben Schwacke-Mietwagenklasse auf. Dies wird aber durch einen weiteren Hinweis auf Seite 2, wonach die Preisbenennung nach der KW Leistung des Fahrzeugs des Geschädigten und den weiteren Informationen zum Fahrzeug erfolge, relativiert. Welche Informationen hier genau in den Bewertungsprozess mit eingeflossen sind, zeigt das Angebot nicht auf. Diese Formulierung widerspricht der vorherigen Angabe eines Festpreises.

Zuletzt heißt es im hiesigen Angebot der Beklagten auf Seite 2 weiter:

"...Sollte sich dennoch im Rahmen der Anmietung herausstellen, dass Ihnen aufgrund des Fahrzeugtyps und/oder der gehobenen Ausstattung Ihres Fahrzeuges eine höhere Preisklasse zusteht, werden Sie kostenfrei ein Upgrade, bzw. ein höherwertiges, mit Ihrem Fahrzeug vergleichbares Fahrzeug erhalten."

Diese Formulierung ist geeignet beim Geschädigten Zweifel daran zu wecken, dass die Beklagte - oder die genannten Mietwagenfirmen - ihm sofort bei Anmietung, ein der ihm zustehenden Mietwagenklasse entsprechendes Fahrzeug zur Verfügung stellen."

AG Wesel 27 C 45/22 vom 26.08.2022

"Der Erstattungsfähigkeit steht nicht entgegen, dass der Kläger die von der Beklagten "angebotene" Direktvermittlung eines Fahrzeuges nicht in Anspruch genommen hat. (...) Dessen ungeachtet, handelt es sich bei diesem Schreiben nicht um ein hinreichend konkretes Angebot, sondern lediglich um ein Hinweisschreiben, dass eine Vermittlungstätigkeit in Aussicht stellt bzw. Kontaktdaten übermittelt. Ob Mietfahrzeuge bei dem jeweiligen Partnerunternehmen der Beklagten überhaupt vorhanden sind und zu welchen Konditionen diese vergeben werden können, bleibt völlig offen."

AG Salzgitter 21 C 483/22 vom 27.09.2022

"Für einen Verstoß der Geschädigten gegen ihre Schadensminderungspflicht durch Nichtannahme eines günstigeren Mietwagenangebotes war die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Der hierzu gehaltene Vortrag genügt nicht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 26.4.2016, VI ZR 563/15) kann zwar die Frage, ob der vom Geschädigten gewählte Mietwagentarif erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB war, ausnahmsweise offen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation "ohne weiteres" zugänglich gewesen wäre, so dass ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gemäߧ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte (im Anschluss an BGH, VersR 2010, 545). In diesem Zusammenhang kann auch das Angebot des Haftpflichtversicherers an den Geschädigten, ihm eine günstige Anmietmöglichkeit zu vermitteln, beachtlich sein. Ein solches, konkretes Angebot des Haftpflichtversicherers, also hier der Beklagten, gegenüber der Geschädigten, ihr eine günstigere Anmietungsmöglichkeit zu vermitteln, kann jedoch vorliegend auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht festgestellt werden. Keinesfalls genügen die pauschalen Angaben im Telefonvermerk vom 13.4.2022 an die Geschädigte, die ein weiteres selbständiges Tätigwerden erfordert hätten. Denn in dem Schreiben werden keinerlei konkrete Anmietmöglichkeiten für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges angegeben. Es wird lediglich auf eine 0800er Telefonnummer einer Mietwagenfirma verwiesen, ohne auf das anzumietende Fahrzeug, dessen konkrete Verfügbarkeit, konkrete Anmietstationen oder auch nur konlkrete Gesamtpreise Bezug zu nehmen."

AG Bergisch-Gladbach 63 C 382/21 vom 07.07.2022

"Eine Kürzung der Ansprüche der Geschädigten gemäß § 254 Abs. 2 S. 1 BGB aufgrund der von der von der Beklagten behaupteten Angebote bzw. Vermittlungsangebote eines günstigeren Mietwagens kommt nicht in Betracht. Zwar kann das Angebot des Haftpflichtversicherers des Schädigers an den Geschädigten, ihm ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung zu stellen oder zu vermitteln, beachtlich sein (BGH, NJW 2016, 2402). Steht fest, dass dem Geschädigten in der konkreten Situation ein günstigerer Tarif "ohne Weiteres" zugänglich gewesen wäre, ist der vom Geschädigten gewählte Tarif wegen Verstoßes gegen die Schadenminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht erstattungsfähig. Zu erstatten sind dann nur die Kosten, die dem Geschädigten bei Inanspruchnahme des günstigeren Tarifs entstanden wären (BGH, Urteil vom 12. Februar 2019, VI ZR 141/18).

Die hier behaupteten Arten des Hinweises auf günstigere Anmietmöglichkeiten genügen diesen Voraussetzungen indes nicht.

Das von der Beklagten verwendete Schreiben (Anlage 84, BI. 130 GA) enthielt keinen konkreten Preis der Ersatzanmietung und lässt einen Bezug auf das im vorliegenden Fall geschädigte Fahrzeug, einen Pkw Porsche Boxster S, nicht erkennen. Der Geschädigte konnte auch bei einem Zugang des Schreibens nicht konkret erkennen, welchen Preis er bei Vermittlung durch die Beklagte zu zahlen hat. Stattdessen war er gehalten, anhand von Vergleichsfahrzeugen und der Motorisierung einen Preis herauszufinden. Schon die erforderlichen Recherchearbeiten und die mangelnde Vergleichbarkeit mit anderen Tabellen führen dazu, dass es sich nicht um ein ohne weiteres zugängliches Vermittlungsangebot handelt. Es handelt sich nur um eine erste Preisinformation. Dies reicht in dieser Form nicht aus (LG Bonn, Urteil vom 25.05.2021, 5 S 89/20).

Dies gilt auch für das - bestrittene - telefonisch unterbreitete Angebot an den Geschädigten XXX. Denn auf telefonisch unterbreitete, und damit für den Geschädigten nicht dokumentierte und beweisbare, Vermittlungsangebote muss sich der Geschädigte nicht einlassen. Derartige „Angebote" sind nicht beweisbar, erst recht wenn auf diesem Weg Selbstbeteiligungen geregelt werden sollen (LG Bonn, Urteil vom 25.05.2021, 5 S 89/20).

Demnach musste sich der Geschädigte nicht auf die Vermittlungsangebote einlassen, sondern es sind grundsätzlich die nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln zu errechnenden Beträge zu erstatten."

Amtsgericht Esslingen 6 C 497/21 vom 21.04.2022

"Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin, wie nun von ihr behauptet, das Anschreiben der Beklag­ten nicht erhalten hat. Denn auch bei unterstelltem Erhalt des Informationsschreibens der Beklag­ten vom 16.09.2020 lässt sich kein Verstoß der Klägerin gegen ihre Verpflichtung zur Schadens­minderung (§ 254 Abs. 2 BGB) feststellen. Im genannten Schreiben wird seitens der Beklagten angeboten, man sei gerne bei der Reservierung eines Mietwagens behilflich; es wird mitgeteilt, dass man sich auch direkt an zwei namentlich genannte Mietwagenfirmen wenden könne. Die dort verlangten Preise werden geordnet nach Mietwagengruppen angegeben. Abschließend wird der Adressat des Schreibens darauf hingewiesen, dass er, falls er anderweitig ein Fahrzeug or­ganisieren wolle, bitte 2 bis 3 Angebote einholen und die Preise vergleichen möge. Viele Vermie­ter würden sog. Unfallersatztarife berechnen, die oft wesentlich teurer seien als bei sonstiger An­mietung. Überhöhte Tarife seien unter Umständen nicht uneingeschränkt zu erstatten.
Der solchermaßen angeschriebene Unfallgeschädigte muss bei verständiger Würdigung dieser Mitteilungen auf Grundlage des objektivierten Empfängerhorizonts zum Ergebnis gelangen, dass die Beklagte nichts dagegen einzuwenden habe, wenn er das Hilfsangebot der Beklagten nicht annimmt, sich vielmehr anderweitig um einen Mietwagen bemüht, solange er nicht zu überhöhten Unfallersatztarifen anmietet, sondern sich mit den Mietpreisen im Rahmen dessen hält, was übli­cherweise verlangt wird. Wenn von der Option der Selbstsuche Gebrauch gemacht wird, hat der Geschädigte darauf zu achten, dass die üblichen Mietpreise nicht überschritten werden; er ist je­doch nicht gehalten, die von der Beklagten im Schreiben aufgeführten, besonders günstigen Tari­fe der beiden namentlich genannten Kooperationsunternehmen nicht zu übersteigen. Denn die Beklagte warnt bei der Selbstsuche vor überteuerten Unfallersatz-Miettarifen, nicht vor einem Übersteigen der angeführten Tarife der Kooperationsunternehmen."

AG Königswinter 10 C 48/21 vom  15.03.2022 (mdl. Verh.)

"Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dem Geschädigten habe ein günstigeres Angebot für einen· Mietwagen vorgelegen. Das von der Beklagten behauptete und nunmehr im Rechtsstreit vorgelegte Angebot ist weder auf den konkreten Anmietungszeitraum und -ort angepasst, noch enthält es alle notwendigen Informationen, noch ist es an die Bedürfnisse der Geschädigten - beispielsweise auf die Haftungsbeschränkung - angepasst. Es handelt sich hierbei nicht wie von der Beklagten behauptet um ein annahmefähiges Angebot, sondern auch nach den Darstellungen der Beklagten um ein Vermittlungsangebot zugunsten der Autovermietung Enterprise. Auf nur telefonisch unterbreitete und damit für den Geschädigten nicht dokumentierte und beweisbare Vermittlungsangebote, wie es vorliegend durch die Beklagte erfolgte, muss sich der Geschädigte jedoch nicht einlassen. Derartige „Angebote" sind nicht beweisbar, erst recht wenn auf diesem Weg Selbstbeteiligungen geregelt werden sollen. Auch fehlen naturgemäß Detailangaben zu den Zusatzkosten und Zusatzleistungen (vergleiche Landgericht Bonn, Urteil vom 25.05.2021, Az. 5 S 89 / 20)."

AG Bonn 113 C 209/21 vom 08.03.2022

"Die Geschädigten waren in den Fällen 1 und 3 nicht gehalten, die Angebote der Beklagten anzunehmen. Telefonische Angebote sind nach der Rechtsprechung der LG Bonn, der das erkennende Gericht folgt, unerheblich, weil sie nicht beweisbar sind (LG Bonn, Urteile vom 25.05.2021, 5 S 89/20; dasselbe, Beschlüsse vom 06.10.2016 und 03.04.2018, 8 S 141/16 und 8 S 18/18 - beide zu Vereinbarungen über die Höhe der Selbstbeteiligung)."

AG Bonn 103 C 120/21 vom 15.12.2021

"Es kann dahinstehen ob im Schadensfall XXX dem Fahrer des Fahrzeugs des Geschädigten telefonisch am 07.09.2020 mitgeteilt worden ist, dass ein Mietpreis von 62.00 € kalendertäglich erreicht werden könne. Eine Zeugenvernehmung erfolgt zum einen nicht da dies zu einer unzulässigen Ausforschung führen würde. Es wird nicht dargelegt, wer dem Fahrer des klägerischen Fahrzeugs was wann genau gesagt haben soll. Die allgemeine Behauptung der Versicherung des Unfallgegeners, dass man ein Ersatzfahrzeug zum Preis von 62,00 EUR pro Tag erhalten könne, musste den Geschädigten auch nicht zu Marktrecherchen veranlassen und ihn auch nicht davon überzeugen, dass die Preise der Klägerin überhöht wären. (...)

Die Beklagte hat den Geschädigten kein auf sie zugeschnittenes Angebot unterbreitet, sondern ein  Formschreiben mit einer Preisaufstellung für verschiedene Klassen übersandt. Die führt nicht dazu, dass die Geschädigten hätten erkennen müssen, dass die Preise der Klägerin überhöht gewesen wären. Der Geschädigte erhält nur eine Information zu anderen Angebote, ohne dass er diese direkt vergleichen kann. Hinzu kommt, dass eine Vergleichbarkeit auch aufgrund der unterschiedlichen angegebenen Fahrzeugklassen dem Verbraucher nicht möglich ist. Die Beklagte orientiert sich insowert nicht an der auch in den Übersichtswerken genutzten Fahrzeugklassen, sondern bildet Kiassen nach kw-Werten ohne andere Faktoren wie Preis, Ausstattung etc. zu berücksichtigen. Dadurch ist eine Vergleichbarkeit für den Verbraucher, der den Preis einer Ersatzanmietung ermitteln will, nicht ohne Schwierigkeiten und detaillierte Kenntnis der genannten Automodelle möglich."

AG Köln 276 C 219/20 vom 11.02.2022

"Dem Geschädigten XXX ist entgegen der Ansicht  der Beklagten  kein Verstoß gegen § 254 BGB vorzuwerfen. Steht fest, dass dem Geschädigten ein günstigerer Normaltarif in der konkreten Situation „ohne Weiteres" zugänglich  war, so kann ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gemäß § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden (BGH, Urteil vom 26.04.2015 VI ZR 563/15; LG Köln, Urteil vom 01.08.2017 , 11 S 473/15). Das steht hier indes nicht fest. Soweit die Beklagte einwendet, sie habe dem Geschädigten telefonisch und sodann schriftlich die Vermittlung eines Ersatzfahrzeugs angeboten, greift dies nicht durch. Denn die Beklagte hat nicht ausreichend dargelegt, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war. Bei dem Schreiben  vom 19.07.2017 handelt es sich gerade nicht um ein gleichwertiges Angebot, dessen Nichtannahme als Verstoß gegen § 254 Abs. 2 BGB zu werten wäre. Denn der Geschädigte wünschte, wie sich dem vorgelegten Mietvertrag entnehmen lässt, die Herabstufung der Selbstbeteiligung auf 150 €. Die Beklagte hat dem Geschädigten indes nur den Abschluss einer Kaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von „332 EUR" angeboten. Eine alternative Berechnung mit einer Selbstbeteiligung von 150,00 € wird von der Beklagten nicht angeboten.
Die Schadensminderungspflicht geht nur so weit, dass der Geschädigte auf ein günstigeres und zugleich gleichwertiges Angebot zugreifen muss, nicht aber so weit, dass er ein anderes Angebot annehmen muss. Die Differenz stellt auch nicht eine nur geringfügige Abweichung dar. Denn ob pro Schadenfall eine Summe von 150,00 € oder 332,00 € von dem Geschädigten selbst getragen werden muss, kann sich für einen Verbraucher als maßgebliche Entscheidung beim Abschluss eines Vertrags darstellen. Hierfür spricht auch, dass von Seiten der Versicherer und Mietwagenunternehmen als gängige Abstufungen Selbstbeteiligungsbeträge von gerichtsbekannt 1.000 €, 500 €, 350 € und 150 € angeboten werden. Die unterschiedlichen Tarife würden nicht angeboten, wenn es hierfür keine Nachfrage gäbe.
Ein Verstoß gegen § 254 BGB scheitert aber auch daran, dass nicht feststeht, dass die Beklagte auf einen Anruf des Geschädigten hin überhaupt in der Lage gewesen wäre, ein solches Fahrzeug zur Verfügung zu stellen. Das hat die Beklagte nicht konkret behauptet. Da die Beklagte die Darlegungspflicht für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 254 Abs. 2 BGB trägt, hätte sie hierzu näher vortragen müssen. Mangels weiterer Darlegung bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Geschädigte Herr des Restitutionsverfahrens ist, das ihm nicht ohne Weiteres vom Schädiger aus der Hand genommen werden darf."

LG Köln 11 S 104/19 vom 14.12.2021

"Den Geschädigten oblag es weder unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 249 Abs.2 S.1 BGB) noch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs.2 S.1 BGB), sich auf von der Beklagten vorgeschlagene preislich günstigere Anmietungsalternativen verweisen zu lassen.
Unabhängig von der Frage, ob sich Geschädigte grundsätzlich auf günstigere Anmietmöglichkeiten durch die Schädigerseite in der hier in Rede stehenden Art und Weise verweisen lassen müssen, kann Derartiges  nach Ansicht der Kammer jedenfalls nur dann angenommen werden, wenn die angetragene günstigere Anmietmöglichkeit mit der vom Geschädigten genutzten vergleichbar ist. Dies war hier in allen Fällen schon deshalb nicht anzunehmen, weil die Geschädigten mit der Klägerin unstreitig eine Reduzierung der Selbstbeteiligung auf 150,00 € bzw. 300,00 € vereinbart hatten, während die von der Beklagten den jeweiligen Geschädigten    zugetragenen Anmietmöglichkeiten lediglich eine Haftungsreduzierung auf 332,00 € umfassten. Dabei ist es auch irrelevant, in welcher Höhe die Geschädigten eine Selbstbeteiligung für ihr eigenes Fahrzeug vereinbart haben. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für einen Vollkaskoschutz    ohne oder mit verringerter Selbstbeteiligung besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob das Fahrzeug des Geschädigten in gleicher Weise versichert war, weil der Geschädigte während der Mietzeit einem aufgedrängten erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt ist."

AG Bonn 114 C 106/21 vom 01.02.2022

"Entgegen der Auffassung der Beklagten müssen sich die Geschädigten und damit auch die Klägerin nicht auf einen günstigen Tarif verweisen lassen. Dies wäre unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 S. 1 BGB nur dann angezeigt, wenn den Betroffenen seitens der Beklagten konkrete Preise, die genaue Verfügbarkeit und die genauen Konditionen in einem ohne weiteres annahmefähigen Angebot ausreichend transparent gemacht worden sind (OLG Köln Beschluss vom 27.3.2017 - 15 U 34/17 -, juris m.w.N.)."

AG Koblenz 152 C 1479/21 vom 20.01.2022

"..aufgrund der Aussage der Zeugin … nicht davon überzeugt, dass die Beklagtenseite dem Geschädigten ein Mietfahrzeug zu einem Preis von 46,- Euro pro Tag konkret angeboten hat. Das geführte Telefonat genügt den Anforderungen an ein hinreichend konkretes alternatives Mietwagenangebot nicht. Die Zeugin hat hierzu ausgeführt, sie habe dem Geschädigten zum Zeitpunkt des Telefonates noch keine Kostenzusage geben können. Sie hätten allgemein über die Angelegenheit und die Möglichkeit der Anmietung eines Fahrzeuges gesprochen. Aufgrund der fehlenden Zusage zur Kostendeckung habe Sie den Geschädigten darauf hingewiesen, dass er einen Mietwagen auf eigenes Kostenrisiko anmieten würde. Seitens der Versicherung werden lediglich ein Betrag in Höhe von 46,00 Euro pro Tag erstattet. (...)
Da sich der Geschädigte demnach nicht auf ein günstigeres Mietwagenangebot der Beklagten verweisen lassen musste, bildet den Maßstab für die wirtschaftliche Erforderlichkeit (...) der am Markt übliche Tarif."

AG Bonn 113 C 181/21 vom 07.09.2021

"Vielmehr ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben abzuwägen, ob es zumutbar war, sich auf das Alternativangebot einzulassen. Nur wenn dies der Fall ist, verletzen Geschädigte ihre Schadensminderungspflicht, wenn sie es ablehnen (so zuletzt LG Bonn, Urteil vom 25.05.2021, 5 S 89/20).
Das Angebot der Beklagten reichte nicht aus, um dies zu bejahen. (XXX)
Unklar ist, ob es sich um Netto- oder Bruttokosten handelte. Die beiden Schreiben sind in diesem Punkt widersprüchlich, weil im Zweifel von Bruttopreisen auszugehen ist.
Angaben dazu, wie der Mietwagen versichert und wie hoch die Selbstbeteiligung des Geschädigten war, fehlen. Die Frage, ob die Versicherung unter "Nebenkosten, fiel oder gesondert zu vereinbaren und vergüten war, blieb ebenfalls offen. Es war dem Geschädigten nicht zumutbar, den Vertrag zu schließen, ohne dass diese Fragen geklärt waren."

AG Königswinter 12 C 12/21 vom 03.08.2021

"Auch das Angebot der Beklagten an den Geschädigten XXX (Fall fünf) stellt kein konkretes Angebot dar, welches der Geschädigte aus Schadensminderungsgründen hätte annehmen müssen. Es handelt sich hierbei nicht wie von der Beklagten behauptet um ein annahmefähiges Angebot, sondern auch nach den Darstellungen der Beklagten um ein Vermittlungsangebot zugunsten der Autovermietung Europcar. Auf nur telefonisch unterbreitete und damit für den Geschädigten nicht dokumentierte und beweisbare Vermittlungsangebote, wie es vorliegend durch die Beklagte erfolgte, muss sich der Geschädigte jedoch nicht einlassen. Derartige „Angebote“ sind nicht beweisbar, erst recht wenn auf diesem Weg Selbstbeteiligungen geregelt werden sollen. Auch fehlen naturgemäß Detailangaben zu den Zusatzkosten und Zusatzleistungen (vergleiche Landgericht Bonn, Urteil vom 25.05.2021, Az. 5 S 89/20)."

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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 19-23

Amtsgericht Fürstenfeldbruck 1 C 191/23 vom 21.04.2023

1. Die erstattungsfähigen Mietwagenkosten nach Unfall können anhand der Schwacke-Liste geschätzt werden.
2. Der Verweis der Beklagten auf die niedrigeren Werte der Fraunhofer-Liste stellen keinen konkreten Sachvortrag dar.
3. Die Werte der Schwacke-Liste enthalten den Normaltarif und nicht wie behauptet einen Unfallersatztarif.
4. Auch wenn das beschädigte Fahrzeug neun Jahre alt ist, ist dafür ein Abzug vom Schadenersatzanspruch des Geschädigten nicht gerechtfertigt.
5. Auch ein Abzug für Eigenersparnis wäre unbillig, da hier bereits ein klassenkleineres Fahrzeug angemietet wurde.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck bestätigt seine Mietwagenrechtsprechung und wendet die Schwacke-Liste an. Der Vortrag der Beklagten, die auf die Werte der Fraunhofer-Liste hinwies, wurde zurückgewiesen. Die Schwacke-Werte seien ein Blick auf den Normaltarif des Mietwagenmarktes und der BGH habe die Anwendbarkeit der Schwacke-Werte explizit bestätigt. Es kämen auch keine Abzüge für Eigenersparnis oder für die Tatsache infrage, dass das Fahrzeug des Geschädigten neun Jahre alt gewesen ist, als es zum Unfall kam.

Bedeutung für die Praxis: Örtliche Gerichte im Bezirk des OLG München schauen immer wieder eher zum BGH nach Karlsruhe als zum OLG in der Landeshauptstadt. Der BGH hat die Anwendbarkeit der Schwacke-Liste gebilligt und auch konkret die Methode der Datenerhebung der Firma Schwacke bestätigt. Das war hier die Grundlage, um der beklagten Haftpflichtversicherung zu attestieren, dass es kein konkreter Sachvortrag sein kann, lediglich auf die Alternative Fraunhofer zu verweisen. Der Versicherer empfand die zu erstattenden Mietwagenkosten auch deshalb als zu hoch, weil der Geschädigte für sein neun Jahre altes Fahrzeug während dessen Ausfalles ein nahezu neuwertiges Fahrzeug anmietete. Das Gericht lehnte einen darauf basierenden Abzug mit der Begründung ab, dass dem Geschädigten nichts anderes übrig blieb, da neun Jahre alte Fahrzeuge üblicherweise nicht als Ersatzwagen zu haben sind und ihm diese Miete vom Schädiger aufgezwungen wurde.

Hinweis: Über die Rechtskraft des Urteils ist nichts bekannt.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 18-23

Amtsgericht Bonn 115 C 221/22 vom 15.12.2022

1. Die Schätzung der Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten erfolgt anhand der Schwacke-Werte, da in den Fraunhofer-Tabellen für die betreffende Mietwagenklasse keine Werte enthalten sind.
2. Das Gericht muss daher nicht darüber entscheiden, ob die Fraunhofer-Liste grundsätzlich noch im Rahmen der Fracke-Mittelwertbildung herangezogen werden kann.
3. Aufgrund besonderer unfallbedingter Leistungen ist ein Aufschlag auf den Grundpreis in Höhe von 20 Prozent zu erstatten.
4. Kosten erbrachter Nebenleistungen sind schadenrechtlich ebenso erstattungsfähig, soweit diese erforderlich gewesen sind.
5. Da klassenkleinere Fahrzeuge angemietet wurden, entfällt der Abzug für ersparte Eigenaufwendungen des Geschädigten.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Bonn beurteilte die erstattungsfähige Höhe der Mietwagenkosten nach einem Unfall bisher anhand der Fracke-Werte. Ob das auch zukünftig so bleibt, wurde offen gelassen. Im konkreten Fall jedoch wurde nach Schwacke geschätzt, da die Fraunhofer-Liste keine Werte enthielt. Darüber hinaus werden der unfallbedingte Aufschlag und die Nebenkosten zugesprochen, ebenso die Kosten der außergerichtlichen anwaltlichen Tätigkeit.

Bedeutung für die Praxis: An einigen Gerichten wird intensiv um die Frage gestritten, ob die FRACKE-Linie der Obergerichte noch angewendet werden kann. Denn die Kläger bezweifeln mittels des BAV-Gutachtens zu Fraunhofer-Liste und anderer neuer Argumente deren weitere Verwendbarkeit im Rahmen der Fracke-Werte. Die Kläger nehmen für sich in Anspruch, mit dem BAV-Gutachten die BGH-Vorgaben zu erfüllen, konkreten auf den Fall bezogenen Sachvortrag zu halten, der sich auch maßgeblich auf den Fall auswirkt. Das Amtsgericht Bonn hat diese generelle Frage in hier in einem Fall offen gelassen, weil sich zwangsweise bereits durch das Fehlen der konkreten Werte der Mietwagenklasse in der Fraunhofer-Liste ergibt, dass ein Fracke-Wert nicht berechnet werden kann.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 17-23

Landgericht Berlin 50 O 113/22 vom 14.04.2023

1. Das Gericht bestätigt die Auffassung der Klägerin, dass die zu erstattenden Mietwagenkosten anhand der Werte der Schwacke-Liste zu schätzen sind. Der marktübliche Normaltarif ist als Mindestbetrag anzusehen.
2. Für die Verwerfung einer Liste komme es darauf an, ob behauptete Mängel mit konkreten Tatsachen unterlegt sind, die sich erheblich auf den Fall auswirken.
3. Ein Verweis auf Fraunhofer ist kein konkreter Sachvortrag, da dortige Werte nicht mit den konkreten Angeboten der Klägerin vergleichbar sind. 
4. Dass den Geschädigten günstigere Angebote zur Verfügung standen, die sie nur nicht wahrgenommen hätten, hat die Beklagte lediglich behauptet
 (Internet-Screenshots), aber nicht bewiesen.
5. Die Kosten der erforderlichen Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Winterreifen, Navigation, Zusatzfahrer und Zustellen/Abholen sind von der Beklagten zu erstatten.
6. Ein Abzug für ersparte Eigenkosten entfällt bei klassenkleinerer Anmietung.
7. Die aus abgetretenem Recht erhobenen Ansprüche sind nicht durch Zahlung erfüllt, wenn die Beklagte anstatt an den Forderungsinhaber an den Geschädigten zahlt.

Zusammenfassung: Das Landgericht Berlin schätzt die erforderlichen Mietwagenkosten nach Unfall anhand der Schwacke-Liste. Die Anwendung der Fraunhofer-Liste und die Bildung des Mittelwertes Fracke werden abgelehnt. Die Auffassungen der Beklagten zu Beweislastregeln, zur Erkundigungspflicht und zur Auffassung des Kammergerichts zur Anwendung von Fracke werden durch das Gericht zurückgewiesen. Der Anspruch auf Erstattung von Nebenkosten wird bestätigt, ebenso für außergerichtliche Anwaltskosten.

Bedeutung für die Praxis: Hervorzuheben sind einige vom Gericht genannte grundlegende Prinzipien des Schadenrechts, die hier und da in Vergessenheit zu geraten drohen. Wenn die Beklagte behauptet, dass alles viel zu teuer sei und auf aktuelle Internet-Screenshots verweist, hat sie die Beweislast dafür, dass die Geschädigten, die zu marktüblichen Preisen angemietet haben, gegen ihre Schadenminderungs-Obliegenheit verstoßen haben. Das geht weit über das bloße Vorlegen von Screenshots hinaus. Auch die Korrektur der Auffassung der Beklagten zur angeblichen Erkundigungspflicht des Geschädigten ist bedeutsam. Wenn die Geschädigten lediglich Kosten im Rahmen der Marktpreise verursachen, obliegt ihnen keine solche Nachfragepflicht nach günstigeren Angeboten und auch nicht die Darlegungs- und Beweislast, dass es nicht auch günstigere Angebote gegeben habe.
Das Gericht korrigiert die Auffassung der Beklagten, dass die Rechtsprechung des Kammergerichts eine Schätzung anhand der Fracke-Werte gebiete. Lediglich hat das Kammergericht eine Anwendung des Mischmodells nicht verworfen.
Die Werte der Fraunhofer-Erhebung sieht das Landgericht Berlin nicht als vergleichbar mit der konkreten Vermietung an. Denn die konkrete Leistung, die der Vermieter erbringt, entspricht nicht den Angeboten, die Fraunhofer berücksichtigt. Die dortigen Details erscheinen dem Gericht unklar.
Lediglich wenn die Geschädigten einen Preis oberhalb der Erforderlichkeit eines Normaltarifs beanspruchen (BGH: einen weit überhöhten Tarif), haben sie für eine Erstattung dieses höheren Preises nachzuweisen, dass sie sich nach günstigeren Anmietmöglichkeiten erkundigt haben.

Hinweis: Ob das Urteil rechtskräftig ist, ist nicht bekannt.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 15-23

Landgericht Stuttgart 5 S 67/22 vom 09.03.2023 (Datum mündliche Verhandlung)
(Vorinstanz Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt 10 C 2188/21 vom 31.03.2022)

1. Die Anwendung der Schwacke-Liste zur Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten durch das Erstgericht wird bestätigt.
2. Einwendungen der Beklagten mittels Verweises auf die Fraunhofer-Liste sind kein konkreter Sachvortrag, der geeignet wäre, von der Schwacke-Liste abzurücken.
3. Die von der Beklagten aufgezeigten Internetbeispiele sind zur Erschütterung der Schätzgrundlage schon deshalb ungeeignet, weil sie aus einem anderen Anmietzeitraum stammen.
4. Gegen die Berücksichtigung der im Fall vorgelegten Internetangebote spricht zudem, dass sie mit der tatsächlichen Anmietung nicht vergleichbar sind, da sie kein offenes Mietende enthalten.
5. Die Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Winterreifen sind erstattungsfähig.
6. Ist das beschädigte Fahrzeug vollkaskoversichert, ergibt sich schon dadurch eine Zahlungspflicht des Schädigers für die Kosten einer erweiterten Haftungsreduzierung.

Zusammenfassung: Das Landgericht Stuttgart bestätigt seine Linie zur Schätzung erstattungsfähiger Ersatzwagen-Kosten. Es wird die Schwacke-Liste angewendet. Der Beklagtenvortrag mittels Fraunhofer und Internet-Beispielen ist zu unkonkret. Nebenkosten kommen hinzu.

Bedeutung für die Praxis: Das Urteil aus Stuttgart lässt eine Verärgerung der Berufungskammer erkennen. Wenn - wie in diesem Fall - ein Versicherer zum x-ten Mal mit den immer gleichen Argumenten ein Berufungsverfahren durchlaufen will und dabei Prozesskosten verursacht, kann die Kammer das nicht nachvollziehen.
In Bezug auf die Internetangebote, auf die sich die Berufung stützt, macht das Gericht deutlich, dass diese kein konkreter maßgeblicher Vortrag sein können. Denn dort ist immer ein End-Datum vorgegeben. Die Klägerin hat mit offenem Miet-Ende vermietet. Daher sind die Internetbeispiele nicht mit dem konkreten Fall vergleichbar.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 14-23

Landgericht Leipzig 9 O 948/20 vom 06.02.2023

1. Die von der Klägerin erstellte Vergleichsberechnung der erhobenen Schadenersatzforderung mit den Werten der Schwacke-Liste ist nicht zu beanstanden.
2. Von der Beklagten aufgezeigten Internetangebote sind kein konkreter Sachvortrag, sind zeitlich unpassend und vor allem inhaltlich nicht vergleichbar mit dem konkreten Mobilitätsbedarf des Geschädigten.
3. Die Kosten für die erforderlichen Nebenleistungen, hier einer erweiterten Haftungsreduzierung, sind vom Schädiger zu erstatten.
4. Auch die Gebühren vorgerichtlicher Anwaltseinschaltung sind schadenrechtlich als erstattungsfähige Kosten anzusehen.

Zusammenfassung: Das Landgericht Leipzig verurteilt die Beklagte zur vollständigen Zahlung der aufgewendeten Mietwagenkosten. Die Erstattungsfähigkeit wird anhand der Schwacke-Werte beurteilt, ebenso die Nebenkosten. Ein Abzug wegen ersparter Eigenaufwendungen muss im konkreten Fall nicht erfolgen.

Bedeutung für die Praxis: Das Landgericht Leipzig schätzt Mietwagenkosten mittels Schwacke und lässt die Werte der Internetbeispiele nicht gelten, auf die die Beklagte mit dem Argument der Verletzung der Schadenminderungspflicht verweist. Die Beispiele sind nicht relevant, weil sie aus anderen Zeiträumen stammen und weil die dort erkennbaren konkreten Inhalte und Bedingungen der Vermietung nicht mit der konkret erbrachten Leistung vergleichbar sind. Der Versicherungsschutz sei ein anderer und die notwendige Zahlung per Vorkasse sei ein Grund, eine mangelnde Vergleichbarkeit festzustellen.
Und doch gibt es drei Aspekte der Urteilsbegründung zu monieren.
Den Grund der Erstattungspflicht der Kosten einer Haftungsreduzierung sieht das Gericht in Abhängigkeit von der Versicherung des Geschädigtenfahrzeuges. Das ist eine Sondermeinung und nicht von der BGH-Rechtsprechung gedeckt. Der BGH gesteht dem Geschädigten auch dann die Kosten einer Haftungsreduzierung auf 0 Euro zu, wenn sein eigenes Fahrzeug nicht vollkaskoversichert ist. Denn er trägt mit dem Mietfahrzeug immer ein höheres Kostenrisiko.
Des Weiteren wird zwar die Auffassung der Klägerin bestätigt, dass ein Eigenersparnis-Abzug nicht zu erfolgen hat. Das jedoch mit der Begründung, dass die Kosten insgesamt unterhalb der Schätzgrundlage liegen. Das hat nichts miteinander zu tun, ist lediglich Ergebnis korrekt, weil im konkreten Fall klassenniedriger vermietet wurde.
Und zu guter Letzt formuliert das Gericht , dass der Geschädigte "den günstigsten Mietpreis" ersetzt verlangen kann, das mit Einschränkungen wie "innerhalb eines gewissen Rahmens" usw. Dabei zitiert es den BGH, konkret das Urteil zum Az. VI ZR 563/15. Liest man das Urteil, steht da ein anderer Begriff, Zitat: "Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Wegen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (...) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann..." Es geht dabei um das Detail, ob es lediglich der günstigste am Markt verfügbare Preis sein darf, den der Geschädigte verlangen kann. Ein günstigerer Preis ist etwas anderes, z.B. ein Mittelwert, mit dem entsprechend § 287 ZPO geschätzt wird, was das Gericht ja auch macht. Versicherer formulieren gern die Anforderung vom "günstigsten" Preis, Gerichte übernehmen das immer wieder falsch.

Es ist nicht bekannt, ob das Urteil rechtskräftig geworden ist.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 13-23

Amtsgericht Köln 268 C 77/22 vom 21.02.2023 (Datum der mündlichen Verhandlung)

1. Die Beklagten blieb beweisfällig für ihre Behauptung, den Geschädigten rechtzeitig konkrete und annahmefähige Mietwagenangebote unterbreitet zu haben, die als vergleichbar zum Ersatzanspruch der Geschädigten anzusehen sind.
2. Die Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten für Ersatzmobilität nach einem Unfall kann anhand des Mischmodells der Listen von Schwacke und Fraunhofer erfolgen.
3. Die Einwendungen der Klägerin gegen die Verwendbarkeit der Fraunhofer-Werte im Rahmen des Mischmodells führen nicht zur Aufgabe der Mittelwertrechtsprechung.
4. Kosten für Nebenleistungen, die nach den Grundsätzen des Schadenrechts erforderlich sind, sind zu erstatten und nach den Werten der Schwacke-Liste zu messen.
5. Außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten sind ebenso als Teil der Schadenersatzforderungen erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Köln schätzt weiter mit dem Mischmodell der Listen zuzüglich angefallener Nebenkosten. In Bezug auf die in zwei Fällen erfolgten Preisvorgaben sieht das Gericht keine annahmefähigen Angebote und damit auch keinen Verstoß gegen die Schadenminderungsobliegenheit nach § 254 Abs. 2 BGB.

Bedeutung für die Praxis: Soweit die Beklagte mehrere der Geschädigten angerufen hat, um ihnen Preisvorgaben zu machen, sind diese für die Geschädigten aus Sicht des Gerichte nicht bindend. Dass die angeblichen Mietwagenangebote dem Anspruch der Geschädigten entsprachen, hat die Beklagte nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Das anzumietende Fahrzeug war dem Geschädigten gegenüber auch nicht konkret benannt. Das Gericht stellt daher fest, dass kein Verstoß gegen die Schadenminderungsobliegenheit darin besteht, dass die Geschädigten bei der Klägerin zu Marktpreisen anstatt zu minimalen Direktvermittlungspreisen angemietet haben.
Das Gericht schätzte weiterhin mit dem Mischmodell. Es ließ sich auch mit neuem, erheblichem und vor allem konkretem Sachvortrag gegen die Werte der Fraunhofer-Liste nicht von seiner Mittelwert-Linie abbringen. Die Linie scheint so eingefahren, dass Richter nicht einsehen, dass ein konkreter Sachvortrag auch zu einer Änderungen der Rechtsprechung führen kann. Der Kläger hatte sehr genau die Fehler der Fraunhofer-Methode zum Beispiel bei der Eingruppierung von Fahrzeugen dargestellt. Auch die Auswirkungen der unsinnigen Herangehensweise der Fraunhofer-Gesellschaft wurden mit einem Gutachten bzgl. Internetpreisen plausibilisiert. Das Gutachten nahm das Gericht zur Kenntnis, sah zu wenige Informationen zur Gutachten-Methodik. Die Methodik ist jedoch ausführlich in 13 Punkten beschrieben. Zudem sind alle verwendeten Werte der Berechnungen des Gutachtens als Anlage zum Gutachten beigefügt, sodass es keiner weiteren Erklärungen bedarf. An den im Gutachten getroffenen Aussagen, dass die Fraunhofer-Werte im Vergleich zur Realität nur halb so hoch sind, kommt das Gericht eigentlich nicht vorbei. In dem Fall war die Klägerische Forderung allerdings trotz Anwendung des Mischmodells erfüllt, sodass eine Berufung zur Klärung der Anwendbarkeit der Fraunhofer-Liste nicht möglich ist.

Es ist nicht bekannt, ob das Urteil rechtskräftig ist.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 12-23

Landgericht Landshut 12 S 1359/21 vom 08.09.2021 (Hinweisbeschluss) 
(Vorinstanz Amtsgericht Eggenfelden 1 C 671/20 vom 12.04.2021)

1. Die Schätzung der Höhe erstattungsfähiger Mietwagenkosten des Erstgerichts mittels Schwacke-Liste wird bestätigt.
2. Lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen die Anwendung der Schätzgrundlage hat das Gericht nicht nachzugehen.
3. Die vom Amtsgericht vorgenommene Reduzierung des Schätzbetrages um 10 Prozent, die wegen der fehlenden Zulassung des vermieteten Fahrzeuges als Vermietfahrzeug für Selbstfahrer vorgenommen wurde, wird nicht aufrechterhalten.
4. Die üblichen Preise für Werkstattersatzwagen sind andere als die Preise des Mietwagenmarktes gewerblich und gewinnorientiert tätiger Autovermieter.
5. Das Gericht sieht sich außer Stande, den Marktpreis für Werkstattersatzwagen ohne Einholung eines Sachverständigenbeweises zu schätzen.

Zusammenfassung: Das Landgericht Landshut bestätigt die grundsätzliche Anwendung der Schätzgrundlage Schwacke durch das Erstgericht. Allerdings verwirft die Kammer einen 10%igen Abzug wegen Nicht-Zulassung des Ersatzfahrzeuges als Selbstfahrervermietfahrzeug. Einen pauschale Vorgehensweise eines prozentualen Abzuges vom Normaltarif der Schätzliste für Selbstfahrer-Preise sind das Gericht nicht als von § 287 ZPO gedeckt an. Das Gericht sieht jedoch einen Preisunterschied und kündigt die Beauftragung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des Marktpreises für Werkstattersatzwagen an.

Bedeutung für die Praxis: Es wird her wird lediglich ein Hinweisbeschluss diskutiert. Der Ausgang des Verfahrens ist leider nicht bekannt. Möglicherweise haben sich die Parteien (eine gelbe Versicherung in München und ein Reparaturbetrieb, der seine vermieteten Fahrzeuge wohl nicht als Selbstfahrervermietfahrzeug zugelassen hat(te)) nach diesem Hinweis geeinigt.
Interessant ist, dass das Gericht davon ausgeht, dass bei einer nicht korrekten Zulassung des vermieteten Fahrzeuges als Selbstfahrervermietfahrzeug die üblichen Listen zur Schätzung erstattungsfähiger Mietwagenkosten nicht angewendet werden können, auch nicht per Abschlag vom Schätzwert des Normaltarifes. Statt dessen sucht das Gericht die Frage zu klären, wie hoch der übliche regionale und vermutet viel niedrigere Preis für die Vermietung von Werkstattersatzwagen ist. Das Vorgehen anderer Gerichte mit prozentualen Abzügen von üblichen Schätzgrundlagen lehnt das Gericht ab, weil es sich hier um einen anderen Markt handele (von § 287 ZPO nicht mehr gedeckt).
Der Hintergrund ist die verordnungsrechtliche Verpflichtung zur korrekten Zulassung vor der ersten gewerbsmäßigen Vermietung eines Fahrzeuges. Natürlich hat das schadenrechtlich eigentlich keine Relevanz und ist das Urteil daher insoweit nicht korrekt. Ähnlich wie beim Werkstattrisiko müsste sich der Versicherer vom Geschädigten einen Rückforderungsanspruch abtreten lassen... also zumindest bei Klage des Geschädigten selbst, bei Abtretung sieht das neuerdings etwas anders aus, BGH VI ZR 147/21). Denn der Geschädigte weiß von diesen Differenzierungen nichts.
Aber immer mehr Gerichte sehen die Praxis von Reparaturbetrieben kritisch, Fahrzeuge nach Unfällen zu vermieten und dann die üblichen Preise des Mietwagenmarktes zu verlangen. Versicherer tragen hier zwar nach hiesiger Auffassung falsch vor, doch ist auch die Vermietung falsch zugelassener Fahrzeuge nicht korrekt. Reparaturbetriebe, die solche Fahrzeuge vermieten, müssen zunehmend damit rechnen, dass Gerichte ihnen lediglich einen Bruchteil der üblichen Schadenersatzbeträge zusprechen und Gerichtsverfahren aufgrund der Einschaltung eines Sachverständigen erheblich teurer werden, letztlich nichts übrig bleibt. Das ist auch das Kalkül der Haftpflichtversicherer. Wer die Fahrzeuge korrekt zulässt, wird üblicherweise auch den Normaltarif nach Schätzliste zuzüglich Nebenkosten und - wenn richtig vorgetragen wird und die Gerichte die BGH-Linie verstanden haben - auch einen unfallbedingten Aufschlag zugesprochen bekommen. Abschließend soll der Hinweis nicht fehlen, dass die Vermietung "unter falscher Flagge" abgemahnt und eine Unterlassung gefordert werden kann, was einerseits eine teure Angelegenheit und andererseits ein Risiko für die Erlaubnis der Zulassungsstelle zur Verwendung von Roten Kennzeichen ist.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 11-23

Amtsgericht Berlin-Mitte 105 C 127/21 V vom 06.03.2023

1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, die Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarung zur Mietwagen-Forderung wurde von der Beklagten im Verlauf des Verfahrens nicht mehr weiter bestritten.
2. Die Geschädigte muss sich keinen Verstoß gegen ihre Pflichten zur Geringhaltung des Schadens vorwerfen lassen.
3. Die Schätzung der Höhe der erforderlichen Kosten zur Wiederherstellung der Mobilität erfolgt anhand des Mischmodells Fracke.
4. Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Zustellen/Abholen und Ausstattung mit Navigationsgerät werden zugesprochen.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Berlin-Mitte weist die Auffassung der Beklagten zurück, ein Anruf einer Sachbearbeiterin bei der Geschädigten habe für die Geschädigte die Verpflichtung ausgelöst, ein Vermittlungsangebot anzunehmen oder jedenfalls nicht teurer als telefonisch genannt anzumieten. Die Schätzung der erforderlichen Kosten erfolgt anhand des Mittelwertes aus den Listen zuzüglich Nebenkosten aus der Schwacke-Tabelle.

Bedeutung für die Praxis: Das Gericht stellt klar, dass sich die Geschädigte hier nicht auf ein etwaiges günstigeres Angebot der Beklagten verweisen lassen musste. Die Beklagte blieb beweisfällig. Sie legte lediglich einen Aktenvermerk vor, aus dem sich ein Telefonat mit der Geschädigten ergeben sollte, in welchem ihr ein günstigeres Angebot unterbreitet worden sein soll. Das Gericht sah diesen Aktenvermerk nicht als Urkunde an. Und ein solcher Vermerk wäre selbst als Urkunde lediglich ein Nachweis für die Existenz der Eintragungen im System des Versicherers gewesen, jedoch kein Beweis für den Kontakt mit der Geschädigten und den Inhalt des Gespräches. Zudem sei grundsätzlich zweifelhaft, ob telefonisch übermittelte rudimentäre Informationen als hinreichend konkretes und verwertbares Vermittlungsangebot im Sinne des § 254 BGB gewertet werden könnten.

Hinweis:
Es ist nicht bekannt, ob das Urteil bereits rechtskräftig geworden ist.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 9-23

Landgericht Hannover 19 O 77/22 vom 19.01.2023    
 
1. Die Einwendungen der Beklagten gegen die Aktivlegitimation der aus abgetretenem Recht vorgehenden Klägerin sind zurückzuweisen.
2. Das verwendete Abtretungsformular ergibt keinen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistung-Gesetz, die Abtretung ist wirksam aufgrund ihrer Bestimmbarkeit, es liegt auch kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor und der Vertragspartner wird auch nicht unangemessen benachteiligt.
3. Die Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten kann anhand des Mischmodells der Listen von Schwacke und Fraunhofer erfolgen.
4. Die Kosten erforderlicher Nebenleistungen sind entsprechend der Nebenkostentabelle der Schwacke-Liste von der Beklagten zu erstatten.
5. Für ersparte Eigenaufwendungen ist ein Abzug in Höhe von 5 Prozent vorzunehmen.

Zusammenfassung: Das Landgericht Hannover entscheidet erstinstanzlich, dass der Klägerin die eingeforderten restlichen Schadenersatzbeträge bzgl. Mietwagenkosten vollständig zuzusprechen sind. Es bestätigt ausführlich die Gültigkeit der verwendeten Abtretung und schätzt die Höhe der erforderlichen Kosten mittels Fracke zuzüglich Nebenkosten und zieht 5 Prozent für Eigenersparnis ab.

Bedeutung für die Praxis: Das Urteil ist vor allem wegen der Ausführungen zur Frage der Aktivlegitimation bedeutend. Denn eine andere Kammer des Landgerichts hatte eine gegenteilige Auffassung und die Aktivlegitimation mit falschen Argumenten verneint, die Revision zum BGH trotz Antrag der Klägerseite verwehrt. Mit diesem Fehlurteil reist ein Versicherer von Gericht zu Gericht. Es geht dabei vor allem um die Fragen, (a) ob im Abtretungsformular eine Rückabtretung der Schadenersatzforderung für den eventuell eintretenden Fall immer bereits enthalten sein muss, dass die/der Geschädigte ihren/seinen Mietzins ganz oder teilweise selbst bezahlt und (b), wie das dann in Bezug auf den Zeitpunkt der Rückabtretung transparent zu formulieren ist.
Versicherer nutzen für eine aktuelle Kampagne zwei BGH-Urteile zur Abtretung von Sachverständigenkosten. Der BGH hatte die Aktivlegitimation eines Inkassobüros verneint. Bereits zum Zeitpunkt der Beauftragung wurde schriftlich festgehalten, dass der die Dienstleistung erbringende Sachverständige die Schadenersatzforderung an ein Inkassobüro weiter abtreten würde. Laut BGH habe das zur Folge, dass im Fall der Zahlung der Gutachterkosten durch den Geschädigten, dieser die Schadenersatzforderung nicht zurückerhalten könne. Insofern war das Konstrukt nicht nur fehlerhaft, sondern benachteiligte den Geschädigten / Auftraggeber unangemessen.
Das Landgericht hat in dem hier in Bezug auf die Vermietung eines Ersatzfahrzeuges zu entscheidenden Fall erkannt, dass der verwendeten Abtretung eine völlig andere Sachlage zugrunde liegt. Die Schadenersatzforderung wurde nicht - wie allerdings in den beiden BGH-Fällen - weiterabgetreten. Die konkrete Formulierung der Abtretung stellt keinen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz RDG dar, weil sich aus § 5 RDG eine Erlaubnis zur Rechtsdienstleistung als Nebenleistung zur Hauptleistung Autovermietung ergibt (solange nur über die Höhe der Kosten gestritten wird). Die Abtretungsvereinbarung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Höhe der Forderung zu unbestimmt ist. Denn es wurde nur die "Schadenersatzforderung" abgetreten, deren Höhe ex post bestimmbar ist. Und die Abtretungsvereinbarung ist auch kein Verstoß gegen § 307 BGB, da der/dem Geschädigten transparent verdeutlicht ist, unter welchen Umständen sie/er trotz Abtretungsvereinbarung den Mietzins selbst zu zahlen hätte.

Ob die Entscheidung rechtkräftig ist, ist nicht bekannt.

 

Fraunhofer 2022 wurde veröffentlicht

Alle Jahre wieder lässt es sich Fraunhofer nicht nehmen, Zahlen zum Mietwagenmarkt zu veröffentlichen. Dass man noch länger als im letzten Jahr an der Liste 2022 gearbeitet hat, wirft man Schwacke vor, die ihre MIetwagenklassen-Einteilung einfach an die Teuerung der Fahrzeugeinkaufspreise angepasst haben.

In vielen Klassen sind die Durchschnittpreise à la Fraunhofer um 10 bis 15 Prozent gestiegenen. Andere sind erheblich gesunken. Der Durchschnitt über alle Klassen und Pauschalen ergibt allerdings, dass die Preise von 2021 zu 2022 um ca. 10 Prozent gesunken sind. Das passt in keiner Weise zu den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes, das in 2022 von Preissteigerungen um die 50 Prozent zum Vorjahr berichtet hatte.

Beispiele für Preisveränderungen im Bundesdurchschnitt (Wochenpreise Fraunhofer 2022 zu 2021):

Gruppe 03 plus 9 %
Gruppe 04 gibt es wieder
Gruppe 05 plus 16 %
Gruppe 06 plus 16 %
Gruppe 07 plus 15 %
Gruppe 08 plus 10 %
Gruppe 09 plus 15 %
Gruppe 10 minus 30 %
Gruppe 11 minus 30 %

Da, wo Preise gestiegen sind, soll das laut Fraunhofer nicht etwa an teureren Mietwagen in 2022 liegen, sondern überwiegend an den von Schwacke geänderten Mietwagenklassen. Das macht die Ergebnisse nicht glaubwürdiger.

In Bezug auf einige weitere Besonderheiten und noch immer auf die Frage der Fahrzeugeinteilung und der offenen Punkte rund um die konkrete Methode muss man sich das nun erst einmal genauer ansehen.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 8-23

Oberlandesgericht Frankfurt/Main 7 U 158/22, Beschluss vom 15.02.2023
(Vorinstanz Landgericht Wiesbaden 1 O 62/22)

1. Der Senat bestätigt seine Rechtsprechung zur Anwendung des Mischmodells bezüglich erstattungsfähiger Mietwagenkosten nach Unfall.
2. Die Beklagte wird abermals in ihrer Auffassung zur Prüfungsreihenfolge (Zugänglichkeit vor Erforderlichkeit) korrigiert, bei welcher sie die Vorgaben des BGH falsch interpretiert.
3. Wird lediglich ein Schadenersatzanspruch im Rahmen der üblichen Marktpreise erhoben, muss der Geschädigte nicht darlegen, warum er nicht günstiger gemietet hat.
4. Die Beklagte hat keine konkreten, erheblichen und fallbezogenen Tatsachen vorgetragen, die das Gericht zu einer konkreter Prüfung der Erhebungsmethode einer Liste verpflichten würden.
5. Insbesondere reicht dazu die pauschale Ablehnung einer Liste mit dem Hinweis auf eine andere Schätzgrundlage nicht aus.
6. Angefallene marktübliche Kosten für die Ausstattung mit Winterreifen sind von der Beklagten ebenso zu ersetzen.

Zusammenfassung: Das Oberlandesgericht bestätigt per Beschluss nach § 522 BGB nochmals die inzwischen gefestigte Rechtsprechung des Vorgerichtes Landgericht Wiesbaden zur Schätzung der Mietwagenkosten mittels Fracke-Liste. Der Beklagten wird ihre falsche Rechtsauffassung zu den Beweislastregeln deutlich gemacht. Kosten erforderlicher Nebenleistungen sind erstattungsfähig.

Bedeutung für die Praxis: Insbesondere wird die Beklagte noch einmal darauf hingewiesen, dass sie die BGH-Rechtsprechung in der Frage der Prüfungsreihenfolge nicht verstanden habe. Wie das OLG Düsseldorf (kritisch dazu MRWaktuell 6-23) geht die Beklagte davon aus, der Geschädigte habe sich grundsätzlich zu erkundigen und von sich aus darzutun, warum er nicht günstiger angemietet habe. Aufgrund der dann folgenden Behauptung, dass es zum Anmietzeitpunkt niedrigere Preise gegeben habe, wird (falsch) geschlussfolgert, der Geschädigte verlange mehr als ihm zustehe. Der BGH allerdingt sieht im Rahmen der subjektbezogenen Schadenbetrachtung keine Erkundigungspflicht, sofern der Mietwagentarif ein Normaltarif im Rahmen des Marktpreis (Schätzliste, § 287) und nicht deutlich überhöht ist. Da in diesem Verfahren lediglich Fracke + Nebenkosten gefordert werden, wird dem klägerischen Anspruch stattgegeben.

Hinweis: Rechtskraft unbekannt

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 7-23

Amtsgericht Varel 5 C 171/22 vom 03.01.2023

1. Die Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten kann anhand des Mietwagenspiegels der Firma DAT vorgenommen werden.
2. Die geforderten Mietwagenkosten für Ersatzmobilität unterhalb des mit der DAT-Liste geschätzten durchschnittlichen Marktpreises sind von der beklagten Haftpflichtversicherung zu erstatten.
3. Die in Rechnung gestellten Desinfektionskosten stellen einen auf den Unfall zurückzuführenden und damit ersatzfähigen Schaden dar.

Zusammenfassung: Das angerufene Gericht schätzt die zu erstattenden Mietwagenkosten mittels der Liste von DAT. Auf der Basis dieser Werte hatte der Kläger seinen Anspruch begründet und das Gericht keinen Grund gesehen, davon abzuweichen. Zumal die Beklagte dagegen nichts konkretes vorgetragen hatte, werden die Kosten in Bezug auf die Ersatzmobilität vollständig zugesprochen.

Bedeutung für die Praxis: Seit mehreren Jahren bietet die Firma DAT eine weitere Mietpreisliste an, die dritte Alternative. Deren erhobene Werte liegen ca. im Bereich von Schwacke. Die Gerichte haben sich bisher wenig mit der Methode und den Werten befasst. Grundsätzlich lässt sich auch auf dieser Basis der zu erstattende Betrag nach § 287 ZPO schätzen. Will die Klägerseite damit arbeiten und ihren Anspruch begründen, wird ein elektronischer Zugang benötigt. Die Firma DAT bietet das System nach hier vorliegender Erfahrung auch zum Test an.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 6-23

Oberlandesgericht Düsseldorf I-1 U 208/20 vom 17.01.2023
(Vorinstanz Landgericht Krefeld 3 O 146/19 vom 08.10.2020)

1. Ein Anspruchsübergang an die eingeschaltete und zahlende Vollkaskoversicherung steht einer Aktivlegitimation des Klägers im Prozess gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung nicht entgegen.
2. Die über die vom Sachverständigen prognostizierte Dauer der Reparatur hinausgehende Mietdauer ist bereits durch die Überlegungsfrist ausgeglichen und daher nicht zu beanstanden.
3. Der Grundpreis schadenrechtlich erstattungsfähiger Mietwagenkosten ist mittels des Mischmodells der Listen zu bestimmen.
4. Kosten der Haftungsreduzierung für Schäden am Mietwagen sind schadenrechtlich erstattungsfähig, wenn der Geschädigte auch für sein eigenes Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen hat.
5. Weitere Kosten für erforderliche Nebenleistungen sind im Rahmen der Listenwerte (Schwacke) zu erstatten.
6. Für ersparte Eigenaufwendungen des Geschädigten ist ein Gesamtabzug von dem erstattungsfähigen Mietwagenkosten in Höhe von 5 Prozent vorzunehmen.

Zusammenfassung: Das OLG Düsseldorf spricht dem Kläger in Bezug auf Mietwagenkosten die geforderte Restsumme (im Rahmen einer 50%-Quote) fast vollständig zu. Der Grundbetrag der Mietwagenkosten wird mit Fracke geschätzt, Nebenkosten kommen hinzu und für Eigenersparnis werden 5 Prozent in Abzug gebracht.

Bedeutung für die Praxis: Auch wenn das Ergebnis des Streits in Bezug auf die Mietwagenkosten freundlich erscheint, im Detail ist das Urteil zweifelhaft.
Der 1. Senat in Düsseldorf geht regelmäßig so vor: Zunächst wird der Geschädigte als Abzocker hingestellt, der sich vor dem Abschluss eines Mietvertrages noch nicht einmal nach günstigeren Alternativen erkundigt habe (Hinweis: laut BGH muss er das jedoch nicht). Im zweiten Schritt wird ihm dann aber der volle Betrag auf Basis einer Schätzung des Marktpreises zugesprochen, in der Höhe hier fast identisch zur Höhe der Mietwagenabrechnung. Es wird also immer wieder der Kläger ge"scholten", um dann das Geforderte als vollkommen berechtigt festzustellen.
Statt dessen sollte die Frage öfter einmal an die Beklagte gerichtet werden, warum sie nicht einfach bezahlt, was die Gerichte seit Jahren zusprechen.
Des Weiteren wird die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Haftungsreduzierung entgegen der gefestigten BGH-Rechtsprechung vom Senat immer wieder davon abhängig gemacht, ob der Geschädigte auch für sein verunfalltes Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen hatte. Auch das steht eindeutig im Widerspruch zum BGH.
Und es befeuert die Aktivitäten von Versicherern, es dem Senat in Düsseldorf gleichzutun. Was interessiert uns der BGH, wenn selbst ein OLG-Senat es anders macht, mag man dort denken. In der Folge müssen Gerichte dauerhaft Mietwagenstreitigkeiten kleinteilig aufarbeiten, obwohl manche Details längst höchstrichterlich entschieden sind.
Ähnlich kann man fragen, wenn es um den Abzug für ersparte Eigenkosten geht. Das muss logisch etwas damit zu tun haben, was der Geschädigte überhaupt während der Reparatur seines eigenen Fahrzeuges sparen kann, weil er es in der Zeit nicht selbst nutzt. Doch gibt es diese Einsparungen beim Geschädigten überhaupt? Und wenn man diese Grundsatzdiskussion nicht führen will, welches tatsächliche Ausmaß an Einsparungen ist da überhaupt möglich? In einigen - den Positionen der Mietwagenrechnung entsprechenden Kategorien - kann noch nicht einmal 1 Cent gespart werden. Das sind zum Beispiel Kosten der Versicherung des Geschädigten-Fahrzeuges. Während es repariert wird, überweist nicht etwa der Haftpflichtversicherer einen Teil der Jahresprämie zurück, weil der Geschädigte ja in der Zeit der Reparatur mit am versicherten Fahrzeug keinen Schaden verursachen kann. Also macht es überhaupt keinen Sinn, für die Versicherung des Mietwagens, für Zustell- und Abholkosten usw.  etwas abzuziehen. Abzüge sind daher wenn überhaupt nur für den Grundbetrag der Mietwagenkosten einer logischen Erklärung zugänglich.
Aktuelle BGH-Entscheidungen sind hier sicherlich auch hilfreicher für eine Entscheidungsfindung, als OLG-Urteile aus 1994 und 1998, denen sich das OLG Düsseldorf bedient.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 5-23

Landgericht Karlsruhe 19 S 39/22 vom 24.01.2023 (Beschluss)
(Vorinstanz Amtsgericht Pforzheim 2 C 1513/21 vom 17.03.2022)

1. Die Kammer beabsichtigt die Zurückweisung der Berufung der beklagten Haftpflichtversicherung.
2. Die aufgrund der langen Ausfalldauer entstanden Kosten hat die Beklagte zu tragen, die rechtzeitig und deutlich auf den Umstand hingewiesen wurde, dass der Geschädigte die Reparatur nicht finanzieren kann.
3. Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, für einen sofortigen Reparaturbeginn seine eigene Vollkasko-Versicherung oder einen Kredit in Anspruch zu nehmen, um dem Schädiger Kosten zu ersparen oder dessen Versicherung von der Verpflichtung zu einer zügigen Regulierung zu befreien.
4. Die Schätzung des Erstgerichtes mittels Mischmodell Fracke und der Kosten für Nebenleistungen nach Schwacke ist nicht zu beanstanden.
5. Ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen entfällt bei gruppenkleinerer Anmietung

Zusammenfassung: Die Berufungskammer des Landgerichts Karlsruhe sieht den Geschädigten nicht in der Pflicht, zur Beauftragung der Fahrzeugreparatur einen Kredit aufzunehmen oder eine eigene Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen. Lediglich ist ein Hinweis an den Schädiger notwendig, dass er die Reparatur nicht vorfinanzieren kann und auf die Regulierung durch den Versicherer warten muss, um die Reparatur zu beauftragen. Kommt der Versicherer mit der Regulierung nicht in Gang, hat er höhere Kosten des Ausfallschadens zu tragen. Eine Schätzung mittels Fracke und Nebenkosten wird nicht beanstandet.

Bedeutung für die Praxis: Der Beklagten wird attestiert, die aktuelle BGH-Rechtsprechung (Az. VI ZR 569/19 v. 17.11.2020) zu ignorieren. Sie hatte auf uneinheitliche obergerichtliche Entscheidungen zu der Frage verwiesen, wie der Geschädigte auf die fehlende Vorfinanzierungsmöglichkeit hinweisen muss und ob er die Schadenbehebung zunächst auch aus eigenen Mittel finanzieren müsse. Zwar befindet sich die Beklagte damit in Gesellschaft des OLG Düsseldorf (Az. 1 U 77/20 v. 09.03.2021), doch die Berufungskammer in Karlsruhe ist dem BGH da anscheinend nicht nur räumlich näher, als der 1. Senat in Düsseldorf. Der BGH hat diese Fragen bereits in 2020 eindeutig beantwortet mit dem Grundsatz, dass der Versicherer zu warnen sei, wenn eine verzögerte Regulierung zu höheren Kosten führt und ansonsten der Geschädigte weder vorfinanzieren, Kredit aufnehmen oder die eigene Kaskoversicherung bemühen müsse.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 4-23

Landgericht Stuttgart 54 O 90/22 vom 12.01.2023

1. Die Klägerin konnte per Zeugenbeweis glaubhaft machen, dass sich die im Vergleich zur vom Sachverständigen prognostizierten Ausfalldauer ganz erheblich längere Mietwagendauer ausschließlich wegen Lieferschwierigkeiten von Ersatzteilen verlängerte.
2. Die Schätzung des vergleichbaren Marktpreises für den Grundpreis der Mietwagenkosten erfolgt anhand der Werte der Schwacke-Liste und nicht mittels der von der Beklagten favorisierten Fraunhofer-Liste.
3. Der Auffassung der Beklagten wird widersprochen, der Geschädigte habe gegen seine Schadenminderungsobliegenheit nach § 254 BGB verstoßen, weil er sich nicht nach alternativen Ersatzfahrzeugangeboten erkundigt habe.
4. Internetbeispiele, die die Beklagte vorlegte, sind nicht mit der Anmietung vergleichbar und daher nicht relevant.
5. Marktgerechte Kosten erforderlicher Nebenleistungen sind ebenso vom Schädiger bzw. seinem Versicherer zu erstatten.
6. Ein Eigenersparnis-Abzug von 10 Prozent entfällt im Fall der Anmietung eines klassenkleineren Fahrzeuges.

Zusammenfassung: Das Landgericht Stuttgart entscheidet erstinstanzlich zur Erforderlichkeit der Mietwagenkosten mit der Schwacke-Liste und lehnt die Auffassung der Beklagten zur alleinigen Anwendbarkeit der Fraunhofer-Liste ab. Die Kosten der vom Vermieter erbrachten Nebenleistungen für Winterreifen-Ausrüstung, Navigation und Zustellung werden dem Kläger ebenfalls zugesprochen. Auch die Dauer der Anmietung wird bestätigt, nachdem die Reparaturwerkstatt die Gründe für eine erhebliche Reparaturverzögerung dargestellt hatte.

Bedeutung für die Praxis: Der Beklagten gelang es weder mit ihrer Auffassung zur generellen Erkundigungspflicht, noch mit eingeholten Internet-Beispielen, das Gericht von Verwendbarkeit der Fraunhofer-Liste zu überzeugen. Das Landgericht bleibt bei Schwacke und gibt den Anwälten der Schädigerversicherung auf, ihre Behauptungen zu beweisen, dass der Geschädigte ohne weiteres hätte günstiger mobil sein können. Dazu benennt das Gericht das Problem sehr klar: Der Geschädigte hat keine Beweislast dazu zu erbringen, dass ihm nicht auch eine günstigere Alternative verfügbar gewesen wäre. Also braucht er sich auch nicht nach Alternativen erkundigen, solange der Preis des von ihm realisierten Angebotes nicht weit überhöht gewesen ist.

Es ist nicht bekannt, ob oder wann die Sache rechtskräftig geworden ist.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 3-23

Landgericht Berlin 41 S 48/22 vom 16.12.2022 (Beschluss)
(Vorinstanz Amtsgericht Berlin-Mitte 111 C 128/21 V)

1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, insbesondere birgt die Abtretung erfüllungshalber keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 BGB.
2. Forderungen unterhalb der Werte der Schwacke-Liste sind erstattungsfähig, lediglich generelle dagegen vorgebrachte Einwendungen sind als unerheblich zu bewerten.
3. Dem Geschädigte obliegt es nicht grundsätzlich, vor Anmietung eines Ersatzwagens eine Marktrecherche nach dem günstigsten Angebot zu betreiben.
4. Es ist an der Beklagten, ihre Behauptung zu beweisen, der Anspruchsteller hätte in seiner speziellen Situation nach einem Unfall ein Mietfahrzeug günstiger anmieten können.

Zusammenfassung: Das Landgericht Berlin bestätigt eine erstinstanzliche Entscheidung zur Aktivlegitimation aus abgetretenem Recht und zur Schätzung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten anhand der Werte der Schwacke-Liste. Die Beklagte hatte ihre Behauptungen nicht beweisen können, dem Geschädigten hätte ein günstigeres Fahrzeug zur Verfügung gestanden und er habe daher gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen. Das Gericht stellte zudem klar, dass der Geschädigte sich nicht nach Alternativen erkundigen muss, wenn ihm ein Mietwagen zum Marktpreis angeboten wird.

Bedeutung für die Praxis: Die Beklagte reist mit einem für sie selbst positiv erstrittenen Landgerichtsurteil ihres Heimatgerichts von Landgericht zu Landgericht (hier nun Berlin) und versucht dort jeweils, die Richter von Ihrer Rechtsauffassung zu überzeugen, dass die bei der Ersatzwagenanmietung üblichen Abtretungsformulare unwirksam formuliert sind. Sie stützt sich in ihre Argumentation auf zwei BGH-Entscheidungen zur Abtretungsproblematik an (BGH VI ZR 274/17 und VI ZR 135/19). Doch die dort verhandelten Formulare waren gänzlich anders und daher hat das Landgericht Berlin hier keinen Zusammenhang gesehen. Die Verunsicherung der Gerichte scheint der Beklagten jedoch immer wieder mal zu gelingen, hier in diesem Fall hält das Landgericht dagegen explizit fest, dass die Formulierung der "Abtretung erfüllungshalber" bzgl. Mietwagenkostenforderung zu einer wirksam vereinbarten Abtretung führt. Unter anderem wurde erkannt, dass die Formulierungen vom BGH bereits in einer Entscheidung bestätigt worden sind, ausdrücklich auch in Bezug auf das Transparenzgebot.

Hinweis: Es ist nicht bekannt, ob das Verfahren damit abgeschlossen ist.

BGH bestätigt Erstattungsfähigkeit von Desinfektionskosten

Der BGH hat im Dezember einen Fall zu der Frage verhandelt, ob im Rahmen der Fahrzeugbegutachtung (und damit gleichbedeutend auch -reparatur und -vermietung) Desinfektionskosten vom Schädiger zu ersetzen sind.

„Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Ebenso wie die Wahl seines individuellen Hygienekonzepts selbst steht auch die betriebswirtschaftliche Entscheidung, ob die hierfür anfallenden Kosten gesondert ausgewiesen oder als interne Kosten der Arbeitssicherung in die Kalkulation des Grundhonorars "eingepreist" werden, grundsätzlich dem Sachverständigen als Unternehmer zu. Angesichts der nur vorübergehenden Natur jedenfalls der verschiedenen Phasen der Corona-Pandemie mag es sogar ein Ausdruck des Bemühens um Kostentransparenz sein, die Pauschale für die Dauer ihres Anfallens gesondert auszuweisen. Entgegen den Zweifeln des Berufungsgerichts begegnet es daher keinen grundsätzlichen Bedenken, dass der Sachverständige die Corona-Desinfektionspauschale gesondert berechnet hat.“

Der BGH hat das Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Landgericht Stuttgart hat zu klären, wie die erstattungsfähige Höhe der Desinfektionskosten zu ermitteln ist. Denn im Sachverständigenwesen ist die Desinfektionspauschale keine übliche Leistung (wie auch bei den Autovermietungen, anders in den Werkstätten) .

„Insbesondere wird das Berufungsgericht zunächst in eigener tatrichterlicher Verantwortung zu prüfen haben, ob sich die bestehende Lücke in dem zwischen dem Kläger und dem Sachverständigen geschlossenen Werkvertrag durch eine ergänzende Vertragsauslegung schließen lässt und ob, sofern dies nicht der Fall ist, eine einseitige Bestimmung der Gegenleistung durch den Sachverständigen im Wege der Rechnungstellung anzunehmen ist.“

Hinweis:
Das BGH-Urteil hilft in Altfällen, in denen die Desinfektionspauschale bei der Vermietung berechnet wurde und nun vom Versicherer außergerichtlich oder bereits im Rechtsstreit verlangt wird. In neuen Fällen ist es sicher so zu sehen, dass die Zeit der Desinfektionspauschale vorbei ist, da die Gefahren der Pandemie weitgehend gebannt sind.

BGH-Urteil ansehen

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 2-23

Landgericht Stade 4 S 30/22 vom 26.10.2022
(Vorinstanz Amtsgericht Stade 61 C 346/21 vom 09.06.2022)

1. Kosten einer Ersatzmiete für ein gewerblich genutztes Fahrzeug, mit dem unmittelbar Umsatz erwirtschaftet wird, sind grundsätzlich schadenersatzrechtlich erstattungsfähig.
2. Die Höhe des erstattungsfähigen Schadenersatzbetrages für ein Ersatz-Taxi ist nicht durch den Betrag des Gewinn-Entgangs begrenzt.
3. Zur Erstattungsfähigkeit der Mietwagenkosten hat der Kläger darzustellen, warum er aus betrieblichen Gründen zwingend auf die Fahrtkapazitäten angewiesen ist (Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen, guter Ruf bzgl. Zuverlässigkeit, Aufrechterhaltung von Kundenbeziehungen, ...) und daher die Ersatzmiete erforderlich gewesen ist.
4. Vom Grundbetrag der Mietwagenkosten ist ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen des Klägers in Höhe von 5 % vorzunehmen.
5. Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Zusatzfahrer und Zusatzleistung "Tarifeinstellung" sind ebenso zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht bestätigt per Beschluss vollständig ein erstinstanzliches Urteil, in dem die Höhe der Kosten einer Ersatzanmietung eines Taxis zugesprochen wurden. Die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit der Kosten oberhalb des sonst entgangenen Gewinns ergibt sich aus unternehmerischen Überlegungen des Geschädigten. Die Höhe der Kosten werden - da Schätzlisten nicht zur Verfügung stehen - mittels sachverständiger Hilfe geschätzt und hier als marktüblich angesehen. Auch Nebenkosten der Taxi-Ersatzmiete wie zum Beispiel für Haftungsreduzierung und eine Zusatzfahrer-Pauschale sind zu erstatten.

Bedeutung für die Praxis: Auch der gewerbliche Fahrzeugnutzer, der direkt mit dem Fahrzeuge sein Geld verdient, kann im Fall des unfallbedingten Ausfalls ein Ersatzfahrzeug mieten und ist in Bezug auf einen Schadenersatz nicht auf den Gewinn-Entgang beschränkt. Die erstattungsfähigen Kosten können daher auch den Betrag des zu erzielenden Gewinns erheblich übersteigen. Nichtsdestotrotz müssen die anfallen Kosten marktüblich sein. Gerichte können zur Schätzung des erforderlichen Betrages nach § 287 ZPO bei der Schätzung der Kosten für ein Ersatz-Taxi nicht auf Schätzlisten wie Schwacke oder DAT zugreifen. Stattdessen wird ein Sachverständigengutachten zu der Frage herangezogen, ob der Preis für das Miet-Taxi marktüblich gewesen ist. Zu den Kosten der Grundmiete und den Nebenkosten (wie die Haftungsreduzierung) kommt bei Taxi-Ersatzmieten die Anpassung der Einbauten an die regionalen Abrechnungskriterien nach den behördlichen Vorgaben hinzu, die daher auch vom Schädiger zu ersetzen sind.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 1-23

Landgericht Hagen 1 S 52/22 vom 09.12.2022
(Vorinstanz Amtsgericht Hagen 15 C 14/21 vom 11.05.2022)

1. Das Berufungsgericht sieht keinen Rechtsverstoß in den Formulierungen der mit dem Geschädigten vereinbarten Abtretung der Schadenersatzforderung an den Autovermieter.
2. Die Schätzung der erforderlichen und daher vom Schädiger zu erstattenden Mietwagenkosten erfolgt anhand des Mischmodells der Listen "Fracke".
3. Auf den Grundbetrag des Normaltarifes nach Fracke wird für unfallbedingte Mehrleistungen ein Betrag in Höhe von 5 Prozent aufgeschlagen.
4. Kosten des Geschädigten für die mietvertraglich vereinbarte Reduzierung seiner Haftung bei Beschädigung des Mietwagens sind nicht erstattungsfähig.
5. Anwaltskosten für außergerichtliche Tätigkeiten des Rechtsanwaltes gehören zu den vom Schädiger zu ersetzenden Schadenkosten. 

Zusammenfassung: Das Landgericht Hagen hebt eine erstinstanzliche Entscheidung auf, in der dem Kläger die Aktivlegitimation abgesprochen wurde. Laut Berufungsgericht ist die Abtretung der Mietwagenforderung jedoch wirksam und liegt insbesondere kein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz oder das transparentgebot vor. Die Schätzung der Höhe erforderlicher Mietwagenkosten erfolgt anhand Mischmodell zuzüglich Aufschlag und Nebenkosten.

Bedeutung für die Praxis: Das Berufungsgericht orientiert sich in der Mietwagenkosten-Rechtsprechung grundsätzlich an der Mittelwertrechtsprechung der OLG in Hamm, Düsseldorf und Köln. Zur der Frage des unfallbedingten Aufschlages liegen gravierende Missverständnisse vor. Der BGH meint, ein solcher Aufschlag sei gerechtfertigt, wenn unfallbedingte Mehrleistungen im Vergleich zu einem Selbstzahlertarif erforderlich sind, um den Geschädigten mobil zu halten. Solche Beispiele sind die Vorfinanzierung des Mietzinses durch den Vermieter oder die Eilbedürftigkeit, das offene Mietende oder Zusatzrisiken des Vermieters weil der Mieter keine Kaution stellt.
Missverständnis Nummer 1 liegt darin, dass die Berufungskammer einen Unfallersatztarif mit dem unfallbedingten Aufschlag gleichsetzt. Eine Erstattungsfähigkeit eines Unfallersatztarifs einerseits ergibt sich über § 254 BGB, wenn der Geschädigte beweist, dass ihm keine Alternative zum Marktpreis zur Verfügung stand. Dagegen regelt sich andererseits der unfallbedingte Aufschlag über die Erforderlichkeit und damit über § 249 BGB. Damit verbunden sind andere Beweislastregeln und die Tatsache, dass der unfallbedingte Aufschlag nach § 287 ZPO im Rahmen der Schätzung der erforderlichen Kosten abgehandelt wird.
Missverständnis Nr. 2 liegt darin, dass das Gericht seine 5%-ige Bemessung des Aufschlages aus der falsch verstandenen Vorfinanzierung ableitet. Die Vorfinanzierung ist einer der Aufschlagsgründe, ja. Aber es geht hier nicht um den Zins auf die noch nicht bezahlten Mietwagenkosten. Denn über diese Verzinsung ("5% über Basiszinssatz") wird am Ende entsprechend §§ 280, 286, 288 BGB nochmals separat entschieden, auch in diesem Urteil. Hintergrund des Aufschlagsgrundes "Vorfinanzierung" ist stattdessen die Überlegung, dass der Vermieter ein zusätzliches Zahlungsausfall-Risiko eingeht, wenn er eine Leistung erbringt, die sich auf Unfallhergangsschilderungen stützt und er gleichzeitig auf die sofortige Bezahlung mittels Bargeld oder Kreditkarte verzichtet. Er geht das Risiko ein, dass der Versicherer begründet nicht zahlt und der Mieter nicht zahlen kann. Anders als es das Gericht formuliert, ist es außerhalb der Vermietung nach einem Unfall völlig unüblich, jemandem ein Auto zu vermieten und auf Vorkasse + Kaution zu verzichten. Nächstes Problem: Die Frage des unfallbedingten Aufschlages bringt das Gericht sodann in den Zusammenhang mit der Haftungsreduzierung, dabei geht es nicht um eine Sicherheitsleistung FÜR den Mieter, sondern DURCH den Mieter, auf die hier verzichtet wird, weil er diese nicht erbringen kann und anderenfalls während der Reparatur zu Fuß gehen müsste.
Eine weitere besondere Sichtweise hat das Gericht in Bezug auf die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer weitgehenden Haftungsreduzierung. Zwar wird die BGH-Rechtsprechung zum Teil richtig widergegeben, aber dann doch die Erstattungsfähigkeit verneint. Das Gericht will einen speziellen Vortrag zum Altersunterschied des Geschädigtenfahrzeuges zum Mietfahrzeug sehen. Statt dessen geht es doch in der Frage der Erstattung der Kosten der Haftungsreduzierung um den Punkt, dass eine Beschädigung des Mietfahrzeuges, dessen Nutzung dem Geschädigten vom Schädiger durch den Unfall aufgezwungen wurde, zur sofortigen Kostenerstattungspflicht inkl. Wertminderung, ggf. Gutachterkosten, Mietausfall ... gegenüber dem Vermieter führen würde. Würde er sein eigenes Fahrzeug selbst beschädigten, könnte er damit weiterfahren.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 51-22

Landgericht Bonn 8 S 39/22 vom 06.12.2022
(Vorinstanz Amtsgericht Bonn 113 C 270/21 vom 22.02.2022)

1. Den Geschädigten ist kein Verstoß gegen die Schadenminderungsobliegenheit vorzuwerfen, denn die Mietwagenangebote der Beklagten waren nicht annahmefähig.
2. Die Schätzung des örtlichen Grundwertes der erforderlichen Mietwagenkosten für die benötigte Ersatzmobilität erfolgt anhand des Mischmodells aus Schwacke und Fraunhofer.
3.Der Abzug für ersparte Eigenaufwendungen des Geschädigten, der sein Fahrzeug vorübergehend nicht nutzen konnte, ist auf 4 Prozent des Grundbetrages zu bemessen.
4. Auf den Grundwert der erforderlichen Mietwagenkosten ist ein Aufschlag für unfallbedingte Mehrleistungen in Höhe von 20 Prozent zu erstatten.
5. Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Zusatzfahrer, Zustellen, Winterreifen, Navigation und Anhängezugvorrichtung sind schadenrechtlich ebenso erstattungsfähig und daher zuzusprechen.

Zusammenfassung: Das Landgericht Bonn bestätigt seine Auffassung zu den Anforderungen an Direktvermittlungsangebote der Versicherer an Geschädigte (Mietwagenkosten). Ein Anruf des Versicherers kann den Geschädigten ebenso wenig an den  genannten Preis binden, wie ein unkonkret formuliertes schriftliches Angebot. Der zu erstattende marktübliche Preis wird anhand der Werte aus den Listen (Fracke) geschätzt, zuzüglich unfallbedingtem Aufschlag und Nebenkosten.

Bedeutung für die Praxis: Das Gericht konkretisiert die Kriterien, die an ein für den Geschädigten in Bezug auf den Preis verbindliches Mietwagenangebot des gegnerischen Versicherers zu stellen sind. Ein telefonisch übermitteltes "Angebot", wie es Geschädigten häufig bereits noch auf der Unfallkreuzung von speziell geschulten Versicherungsmitarbeitern untergejubelt werden soll, ist per se kein annahmefähiges Angebot. Diese Auffassung ist auch ohne weiteres nachvollziehbar bereits durch die Vorstellung, dass der Fahrer, der unschuldig in einen Unfall verwickelt wurde, noch in der Situation am Unfallort ganz sicher keine ausreichenden Möglichkeiten hat, sich vom Versicherer des Schädigers dessen Vorstellungen der Schadenregulierung zu merken, zu notieren oder sonst auf eine für ihn später nachvollziehbare Weise zu verarbeiten. Ganz sicher wird der Geschädigte erheblich aufgeregt sein, ggf. sind Termine zu verschieben, die Schwiegermutter zu den Kindern zu beordern, ist die Polizei vor Ort, ist der Verkehr behindert, steht der Unfallgegner daneben oder muss der Unfall noch per Foto oder Skizze dokumentiert werden. Ein Anruf der vermeintlich helfenden Hand des Schädigerversicherers, dient nur dazu, dem Geschädigten später Preisvorgaben vorhalten zu können. In der Situation ist davon auszugehen, dass der Geschädigte kein Angebot annehmen kann. Dem Landgericht reicht für die Annahme, dass telefonisch übermittelte Preise irrelevant sind, bereits aus, dass der Inhalt des Gespräches letztlich im Streit nicht geklärt werden kann. Dem Geschädigten würden Beweismöglichkeiten gegenüber Behauptungen des Gegnerversicherers fehlen.
Darüber hinaus hat die Beklagte auch die Anforderungen an schriftlich übermittelte Preisvorgaben nicht erfüllt. Dazu ist es notwendig, dass sich die behaupteten Angebote auf den konkreten Anmietort und die Anmietzeit beziehen. Inhaltlich müssen sie das abdecken, worauf der Geschädigte einen Anspruch hat, inklusive der damit verbundenen Selbstbeteiligung der Haftungsreduzierung und des konkret zu vermietenden Fahrzeuges. Der Hintergrund ist der, dass der Geschädigte einen Anspruch auf ein zu seinem eigenen vergleichbares Fahrzeug hat. Die Nennung irgendeines Modells kann daher nicht ausreichend sein, da jedes Fahrzeugmodell mit unterschiedlichen Varianten in verschiedenen Mietwagenklassen eingruppiert wird. Ein Golf der Klasse 05 kann kein vergleichbarer Ersatz für einen Kia der Klasse 07 sein.
Das Gericht bezieht die 4-prozentige Eigenersparnis auf den Grundbetrag und nicht auf Nebenkosten, bei denen eine solcher Abzug nicht nachvollziehbar wäre. Denn wo zum Beispiel wäre eine Ersparnis bei den Versicherungskosten des Geschädigten-Fahrzeugs, wenn der Geschädigte einige Tage nicht mit seinem eigenen Auto fährt?

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 50-22

Amtsgericht Königswinter 10 C 23/22 vom 29.11.2022

1. Die Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten nach Unfall ist im konkreten Fall anhand der Schwacke-Liste Automietpreisspiegel vorzunehmen.
2. Die am Gericht übliche Anwendung des Mischmodells Fracke scheidet aus, da selbst die Internetscreenshots der Beklagten aufzeigen, dass die Fraunhofer-Werte zu niedrig sind.
3. Eine Anwendung der Fracke-Werte - also des Mischmodells unter Einbeziehung von Fraunhofer - ist ebenso abzulehnen.
4. Die Klägerin hat mit einem Privatgutachten des Bundesverband der Autovermieter vorgetragen, dass die dortigen Internetwerte, erhoben nach einer Methode wie sie Fraunhofer anwendet, zu erheblich höheren Durchschnittwerten führen, zumeist im doppelten Bereich.
5. Die Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Winterreifen, Navigation und Zustellen/Abholen sind von der Beklagten zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Königswinter lehnt die Anwendung der Fraunhofer-Werte auch als Teil des Mischmodells in einem neuen Fall ab, obwohl es bisher in ständiger Rechtsprechung mit den Werten aus beiden Listen geschätzt hat. Hintergrund sind erhebliche und neue Zweifel an der Fraunhofer-Liste. Diese Zweifel haben sich für das Gericht durch den Vortrag der Beklagten selbst ergeben sowie durch Internetbeispiele der Klägerin, vorgetragen mit dem Gutachten des Bundesverbandes der Autovermieter. Das Urteil wäre berufungsfähig gewesen, doch die Beklagte hat lieber bezahlt.

Bedeutung für die Praxis: Nochmals in kurzer Folge im MRW-Newsletter das AG Königswinter... da das Urteil inhaltlich sehr interessant ist. In einem berufungsfähigen Mietwagenfall hat das Amtsgericht die Anwendung der Fracke-Methode abgelehnt. Grund ist, dass die von beiden Seiten im Prozess vorgelegten konkreten Internetangebote ganz erheblich höher lagen, als die Mittelwerte der Frannhofer-Liste 2021, mit denen das Gericht üblicherweise in den letzten Monaten geschätzt hatte. Die Richterin wendet - auch aufgrund des konkreten Sachvortrages der Klägerin gegen die Anwendung der Fraunhofer-Liste und der Fracke-Liste - die Schwacke-Mittelwerte an. Die Aussage des BAV-Gutachtens "Gutachten Mietwagenpreise Internet 2021 - Region Bonn -" lautete: "Das Gutachten kommt trotz vergleichbarer Berücksichtigung von Internetpreisen zu völlig anderen Ergebnissen als die Fraunhofer-Liste. Die Ergebnisse der Fraunhofer-Liste 2021 für das PLZ-Gebiet 53 (Bonn) entsprechen demnach nicht der Wirklichkeit." Die Beklagte ließ die Aussagen so stehen und trat dem Vortrag der Klägerin bzgl. des Gutachtens nicht entgegen.
Der Autor des Gutachtens (und dieser Zeilen) geht davon aus, dass das strategisch aus deren Sicht auch nicht verkehrt ist. Denn eine Diskussion der Gutachtenergebnisse und der Gutachten-Methode im Vergleich zur Fraunhofer-Liste würde unweigerlich zu einer Diskussion der Fraunhofer-Methode selbst führen. Das wären Fragen zur Fraunhofer-Erhebung wie:
- Warum sind für den Mittelwert Zwischen-Mittelwerte pro Station errechnet worden und warum hat daher nicht jeder Wert eine gleiche direkt Wirkung auf den veröffentlichten Mittelwert?
- Wie hat Fraunhofer aus Acriss-Mietwagenklassen die Einteilung in Schwacke-Mietwagenklassen "gezaubert"?
- Fehlen Werte in 4 Mietwagenklassen, weil Fraunhofer die Erhebungsergebnisse in zu hohe Meitwagenklassen sortiert??
- Was bedeutet "typische Selbstbeteiligung, zumeist zwischen 750 und ..."?
- Was bedeutet es, wenn Aufschläge für Winterreifen als zu vermeiden bezeichnet werden?
- Welcher (die Höhe der Kosten erheblich beeinflussender) Zahlungszeitpunkt für die Vorkasse wurde unterstellt?
- Welchen Einfluss erfährt die als "ganzjährig zu verwenden" zu verstehende Aussage durch die Erhebung in wenigen Sommermonaten?
- Was bedeutet eine unterstellte Kilometerbegrenzung für den Preis, den Fraunhofer in seine Listen übernimmt?
usw.
Das Gutachten ist sehr transparent. Es enthält alle konkret verwendeten Internetangebote als Screenshot. Sie sind ein Teil des Gutachtens. So fällt es dem Gericht sehr leicht, deren konkreten Inhalt und ihre Relevanz im Vergleich zu Fraunhofer zu prüfen. Der erhebliche Preisunterschied zum Fraunhofer-Mittelwert ist leicht zu erkennen und eine Erklärung dafür nicht greifbar.

Zitiervorschlag: "Kein Fracke und kein Fraunhofer, denn Internetscreenshots zeigen erheblich höhere Werte"

"Diesen Erwägungen schließt sich das Gericht überwiegend an. Abweichend von der Entscheidung des OLG Köln sieht das Gericht vorliegend jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, den ortüblichen Tarif anhand des arithmetischen Mittels zwischen der Schwacke-Liste sowie der Fraunhofer-Liste zu berechnen. Denn das Gericht zweifelt vor dem Hintergrund der seitens der Beklagten selber vorgelegten Internet-Angebote sowie dem seitens der Klägerin vorgelegten „Gutachten Mietwagenpreise Internet 2021 - Region Bonn" an der Eignung der Fraunhofer-Liste als Schätzgrundlage, welche zur Berechnung eines arithmetischen Mittels zugrunde gelegt werden könnte. Konkret hat die Beklagte zwei Internetangebote der Unternehmen Sixt (...) und Europcar (...) beigefügt. Unabhängig von der Frage, ob diese Angebote der Geschädigten im vorliegenden Fall konkret vorgelegt wurden bzw. ob die Anmietung auch ohne Vorlaufzeit von einer Woche und mit offenem Mietende hätte erfolgen können, liegen diese beiden Angebote deutlich über dem seitens der Fraunhofer-Liste ermittelten Wertes. ... mithin etwa ein Viertel bis ein Drittel geringer als die von ihr selber beispielhaft genannten Internetangebote.
Zu deutlich höheren Abweichungen gelangt das seitens der Klägerin vorgelegte Gutachten (...). In diesem Gutachten stellt der Bundesverband der Autovermieter Deutschlands e.V. fest, dass die Erhebungen des Fraunhofer Instituts nicht die tatsächlich erhältlichen Internet­-Preise abbilden. Letztere liegen nach dem Ergebnis des Gutachtens deutlich über den Fraunhofer-Werten, zumeist im Bereich des doppelten Preises. Zur Ermittlung der tatsächlichen Werte ist das Gutachten entsprechend den Angaben des Fraunhofer-Instituts durch Internet-Recherche bei den größten Autovermittlern vorgegangen, um eine Vergleichbarkeit beider Werte herzustellen. Den Feststellungen des Gutachtens ist die Beklagte nicht entgegengetreten."
(Amtsgericht Königswinter 10 C 23/22 vom 29.11.2022)

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 49-22

Amtsgericht Kempten (Allgäu) 6 C 753/22 vom 16.11.2022

1. Wenn der Geschädigte einen Ersatzwagen mietet, sind Nutzungswille und Nutzungsmöglichkeit gegeben.
2. Der Geschädigte kann nach freier Entscheidung entweder fiktiven Ausfallschaden (Nutzungsausfall-Wert) oder konkrete Kosten der Ersatzanmietung erstattet verlangen.
3. Sofern Nutzungsausfallentschädigung verlangt wird, ist es unerheblich, ob der Geschädigte tatsächlich einen Ersatzwagen angemietet hatte.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht in Kempten spricht dem Kläger den geforderten Nutzungsausfallbetrag für drei Tage zu. Dass er tatsächlich einen Ersatzwagen angemietet hatte und die Beklagte bereits einen geringen Teil der Mietwagenkosten (ca. ein Drittel der Nutzungsausfallentschädigung) bezahlt hatte, ist dabei nicht relevant. Das Gericht verweist auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der auch bei zunächst verlangten Mietwagenkosten ein Wahlrecht besteht, statt dessen auf Nutzungsausfallentschädigung umzustellen.

Bedeutung für die Praxis: Der BGH hat mit Urteil vom 05.02.2013 (Az. VI ZR 290/11) geurteilt: "Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung kann demjenigen Geschädigten zustehen, der Ersatz der Kosten für einen Mietwagen nicht beanspruchen kann. Der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung kann im Rechtsstreit (konkludent) hilfsweise geltend gemacht werden,..". Folgerichtig sprechen Gerichte Nutzungsausfallentschädigung zu, auch wenn während der Ausfalldauer ein Mietwagen genutzt wurde und egal auch, ob und woher ein solches Fahrzeug genommen wurde. Gerade bei längeren Mieten kann es sinnvoll sein, sich die Nutzungsausfallentschädigung vom Schädiger-Versicherer erstatten zu lassen, anstatt von ihm auf den nackten Fraunhofer-Wochenwert heruntergekürzt zu werden und einen aufwendigen Prozess um die richtige Schätzmethode führen zu müssen.
Hier hatten wir für 2019 einmal einige Tabellen erstellt, die einen Vergleich der Werte je nach Mietwagenklasse / Nutzungsausfallklasse und Ausfalldauer ermöglichte: https://www.bav.de/vermietung-nach-unfall/allgemeines/3398-vergleichstabelle-nutzungsausfall-und-fraunhofer.html
Bevor ein Anspruch aufgegeben oder ausgebucht wird, weil es zu schwierig erscheint, sich in die komplexe Materie der Durchsetzung von Mietwagenkosten einzuarbeiten, kann es im Einzelfall sinnvoll sein, eine solche Vergleichsrechnung aufzustellen und auf die Nutzungsausfallentschädigung umzustellen.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 48-22

Amtsgericht Königswinter 12 C 36/22 vom 08.11.2022 (Datum mdl. Verhandlung)

1. Nachdem die Beklagte über die Hälfte der geforderten Schadensumme aufgrund Ersatzanmietung zurückbehalten hatte, wird sie vom erkennenden Gericht verurteilt, die Restsumme vollständig an den Kläger auszuzahlen.
2. Zur Schätzung der Höhe der erstattungsfähigen Mietwagenkosten greift das Gericht auf das arithmetische Mittel der Schwacke-Liste zurück, die auch nach der Rechtsprechung des OLG Köln grundsätzlich dafür geeignet ist.
3. Die Anwendung des Mischmodells Fracke scheidet insofern aus, dass die Fraunhofer-Liste für die Mietwagenklasse der Ersatzanmietung keine Werte zur Verfügung stellt.
4. Auf den Grundbetrag nach Schwacke ist ein unfallbedingter Aufschlag als gerechtfertigt anzusehen, da hier eine Ad-Hoc-Anmietung außerhalb normaler Öffnungszeiten erforderlich war.
5. Kosten für Nebenleistungen wie Haftungsreduzierung, Zusatzfahrer und Zustellen/Abholen sind ebenso erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht weicht in der Frage der Anwendung der Schätzgrundlagen nach § 287 ZPO von der Linie der übergeordneten Gerichte ab, da eine Anwendung der Fracke-Werte nicht möglich ist. Fraunhofer weist häufig nur noch in 7 von 11 Mietwagenklassen einen Wert aus. Mangels Anknüpfungstatsachen zur Berechnung des Mittelwertes der Listen hat das Gericht die Schwacke-Werte verwendet. Zusätzlich wurden der Pauschalaufschlag von 20 Prozent und die Nebenkosten zugesprochen.

Bedeutung für die Praxis: Immer häufiger werden Fälle verhandelt, in denen Gerichte grundsätzlich das Mischmodell anwenden wollen, die Fraunhofer-Liste dafür jedoch keinen Schätzbetrag zur Verfügung stellt. Gerichte wenden dann die Werte der Schwacke-Liste an. Die Richterin verweist dazu auf den Umstand, dass die obergerichtliche Rechtsprechung (und im Übrigen auch der BGH) die Schwacke-Liste grundsätzlich als anwendbar ansehen. Aus Sicht der Kläger ist bereits der Umstand, dass Fraunhofer in niedrigen Mietwagenklassen keine Werte mehr ausweist ein Argument gegen die Richtigkeit der Liste. Denn in Schwacke gibt es die ja noch und wer ins Internet schaut, der fragt sich, in welchen (höheren) Mietwagenklassen die Klein- und Kleinstwagen landen, die man dort findet. Die Antwort ist, dass diese in höheren Klassen die Mittelwerte nach unten drücken. Das werden hoffentlich bald auch die Gerichte besser verstehen, so die Hoffnung (vgl. hierzu MRW 1-22 "Mietwagenklassen bei Fraunhofer: Kleine Autos in große Gruppen verschieben um damit den Mittelwert zu senken").

Zitiervorschlag: "Kein Fracke, wenn Fraunhofer keinen Wert liefert"

"Zur Ermittlung des Schadenshöhe greift das Gericht auf die Schwacke-Liste zurück und berechnet ausschließlich hiernach den ortsüblichen Tarif für die Anmietung eines Mietwagens im vorliegenden Fall, § 287 ZPO. Es folgt dabei der Rechtsprechung des OLG Köln insoweit, als dass dieses grundsätzlich in der Schwacke-Liste eine geeignete Schätzgrundlage für die Berechnung von Mietwagenkosten sieht, vgl. OLG Köln, Urteil vom 30.07.2013 (Aktenzeichen 15 U 212/12). Auf die hinlänglich bekannten Ausführungen des OLG Köln wird vollumfänglich Bezug genommen.
Abweichend vom dort entschiedenen Fall sieht das Gericht vorliegend jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, den ortüblichen Tarif anhand des arithmetischen Mittels zwischen der Schwacke-Liste sowie der Fraunhofer-Liste zu berechnen. Denn unstreitig sieht die Fraunhofer-Liste keine Werte für die nach der Schwacke-Liste abgerechnete Mietwagenklasse 2 vor, welche zur Berechnung eines arithmetischen Mittels zugrunde gelegt werden könnten."
(Amtsgericht Königswinter 12 C 36/22 vom 08.11.2022)

Derzeit ist nicht bekannt, ob das Urteil rechtkräftig ist.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 47-22


Amtsgericht Salzgitter 21 C 111/ 22 vom 03.08.2022

1. Erstattungsfähige Mietwagenkosten sind nach dem Mischmodell aus den Listen von Schwacke und Fraunhofer (Fracke) zu schätzen.
2. Von der Beklagten vorgelegte Internetangebote stellen keine konkreten Einwendungen gegen die Anwendung der Fracke-Werte dar.
3. Der Abzug für ersparte Eigenaufwendungen des Geschädigten ist mit 10 Prozent zu bemessen, sofern er ein klassengleiches Ersatzfahrzeug angemietet hat.
4. Einen unfallbedingten Aufschlag auf den Normaltarifs sieht das Gericht lediglich im Fall einer Eil- und Notsituation als berechtigt an.
5. Die Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Haftungsreduzierung, Winterreifen, Zustellen und Zusatzfahrer sind vom Schädiger zu erstatten und bemessen sich nach der Nebenkostentabelle der Schwacke-Liste.
6. Der Kläger kann Schadenersatz inkl. der Umsatzsteuer verlangen, da er nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, auch wenn das beschädigte Fahrzeug ein Leasingfahrzeug ist.

Zusammenfassung: Im Fall eines Ausfallschadens aufgrund der Beschädigung eines Leasingfahrzeuges bemisst sich der Schadenersatzbetrag für ein Mietfahrzeug inkl. der Umsatzsteuer und nicht netto, wie die Beklagte unter Verweis auf die vorsteuerabzugsberechtigte Leasinggesellschaft argumentiert hatte. Die Schätzung der Höhe der erforderlichen Kosten erfolgt darüber hinaus mittels Fracke-Vergleichswert und Nebenkosten.

Bedeutung für die Praxis: Wird ein Leasingfahrzeug beschädigt, ist der Leasinggeber als Vorsteuerabzugsberechtigter anzusehen. Versicherer verweisen dann darauf, lediglich Netto-Beträge regulieren zu müssen. Doch der Leasingnehmer hat einen eigenen Ausfallschaden und ist der selbst nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, ist - anders als die Beklagte meint - brutto zu regulieren. Da auch der Besitz vor einer Störung geschützt ist und der Leasingnehmer ein berechtigter Besitzer ist, ist er ebenso wie der Leasinggeber als Geschädigter zu betrachten. 
Bei der Anwendung des Mischmodells aus den Listen hebt das Gericht sehr ungewöhnlich auf die Ergebnisse der Telefonerhebung ab. Auch wenn es diese Passage auf beide Listen zu beziehen scheint, gibt es solche nur in der Fraunhofer-Liste und dort nur für extrem große Regionen, von hier ca. 180 Kilometern Ausdehnung.
Die von der Beklagten vorgelegten Internetbeispiele werden als nicht vergleichbar zurückgewiesen.
Dass ein Schadenersatzanspruch oberhalb des durchschnittlichen Normaltarifes vom Gericht lediglich im Fall einer Not- und Eilsituation als erstattungsfähig angesehen wird, entspricht nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Zwischen Unfallersatztarif und Normaltarif hat der BGH den unfallbedingten Aufschlag etabliert, der auch bei anderen unfallbedingten Mehrleistungen erstattungsfähig ist, wenn diese aus Sicht des Geschädigten als erforderlich zur Erlangung der Ersatzanmietung zu gelten hat. Beispiele sind die Vorfinanzierung durch den Vermieter oder der Verzicht auf eine Kaution, die ein Mieter üblicherweise zu zahlen hat.

 

BGH zum Nutzungsausfallschaden

Fällt das Fahrzeug eines Geschädigten wegen eines Unfalls aus, besteht grundsätzlich ein Anspruch gegen den Schädiger und seinen Versicherer nicht nur auf Abschlepp- und Reparaturkosten, auf Ersatz der Kosten zur Feststellung der Höhe des Reparaturschadens / Kosten der Ersatzbeschaffung und Kosten der Rechtsberatung, sondern auch auf Erstattung des Ausfallschadens (Kosten zur Ersatzanmietung oder pauschal auf Nutzungsausfall).

Zwei eigentlich bekannte Ausnahmen besteht dann, wenn der Geschädigte in der Zeit des Ausfalls seines Fahrzeuges sehr wenig fährt (Grenze unter 20 km am Tag, dann z.B. Taxikosten zu erstatten, aber auch hier wieder Ausnahmen!) oder wenn er über mehrere Fahrzeuge verfügt und daher ein anderes Fahrzeug zur Verfügung steht.

Ein Porschefahrer fand das nun nicht angemessen und hat einen Rechtstreit um die Zumutbarkeit eines 3er BMW in allen drei Instanzen bis zum BGH verloren. Zwar ging es nicht um Schadenersatz nach einem Unfall, doch auch hier um die Entziehung der Gebrauchsmöglichkeit.

Zitat BGH VI ZR 35/22 vom 11.10.2022:

"Aus der vorübergehenden Entziehung der Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs kann sich zwar ein ersatzfähiger Vermögensschaden ergeben. Ein solcher scheidet jedoch vorliegend aus, weil der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein Zweitwagen zur Verfügung stand, dessen Nutzung ihr zumutbar war. (...) muss die Entbehrung der Nutzung auch deshalb "fühlbar" geworden sein, weil der Geschädigte das Fahrzeug mangels eines weiteren geeigneten Kraftfahrzeugs für seine alltägliche Lebensführung wirklich gebraucht hätte. (...) Die Unzumutbarkeit der Nutzung des weiteren Fahrzeugs und damit ein Schaden lassen sich nicht mit dem Argument begründen, dass das Fahrzeug, dessen Nutzung vorübergehend entzogen ist, gegenüber dem Zweitfahrzeug eine höhere Wertschätzung des Geschädigten erfahre, etwa weil ihm ein höheres Prestige zukomme, es ein anderes Fahrgefühl vermittle oder den individuellen Genuss erhöhe. Denn dabei geht es um die Lebensqualität erhöhende Vorteile, die keinen ersatzfähigen materiellen Wert darstellen. Die genannten Gesichtspunkte betreffen nicht die alltägliche Nutzbarkeit zur eigenwirtschaftlichen Lebensführung und entziehen sich daher einer vermögensrechtlichen Bewertung."

Daher wiederholen wir den Hinweis an Autovermietunternehmen und Verbraucher, die nach einem Unfall einen Mietwagen nutzen möchten, dass vor der Anmietung eines Ersatzwagens die Frage geklärt werden muss, ob der Geschädigte Zugriff auf einen eigenen Zweitwagen hat. Der muss allerdings für ihn nutzbar sein, ohne dass sich Familienmitglieder einschränken müssen. Nutzen Frau oder Kinder den Zweitwagen, müssen die sich nicht einschränken. Dann besteht der Anspruch auf den Ausfallschaden / Mietwagenkosten.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 46-22

Amtsgericht Siegburg 128 C 33/22 vom 25.08.2022

1. Die Beklagte hat den Schaden des Geschädigten aufgrund Kosten für Ersatzmobilität der Klägerin vollständig und wie von ihr gefordert auszugleichen.
2. Die Höhe des zu erstattenden Schadenersatzanspruchs schätzt das Gericht - üblicherweise mittels Mischmodell Fracke - hier anhand der Schwacke-Liste Automietpreisspiegel.
3. Eine Anwendung des Mischmodells ist auszuschließen, sofern sich für den konkreten Einzelfall lediglich in der Schwacke-Liste die notwendigen Anknüpfungstatsachen finden lassen.
4. Wurde ein klassenkleineres Ersatzfahrzeug angemietet, entfällt ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen des Geschädigten.
5. Auf den Grundbetrag des Normaltarifs nach Schwacke ist vom Schädiger zusätzlich ein unfallbedingter Aufschlag zu erstatten, sofern unfallbedingte Mehrleistungen erforderlich gewesen sind.
6. Sind zwischen Geschädigtem und Vermieter schadenrechtlich gerechtfertigte Nebenleistungen vereinbart, ist die Erstattungsfähigkeit der dafür veranschlagten Kosten nach der Schwacke-Liste zu bemessen.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht in Siegburg wendet in einem konkreten Fall die Schwacke-Liste an, obwohl es grundsätzlich die Anwendung des Mischmodells aus den beiden Listen Fraunhofer und Schwacke bevorzugt. Hintergrund ist, dass die Fraunhofer-Tabelle für die relevante Mietwagenklasse keine Werte zur Verfügung stellt. Auf den Grundbetrag nach Schwacke wird ein 20%-iger Aufschlag wegen unfallbedingter Zusatzleistungen des Vermieters zugesprochen und die Kosten weiterer Nebenleistungen schadenersatzrechtlich anerkannt.

Bedeutung für die Praxis: Das erkennende Gericht wendet im Einzelfall Schwacke an, obwohl es grundsätzlich der Fracke-Linie des Berufungsgerichtes folgt. Es bestätigte die Argumentation des Klägers, dass die Fraunhofer-Liste nicht anwendbar ist, wenn sie für die konkret Mietwagenklasse keinen Wert bereitstellt. Ein Rückgriff auf andere Mietwagenklassen, die an den Tatsachen des konkreten Falles vorbeigehen, würde außerhalb des Schätzungsermessens des Gerichtes liegen. Die Prüfung der Angemessenheit eines unfallbedingten Aufschlages durch das Gericht könne sich darauf beschränken, ob spezifische in der Unfallersatzsituation regelmäßig anfallende Mehrleistungen des Vermieters allgemein einen Aufschlag rechtfertigen. Unabhängig von einer Eil- und Notsituation liegen hier typische Merkmale einer Unfallersatzanmietung bereits dadurch vor, dass der Vermieter die Mietwagenkosten vorfinanzieren musste und auf eine Kaution verzichtete.

Zitiervorschlag: "Kein Fracke, wenn Fraunhofer keinen Wert liefert"

"Die Art der Schadensschätzung wird von § 287 ZPO nicht vorgegeben. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben (BGH NJW 2011, 1947). (...) Im vorliegenden Fall war (...) allein die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage heranzuziehen. Denn gerichtsbekannt enthält die aktuelle Fraunhofer-Liste für die hier betroffene Fahrzeugklasse und den hier betroffenen Postleitzahlenbereich keine Daten. Ein Mittelwert kann daher nicht gebildet werden."
Amtsgericht Siegburg 128 C 33/22 vom 25.08.2022

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 44-22

Landgericht Duisburg 5 S 11/22 vom 02.09.2022 (Beschluss)
(Vorinstanz Amtsgericht Dinslaken 30 C 5/21 vom 28.12.2021)

1. Der Geschädigte war während der Ausfalldauer auf Ersatzmobilität per Mietwagen angewiesen, auch wenn die Beklagte das anders sah.
2. Es besteht keine grundsätzliche Verpflichtung für den Geschädigten zur Vorfinanzierung der Ersatzbeschaffung, die Beweislast für eine ohne Weiteres mögliche Kreditfinanzierung liegt beim Schädiger.
3. Zur Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten stellt das Amtsgericht korrekt auf das Mischmodell ab.
4. Auf den Grundbetrag des Normaltarifes nach Fracke ist ein 20-prozentiger Aufschlag für unfallbedingt erforderliche Mehrleistungen des Vermieter gerechtfertigt.
5. Davon unterscheidet der BGH einen Unfallersatztarif (§ 254 BGB) wenn der abgerechnete Betrag mit mindestens 100 Prozent deutlich überhöht ist, der lediglich außerhalb der Erforderlichkeit nach § 249 BGB und ausnahmsweise zuzusprechen sein kann.

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht in Duisburg bestätigt eine erstinstanzliche Entscheidung in Bezug auf die Frage, ob der Geschädigte einen Ersatzwagen anmieten durfte und zu welchem Preis die Schadenersatzforderung gerechtfertigt ist. Dazu wird Fracke angewendet zuzüglich des unfallbedingten Aufschlages. Der Geschädigte hat auch nicht gegen seine Schadenminderungsobliegenheit verstoßen, weil er zur Schadenbeseitigung keinen Kredit aufgenommen hat.

Bedeutung für die Praxis: Zunächst wurde um die Notwendigkeit der Ersatzwagenanmietung an sich gestritten. Nach Auffassung der Beklagten reichten dafür durchschnittlich pro Tag gefahrene 37 km nicht aus. Der Geschädigte habe gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen, da er sich nicht mit einem anderen Auto seiner Familie beholfen oder ein Taxi genommen habe. Die Möglichkeit sich ein anderes Fahrzeug mit dem Rest seiner Familie zu teilen, hatte der Kläger jedoch zurückgewiesen und die Beklagte dazu keinen konkreten Sachvortrag mehr gehalten. Auch der Verweis auf insgesamt günstigere Taxiskosten überzeugte das Gericht nicht, denn diese seien je nach Uhrzeit nicht immer gleich und die Nutzung eines Taxis nicht so verlässlich, wie das Auto vor der Tür, wie vor dem Unfall. Hinzu trete, dass taxikosten auch dadurch unerwartet hoch sein könnten, dass das Fahrzeug während der Fahrt im Verkehr stecken bleibt. Insgesamt müsse eine solche Entscheidung ex ante getroffen werden und da scheide in der konkreten Sicht des Geschädigten der Verzicht auf den Mietwagen und stattdessen die Nutzung eines Taxis jedenfalls aus schadenrechtlichen Gründen aus.
Die Beklagte behauptete außerdem, der Geschädigte hätte einen Kredit aufnehmen müssen, um die Vorfinanzierung der Ersatzanschaffung zu organisieren. Die Behauptung, das wäre dem Kläger möglich gewesen, wurde vom Gericht als in Blaue hinein zurückgewiesen. Die Beklagten hätte hierzu substantiiert vortragen müssen. Sie verwies lediglich auf missverständliche Rechtsprechung des OLG und LG Düsseldorf zur Schadenminderungspflicht, die durchaus als "nicht BGH-konform" bezeichnet werden kann. Auch der Hinweis auf die Möglichkeit eines Dispositionskredites konnte nicht verfangen, weil gerade dieser erheblich teurer ist und schon gar nicht die geforderte Summe zur Anschaffung eines Autos trage.
Auf den Grundwert des Normaltarifs für Mietwagenkosten sprach das Berufungsgericht einen Aufschlag zu. Hierfür sah es eine Vielzahl von unfallbedingten Mehrleistungen des Vermieters, wie die Vorfinanzierung des Mietzinses über viele Monate und die mangelnde Vorbuchungsmöglichkeit eines Mieters, der von jetzt auf gleich nach einem Unfall mit Totalschaden auf Ersatzmobilität angewiesen ist.
Diese höhere Mietwagenpreis im Rahmen Normaltarif + Aufschlag bringe keine Aufklärungspflicht des Vermieters darüber mit sich, dass Versicherer ggf. den Preis nicht zahlen würden. Eine solche Pflicht ergebe sich erst bei einem Unfallersatztarif, der deutlicher über dem Normaltarif liegen muss.

Das Verfahren ist abgeschlossen, die Beklagte hat die Berufung zurückgenommen.

Zitiervorschlag: "Normaltarif + Aufschlag ist kein Unfallersatztarif"

"Auch die Ausführungen des Amtsgerichts hinsichtlich eines Aufschlags von 20% für einen sog. Unfalltarif sind nicht zu beanstanden. Es handelte sich bei der Anmietung um ein nicht planbares ad hoc Geschäft und der Kläger hat eine Vorfinanzierung ohne Sicherheitsleistung in Anspruch genommen. Der Kläger musste mithin aufgrund des Schadensereignisses und seiner wirtschaftlichen Situation eine Vielzahl von unfallbedingten Mehrleistungen in Anspruch nehmen. Ein Aufschlag von mindestens 20% in derartigen Situationen ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofes, der sich die Kammer anschließt, angemessen (BGH NJW 2010, 2569). Der Umstand, dass der Kläger von den Autovermietungen  nicht darüber aufgeklärt worden sein mag, dass der  Tarif  über  einem  Normaltarif  liegt,  ist  unerheblich.  Ausweislich  der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof, der sich die Kammer auch in diesem Fall anschließt, muss eine Aufklärung nur dann erfolgen, wenn der verlangte Mietzins deutlich über dem Normaltarif liegt. Zwar legt der BGH diesbezüglich keine starre Grenze für eine „deutliche Erhöhung" fest. Aus dem Urteil ergibt sich aber, dass der BGH davon ausgeht, dass Unfalltarife durchschnittlich um mindestens 100% über dem örtliche Normaltarif lägen. Zuschläge von bis zu 200% seien keine Seltenheit (BGH Urteil vom 28.06.2006 - XII ZR 50/04, zitiert nach juris). Die Kammer sieht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH eine „deutliche Erhöhung" vorliegend mithin nicht als gegeben an." (Landgericht Duisburg 5 S 11/22 vom 02.09.2022, Beschluss)

 

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 43-22

Oberlandesgericht Frankfurt/Main 7 U 23/22 vom 28.09.2022
(Vorinstanz Landgericht Wiesbaden 2 O 143/21 vom 01.03.2022)

1. Der Geschädigte hat entsprechend des Wirtschaftlichkeitsgebotes nach § 249 BGB im Rahmen des Zumutbaren immer den wirtschaftlicheren Weg der Schadenbehebung auszuwählen.
2. Die vom Schädiger zu beweisende Frage, dass der Geschädigte hätte eine günstigere Alternative anmieten können, betrifft die Schadenminderungspflicht nach § 254 BGB.
3. Beansprucht der Kläger einen Betrag wie hier zunächst nach Schwacke und später nach der Fracke-Methode, handelt es sich um einen Normaltarif, stellt sich die Frage nicht im Rahmen der Erforderlichkeit, ob dem Geschädigten ein günstigerer Tarif zugänglich gewesen ist.
4. Ist der Vortrag der Beklagten wie hier ohne konkreten Vortrag in Bezug auf den konkreten Fall (Internetscreenshots), ist das Gericht nicht verpflichtet, die Schätzmethode zu überprüfen.
5. Lediglich hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten für Winterreifen begründet die Beklagte ihre Einwendungen, die jedoch keinen Erfolg haben können.

Zusammenfassung: Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main wendet wiederholt das Mischmodell zur Schätzung der erforderlichen Grundwerte des Normaltarifes an. Der Beklagten wird mitgeteilt, dass ihre Auffassung von den Beweislastregeln nicht korrekt ist, sie müsse beweisen, dass der Geschädigte eine günstigere Mietwagenalternative ausgeschlagen habe. So lange der Geschädigte einen Normaltarif verlange, müsse er selbst nicht beweisen, dass es nicht auch günstiger gegangen wäre. In Bezug auf die Kostenerstattung für Winterreifen stellt das OLG klar, dass diese zwischen O und O vom Schädiger zu ersetzen sind.

Bedeutung für die Praxis: Das Berufungsgericht weist die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Landgerichtsurteil zurück. In der Frage, was Kläger und Beklagte vortragen und beweisen müssen, gibt es immer wieder Verwirrung. Das OLG klärt zunächst nochmals Vortrags- und Beweislast-Regeln rund um die Frage der Mietwagenkostenerstattung in Bezug auf den Normaltarif, einen Betrag über dem Normaltarif, unter dem Normaltarif und zum über allem liegenden Unfallersatztarif. Da der Kläger einen Normaltarif verlangte und die Beklagte beweisfällig dafür blieb, dass den Geschädigten ein ohne Weiteres zugängliches günstigeres Angebot zur Verfügung stand, ist der verlangte Schadenersatzbetrag zu erstatten. Es reiche nicht, wenn die Beklagte behauptet, der Geschädigte hätte günstiger anmieten können, dafür auf nicht vergleichbare Internetscreenshots verweist und zum Beweis ein Gerichtsgutachten beantragt.
In Bezug auf die Frage der Erforderlichkeit von Kosten für Winterreifen stellt das Berufungsgericht zunächst klar, dass in den Wintermonaten eine Ausstattung mit Winterreifen notwendig ist und daher die Kosten, die mietvertraglich dafür vereinbart wurden, zum Schwacke-Vergleichsbetrag auch als Schadenersatz vom Schädiger zu erstatten sind. Dabei ist die Erforderlichkeit grundsätzlich von Oktober bis Ostern anzunehmen. Die Frage der tatsächlichen Ausstattung des beschädigten und in Reparatur oder Ersatz befindlichen Fahrzeuges des Geschädigten mit Winterreifen ist dafür nicht relevant.

Zitiervorschlag: "Kosten Winterreifen von O bis O erstattungsfähig"

"Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Nebenkosten, gegen die sich die Beklagte lediglich pauschal "wendet". Eine zureichende, mit einer Begründung versehene Berufungsrüge ist insoweit lediglich hinsichtlich der Winterreifenpauschale erhoben. Gesondert in Rechnung gestellte Kosten für
Winterreifen sind jedoch bis zur Höhe der Schwacke-Nebenkostentabelle erstattungsfähig. Aufschläge für Winterreifen sind jedenfalls dann erforderlich i.S.d. S 249 BGB, wenn das Fahrzeug zwischen "Oktober und Ostern" (bis Ende April) angemietet worden ist. Die Erforderlichkeit ist dabei nicht nur dann von vornherein zu bejahen, wenn das verunfallte Kfz seinerseits mit Winterreifen ausgestattet war, sondern auch dann, wenn während der Mietdauer ernstlich mit der Möglichkeit von Wetterlagen gerechnet werden musste, die mit Rücksicht auf § 2 Abs. 3 a StVO eine Winterausrüstung des Mietwagens erforderlich machen. Da der Mieter Verantwortung für fremdes Eigentum übernehmen muss, ist ihm in der kalten Jahreszeit die Haftung für den Mietwagen ohne Winterreifen selbst dann nicht zuzumuten, wenn er sein eigenes Fahrzeug nicht mit Winterreifen ausgerüstet hat. Dies ist im Zeitraum zwischen Oktober und April jedenfalls der Fall."
(Oberlandesgericht Frankfurt/Main 7 U 23/22 vom 28.09.2022)

 

 

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 42-22

Landgericht Aschaffenburg 12 O 44/22 vom 28.09.2022 

1. Die überlange Mietdauer ist aufgrund der mangelnden Liefermöglichkeit eines sicherheitsrelevanten Ersatzteils zur Instandsetzung des Unfallfahrzeuges gerechtfertigt.
2. Da die Beklagte nicht auf die Bitte um Unterstützung bei Ersatzteilbezug und Mietwagenvermittlung reagierte, hat sie die Mietwagenkosten vollständig nach dem Mischmodell aus Fraunhofer und Schwacke zu erstatten.
3. Die Höhe der Mietwagenkosten bestimmt sich aus den Pauschalen Woche, 3 Tage und Einzeltage.
4. Kosten der Nebenleistung Winterreifen sind zwischen Oktober und Ostern erstattungsfähig.
5. Ein Bestreiten der Aktivlegitimation des Klägers ist ohne eine weitere Substantiierung ausgeschlossen, da die Beklagte ihm gegenüber vorgerichtlich teilweise regulierte.

Zusammenfassung: Das Landgericht Aschaffenburg verurteilt die Allianz-Versicherung zu weiterem Schadenersatz aufgrund Mietwagenkosten und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten. Insbesondere die mehrmonatige Dauer der Anmietung wird nicht beanstandet, da einerseits ein sicherheitsrelevantes Ersatzteil nicht lieferfähig gewesen ist und die Beklagte zur Reduzierung der Schadenkosten um geeignete Maßnahmen gebeten wurde. Auch die Kosten der erforderlichen Ausstattung mit Winterreifen sind vom Schädiger zu ersetzen. 

Bedeutung für die Praxis: Das Landgericht in Aschaffenburg sprach dem Geschädigten die restlichen geforderten Schadenaufwendungen bzgl. Mietwagenkosten und Rechtsanwaltskosten vollständig zu. Die hier angefallene überlange Mietdauer hat der Geschädigte nicht zu vertreten. Denn ein Verschulden nach § 254 BGB ist ihm nicht anzulasten, wenn einerseits notwendige Teile zur Unfallschadenreparatur fehlten und andererseits die Beklagte auf diesen Hinweis nicht reagierte. Im Rahmen seiner Ersetzungsbefugnis entstehende Mehraufwendungen, die sich seinem Einflussbereich entziehen, können nicht zu Lasten des Geschädigten gehen.
Die Kosten der Ausstattung des Mietwagens mit Winterreifen sind schadenrechtlich für eine Miete zwischen Oktober und Ostern zu ersetzen. Das Gericht macht diese Kosten nicht von der Ausstattung des Geschädigtenfahrzeuges abhängig und auch nicht von konkret zu beweisenden winterlichen Straßenverhältnissen. Das erscheint auch sachgerecht, denn es ist bei einer mehrtätigen Miete in dieser Zeit immer damit zu rechnen, dass die Temperaturen fallen. Es wäre unzumutbar und kaum zu organisieren, wenn Mieter massenhaft am Tag vor Frost Mietfahrzeuge oder Räder des Mietfahrzeuges tauschen wollten. Es entspricht grundsätzlich der Pflicht des Mieters, das Fahrzeug nur mit witterungs-konformer Bereifung zu nutzen. Daher hat er das Recht, wenn Winterwetter auftreten kann (in Deutschland anzunehmen von "O bis O"), auch ein Fahrzeug mit Winterreifen anzumieten und die Zusatzkosten vom Schädiger erstattet zu bekommen.
Bis in den Prozess hinein stritt man noch um weitere Positionen, wie Mietwagengruppe, Zweitfahrer-Gebühr, korrekte Mietwagenzulassung und die Frage, wie das verunfallte Fahrzeug versichert war, bis die Beklagte diese Positionen unstreitig stellte. Teilweise begab man sich auf Klägerseite dabei wohl aus Gründen der Prozess-Ökonomie in nicht zwingend notwendige Erklärungen. Weder besteht ein Zusammenhang zwischen Zulassung des Mietfahrzeuges als Mietwagen für Selbstfahrer und das Schadenersatzrecht, noch hat die Versicherung des Geschädigtenfahrzeuges etwas mit der Erstattungsfähigkeit weitgehender Haftungsreduzierungskosten aus dem Mietvertrag zu tun.

Zitiervorschlag: "Kosten Winterreifen von O bis O erstattungsfähig"

"Winterreifen sind auch bereits ab Mitte Oktober als erforderlich anzusehen. Der Zeuge XXX hat insoweit in seiner Zeugeneinvernahme ausgeführt, dass diese regelmäßig von "O bis O", d.h. von Oktober bis Ostern aufgezogen werden. Der zweite Mietwagen mit Winterreifen wurde am 14.10.2021 übergeben. Zu diesem Zeitpunkt waren Winterreifen erforderlich." (Anmerkung: Die Vermietung mit Winterreifen erfolgte im konkreten Fall Mitte Oktober) (Landgericht Aschaffenburg 12 O 44/22 vom 28.09.2022)

Zitiervorschlag: "Anwendung der Listenpauschalen, nicht Woche durch 7 mal Mietdauer"

"Die Berechnung des Mietwagentarifs nach Wochentarif und Zusatztag-Wochentarif ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Grundsätzlich ist bei der Abrechnung der Mietwagenkosten bei mehrtägiger Vermietung die nach der Schwacke Automietpreisspiegel ausgewiesenen Reduzierungen nach Wochen-, 3-Tages- und Tagespauschalen zu berücksichtigen. (...)  Die Autovermietung ist nicht gehalten, hinsichtlich des Einzeltages den Tarif anteilig aus dem Wochentarif zu berechnen." (Landgericht Aschaffenburg 12 O 44/22 vom 28.09.2022)

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

 

Bundesverband der Autovermieter Deutschlands e.V.

Wir stellen uns vor.

Der Bundesverband der Autovermieter Deutschlands e.V. (BAV) wurde am 05. April 1954 gegründet. Er ist eine Interessenvertretung von Unternehmen, die Pkw, Anhänger, Transporter und Lkw vermieten. Der BAV repräsentiert ca. zwei Drittel des Gesamtmarktes der Autovermietung. Er steht den Mitgliedern für alle branchenrelevanten Aufgaben zur Verfügung.

Alles Wissenswerte haben wir für Sie in einer Verbandsbroschüre aufbereitet. Bitte schauen Sie hinein. Sie erfahren wer wir sind und welche Aufgaben der BAV für die Branche der Autovermietung übernommen hat. Sie sehen, wie erfolgreich wir dabei bisher gewesen sind und warum es sich lohnt, unserer Interessengemeinschaft beizutreten und in Zukunft mit uns zusammenzuarbeiten.

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Der BAV bietet den Zugriff auf eine Datenbank für Gerichtsurteile und Fachartikel bzgl. Mietwagen an.

Meinung der Nutzer (10.08.2022):
„Die Datenbank des BAV ist für die Mitglieder von großem Nutzen. Hier kann sich der Autovermieter oder sein Anwalt jederzeit über den aktuellen Stand der lokalen Rechtsprechung informieren. Von unschätzbarem Wert ist die Datenbank für die überregionale bundesweite Rechtsprechung. Wenn ein Autovermieter nicht lokal Klagen kann, sondern am entfernten Unfallort oder am Sitz der Versicherung klagen muss, bietet die Datenbank wichtige Informationen über die dortige Rechtsprechung und insbesondere die möglichen Erfolgsaussichten einer Klage fern der Heimat.“

In der Datenbank sind - zumeist im Format PDF - enthalten:
- alle wichtigen BGH-Urteile der letzten Jahre
- alle wichtigen und uns bekannten Urteile der Oberlandesgerichte und der Landgerichte seit 2008
- jeweils mindestens ein Urteil einer Abteilung eines Amtsgerichtes seit 2008, soweit bekannt und von Bedeutung
- alle aktuellen uns bekannten Urteile seit Mitte 2010

Mitte 2022 befinden sich ca. 6.600 Dokumente in der Datenbank. Für ...

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